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Mit dem Shuttle zur Behandlung

Roboterunterstützte Strahlentherapie: Transportmedium erhöht Prozesseffizienz
Mit dem Shuttle zur Behandlung

Eine Kapazitätssteigerung bei Partikeltherapie-Anlagen für die Tumorbehandlungverspricht die Kombination robotischer Positionierungssysteme mit einem dedizierten Transportmedium. Die Entwicklung dieses „Patienten-Shuttles“ übernahm die Erhardt + Abt Automatisierungstechnik GmbH.

Tumore werden in der Regel in einzel- oder kombinierten Therapien behandelt. Es handelt sich dabei um chirurgische, chemo- und strahlentherapeutische Behandlungsformen. Eine technologisch sehr aufwendige Form der Strahlentherapie ist die Partikeltherapie, mit der sogar strahlenresistente Tumore in der Nähe von empfindlichen Organen behandelt werden können. Vorbereitet wird die Tumorbestrahlung mit der bildgebenden Computertomographie und einem Bestrahlungsplanungssystem.

Für die Durchführung der hochpräzisen Partikeltherapie muss der Patient exakt positioniert sein. Um das bei gleichzeitiger Erhöhung des Patientendurchsatzes zu gewährleisten, wurde die Kombination eines Patientenshuttles mit einem robotischen Patiententisch entwickelt. Dieses Zusammenspiel ermöglicht die Vorbereitung der Patienten außerhalb des Therapieraums und damit die bessere Auslastung des Teilchenstrahls. Der Patient wird in einem Vorbereitungsraum ganz ohne Zeitdruck auf einer Karbontischplatte fixiert, die auf dem neuen Patienten-Shuttle in einem Rahmen ruht. Das Shuttle wird zu einem fest definierten Punkt im Behandlungsraum gefahren und dort mit einem Bolzensystem verankert. Der Roboter dockt an der Tischplatte an und fährt sie mit hoher Genauigkeit in die Bestrahlungsposition. Ein weiterer, deckenmontierter Roboter überprüft nochmals die geforderte Position des Patienten per Röntgenbildgebung. Nach der Behandlung legt der Roboter die Platte mit dem fixierten Patienten wieder sicher auf dem Transportmedium ab. Um die Partikeltherapie-Anlage optimal auszulasten, kann der nächste Patient bereits auf einem weiteren Shuttle außerhalb des Bestrahlungsraums vorbereitet werden.
Eine zentrale Anforderung des Entwicklungsprojekts war, das Patienten-Transportmedium in einer dem Roboter bekannten Position zu parken. In industriellen Anlagen können Roboter „geteached“ werden. Dieses Anlernen von relativen Positionen verbietet sich bei einem System im Produktfeld Medizintechnik nach der Abnahme. Deshalb muss die Position, an der die Tischplatte mit dem Patienten vom Roboter übernommen wird, in Bezug auf die Roboterbasis immer identisch sein – unabhängig vom jeweiligen Behandlungsraum. Die Ingenieure lösten das Problem mit Referenzpunkten, die im Boden eingelassen sind. Die so genannten „Anker“ sind mit einstellbaren Elementen ausgestattet: Eine speziell entwickelte Vorrichtung von Erhardt + Abt gewährleistet eine definierte Justierung der Bodenelemente im Boden – eine weitere Vorgabe war entsprechend der hohen Anforderungen des Auftraggebers Siemens erfüllt.
Durch die enge Zusammenarbeit mit der Abteilung für Partikeltherapie der Siemens AG konnte das Shuttle in relativ kurzer Zeit unter Einhaltung der Regularien für den Entwicklungsprozess medizintechnischer Produkte realisiert werden. Drei Standorte waren in die Entwicklung involviert. Dabei sicherten moderne Kommunikationsmittel wie Live Meetings die erfolgreiche Kooperation der Projektpartner über große Distanzen hinweg ab – und reduzierten den Aufwand für Reisen. Nach nur vier Monaten stand ein voll funktionsfähiger Prototyp zur Verfügung. Mit diesem wurden sämtliche normativen Tests durchgeführt, wie beispielsweise der EMV-Test oder Belastungstest mit vierfacher Maximallast. Die Tests verifizierten alle theoretisch berechneten Daten, und der Prototyp wurde für die Serienproduktion freigegeben.
Damit wurde auch ein Wettlauf mit der Zeit gewonnen: Das Entwicklungsteam hatte sich einen engen Terminplan gesteckt, um die normativen Tests auf Basis der 2. Edition durchführen – bevor die Übergangsfrist vor Inkrafttreten der 3. Edition am 1.Juni 2012 auslief.
Die zulassungstechnischen Anforderungen sind in der Medizintechnik erheblich höher als in der Automation. Weil die Sicherheit für Anwender und Patient im Mittelpunkt steht, erstellte der Automatisierungsspezialist Erhardt + Abt aus Kuchen an der Fils ausführliche Sicherheitsnachweise und Verformungsanalysen. Medizinprodukte dürfen zudem, anders als Automationsanlagen, nur in Organisationen produziert werden, die nach DIN EN ISO 13485 Standard zertifiziert sind: Es muss ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem für das Design und die Herstellung von Medizinprodukten etabliert sein. Die Produktion fand daher in der Fertigung der Heitec AG, Erlangen, statt. Hier wurden in nur drei Monaten drei Shuttles nach den regulatorischen Vorgaben fertig gestellt, getestet und termingerecht ausgeliefert.
Abnehmer der Patienten-Shuttles sind medizinische Einrichtungen in Deutschland und China. Die effiziente und effektive Zusammenarbeit mit Siemens führte zu einer zielstrebigen Umsetzung und Markteinführung des Patienten-Shuttles. Gemeinsam wurden innovative Ideen erarbeitet und erfolgreich eine Politik der „kurzen Wege“ umgesetzt – auch die wöchentlichen Live Meetings förderten die schnelle Realisierung des Prototypen. Nicht zu vergessen der persönliche Einsatz der Mitarbeiter – motiviert durch das Bewusstsein, mit der Entwicklung des Shuttles einen Beitrag zur Bekämpfung und Behandlung einer der großen „Volkskrankheiten“ zu leisten.
Uwe Schmid Erhardt + Apt, Kuchen/Fils

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