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Technik pflegt die Haut

Projekt Hautfabrik: Automatisierte Anlage nimmt auf Belange der Zellen Rücksicht
Technik pflegt die Haut

Hautmodelle lassen sich unter künstlichen Bedingungen erzeugen. Für den automatisierten Umgang mit den lebenden Zellen in einer Hautfabrik nutzen Fraunhofer-Forscher Standardkomponenten, aber auch eine Reihe von Neuentwicklungen.

Schnittwunde, Kratzer am Knie, am Backofen verbrannt: Dass verletzte Haut am Körper von selbst wieder nachwächst, ist für jeden selbstverständlich. Dass das auch im Labor funktioniert –und sogar ohne menschliches Zutun–, haben Wissenschaftler aus vier Fraunhofer-Instituten gezeigt und eine „Hautfabrik“ entwickelt. In der automatisierten Anlage, die derzeit in Stuttgart aufgebaut ist, wollen sie pro Monat 5000 Hautstückchen züchten, jedes davon etwa daumennagelgroß.

Bislang werden solche Hautproben meist im Labor über einen Zeitraum von sechs Wochen mit viel Handarbeit hergestellt, was sie sehr teuer macht. Hersteller von Pharmazeutika, Chemikalien, Kosmetika und Medizinprodukten nutzen diese künstliche Haut, um die Verträglichkeit ihrer Produkte zu testen – als Alternative zum Tiermodell. In der Hautfabrik entfallen die vielen manuellen Schritte, die geschultes Personal erfordern, und werden durch eine kontrollierte und reproduzierbare Prozessdurchführung ersetzt. Die Bezeichnung „Fabrik“ mag im Zusammenhang mit lebenden Zellen ungewöhnlich klingen, erscheint beim Blick auf die Anlage aber gerechtfertigt. Aluminiumprofile, Linearachsen, Roboter, Kabel und Schläuche, die Geräuschkulisse arbeitender Pneumatikventile – das kennt man aus der Industrie.
Nur die Produkte halten sich nicht an die Regeln der Technik. Jedes Hautstück ist anders, hat eine eigene Form und seine spezielle Konsistenz. Daher konnten die Forscher bei Greifern und allen Elementen, die mit den Zellen in Kontakt kommen, nicht auf Standardkomponenten zurückgreifen, sondern haben spezielle Lösungen entwickelt. „Sowohl die Geometrie der Greifer wurde angepasst als auch die Materialien entsprechend ausgewählt“, erläutert Projektmitarbeiter Frank Pretzsch vom Aachener Fraunhofer-IPT. Die Zellen, auf die zugegriffen werden soll, befinden sich schließlich in zum Teil sehr kleinen Gefäßen. Auch bedenkliche oder gar toxische Materialien waren tabu. Alle Neuentwicklungen sind patentiert – eine Nutzung in Lizenz durch Industrieunternehmen ist laut Pretzsch daher denkbar.
Flexibel musste die Anlage auch sein, da Zellen nicht im gewünschten Takt wachsen. Sie können erst „geerntet“ werden, wenn sie das richtige Stadium erreichen – was sich nur durch mikroskopische Kontrolle im 48-h-Rhythmus feststellen lässt, ebenfalls automatisiert. Kontaminationen in den Gefäßen werden dabei an Trübungen oder am pH-Wert erkannt und verdächtige Gefäße sofort aus der Anlage entfernt.
„Die nahtlose Automatisierung aller Prozessschritte ermöglicht im Hautmodellaufbau die Einführung produktionstechnischer und wirtschaftlicher Maßstäbe wie reproduzierbare Qualität, Durchsatz und Kostenoptimierung“, sagt Prof. Heike Walles vom Fraunhofer-IGB in Stuttgart, wo das in der Fabrik produzierte Hautmodell entwickelt wurde.
Die Pläne der Forscher reichen aber über die Erzeugung von Hautmodellen hinaus. Sie wollen eines Tages zum Beispiel künstliche Haut für Transplantationen nach großen Brandverletzungen gewinnen. Wissenschaftler des IGB arbeiten an einem Vollhautmodell, in dem sogar Blutgefäße vorhanden sind. Um die Anlage späterhin auch für solche Projekte nutzen zu können, wurde sie so konzipiert, dass damit nach einigen Veränderungen die hohen Standards der Good Manufacturing Practice – kurz GMP – erfüllt werden können. op
Weitere Informationen Im Projekt „Automated Tissue Engineering on Demand“ arbeiten Biologen, Physiker und Ingenieure aus vier Fraunhofer-Instituten zusammen. Beteiligt sind das IGB sowie das IPA in Stuttgart, dass Aachener IPT sowie das IZI in Leipzig.
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