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Dem Licht gehört die Zukunft

Photonik: Optische Technologien verbessern Diagnostik- und Therapiemethoden
Dem Licht gehört die Zukunft

Dem Licht gehört die Zukunft
Beleuchtete Glasfasern: In Faser-richtung kann sich Licht nahezu ungehindert ausbreiten. Fasern und Faserbündel können zu Beleuchtungs- und Abbildungszwecken in Endoskopen, Mikroskopen, Kameras oder als Kaltlichtquellen genutzt werden. Außerdem ermöglicht die Glasfaser die Übertragung riesiger Datenmengen Bild: obs/ Vodafone D2
Die optischen Technologien gehören heute zu den wichtigsten Impulsgebern für die Medizintechnik. Sie verschmelzen Diagnostik und Therapie, sorgen für schonende chirurgische Eingriffe und optimieren die Laser- und Plasmamedizin.

Licht fasziniert. Es ermöglicht das Leben auf der Erde und die Selbstwahrnehmung des Menschen – und wird in immer neuen Varianten zu einem Werkzeug in seinen Händen. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2015 sogar zum Internationalen Jahr des Lichts ernannt. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Initiativen soll auf die Bedeutung von Licht und der auf Licht beruhenden Technologien, die uns im Alltag begleiten, aufmerksam gemacht werden. Die ständige Optimierung von Lichtquellen, Lichtleitung und Kamerasystemen sind wichtige Faktoren, um Laser und andere photonische Systeme immer effektiver auch in der Medizin und der Medizintechnik einzusetzen.

Während anfangs das Problem darin bestand, das Licht an oder in den Körper zu bringen, ohne dass dabei zu viel Hitze entsteht, wird das Licht heute außerhalb des Körpers erzeugt und mit Hilfe von Lichtleitern an die gewünschten Körperstellen gelenkt. „Die Methode, Laserlicht mittels Glasfasern zu Therapiezwecken minimal-invasiv in den Körper zu leiten, wird seit drei Jahrzehnten erfolgreich angewandt“, erklärt Dr. Jürgen Helfmann, der als Senior Projektmanager bei der Laser- und Medizintechnologie (LMTB) GmbH den Bereich Medizintechnik verantwortet. Dafür müssen die Hightech-Fasern jedoch entsprechend be-arbeitet werden. Das Berliner Unternehmen hat beispielsweise für die bildgebende Dia-gnostik ein neues Veredlungsverfahren entwickelt. Dabei werden mit ultrakurzgepulstem Laserlicht Glasfasern im Kern so modifiziert, dass das durchgeleitete Licht dort gezielt diffus streuend aus der Faser austritt. Dadurch können auch größere Gewebeteile besser behandelt werden.
Zum Einsatz kommt das Werkzeug Licht überall dort, wo Gewebe gezielt thermisch geschädigt werden soll, beispielsweise bei einem Tumor in Leber, Lunge, Brust und Gehirn oder zum Venenverschweißen bei Krampfadern.
Ein weiteres Einsatzgebiet der flexiblen Laser-Lichtleitfasern ist die photo-dynamische Therapie, bei der über photochemische Prozesse zuvor selektiv angereicherte Farbstoffe aktiviert werden und dabei über Sauerstoffradikale den Zelltod herbeiführen.
Dabei ist Lichtfaser nicht gleich Lichtfaser, erläutert Helfmann. Die Fertigung der verschiedenen Fasertypen beruht auf unterschiedlichen Methoden. Um bestehende Abstrahlgeometrien der Fasertypen zu optimieren, aber auch um neuen Anwendungen gerecht zu werden, hat die LMTB eine neuartige Innenstrukturierung von Lichtleitfasern entwickelt. „Hierbei“, so Helfmann, „wird der Glasfaserkern mit Kurzpuls-Laserpulsen fokussiert beschossen, um gezielt kleinste Materialreaktionen zu erzeugen, an denen das Licht im Quarzkern gestreut und gezielt ausgekoppelt werden kann.“ Derzeit befindet sich diese Technologie, die in der Lasertherapie zum Einsatz kommen soll, gemeinsam mit Kunden und Anwendern in der Validierung und Verfahrensoptimierung.
Relativ neu als Lichtquelle in medizinischen Anwendungen sind LEDs. Sie haben den Vorteil, dass sie keine Wärme abgeben und sich sowohl Lichtintensität als auch Farbe steuern lassen. In der Intensivmedizin ist dieses Prinzip durch die Beleuchtung der Fingerbeere zur schmerzfreien Messung der Vitalparameter wie Blutpulsation, Herzschlag oder Sauerstoffgehalt im Blut bekannt. Bei dem nicht-invasiven Verfahren der Photoplethysmographie (PPG) sendet eine Leuchtdiode infrarotes Licht in das zu untersuchende Körperteil. Gegenüber der Leuchtdiode befindet sich ein Fotosensor, der das transmittierte Licht misst. Je stärker das Untersuchungsgebiet durchblutet ist, desto mehr infrarotes Licht wird vom Blut absorbiert und umso weniger übertragen.
Für eine Anwendung in der Stressdiagnostik und bei Schmerzpatienten hat die CiS Forschungsinstitut für Mikrosensorik GmbH in Erfurt mikrooptische Auflicht-Sensorbaugruppen für ebensolche photoplethysmographische Anwendungen entwickelt. Der 3,2 mm x 4,2 mm x 0,7 mm kleine Sensor kann in individuelle oder universelle Otoplastiken eingesetzt werden und ermöglicht exakte Messungen von Vitalparametern wie Herz- und Atemrate im äußeren Gehörgang. Auf diese Weise lässt sich sehr genau feststellen, inwieweit Körper und Seele angespannt sind. Dabei lässt sich das In-Ohr- System bequem wie ein Kopfhörer tragen, erklärt CiS-Geschäftsbereichsleiter Dr. Olaf Brodersen.
Die für die Sensoransteuerung, Signalverstärkung und -digitalisierung notwendige Elektronik befindet sich in einer Hinterohreinheit der Otoplastik. Sie übermittelt die vom Sensorchip aufgenommenen Signale an ein Smartphone. Via Bluetooth erfolgt die drahtlose Übertragung der Daten. Für die Analyse der Daten wird das System mit einer individualisierten Biofeedbackfunktion gekoppelt. Die CiS-Forscher erhoffen sich durch semantisch-akustische Rückmeldungen von dem „kleinen Mann im Ohr“ eine deutliche Verbesserung des physiologischen Zustandes des Patienten.
Eine weitere Anwendung, an der Mikrosensorik-Spezialist Brodersen und sein Team aktuell arbeiten, beschäftigt sich mit der Blutzuckermessung. Bei dieser Anwendung kommt eine polarimetrische Sensorik mit neuer Laserlichtquelle zum Einsatz. Das winzige Modul erzeugt ein paralleles Laserlichtbündel von weniger als 300 µm Durchmesser. Das linear polarisierte Licht durchstrahlt eine Messkammer und trifft auf einen miniaturisierten polarisationsempfindlichen Detektor. Die Messkammer, erläutert Brodersen, kann im Körper für die Bestimmung der Glukose-Konzentration insertiert werden.
Die Verknüpfung von Licht-Komponenten mit Halbleitertechnologien macht die Photonik zum wichtigen Werkzeug in vielen Innova- tionsbranchen wie der Medizintechnik, aber auch im Maschinen- und Anlagenbau, der Elektronik und der Elektrotechnik. Die Messe Laser – World of Photonics in München widmet sich vom 22. bis 25. Juni dem breiten Spektrum der Photonik. Passend zum Internationalen Jahr des Lichts zeigen die Aussteller der Messe, wie eng Innovation in den verschiedenen Bereichen der Industrie mit dem intelligenten Einsatz von Licht verbunden ist.
Biophotonik und Medizintechnik werden auch in diesem Jahr im Fokus der Messe stehen: Für die Bereiche Diagnostik und die Therapie bietet die Medizintechnik zahlreiche photonische Anwendungen. Zu den Trends und Forschungsprojekten der biophotonischen Verfahren gehören neue OP-Techniken mit dem Laser, immer kleinere Schnitte und die Chirurgie durch natürliche Körperöffnungen. Den detaillierten Blick unter die Haut erlauben flexible Endoskope mit Hilfe winziger Kamerasysteme. Der Laser ist auch der Schlüssel zur so genannten STED-Mikroskopie, die bei der Untersuchung von Körperzellen und Gewebe in einen Auflösungsbereich unter 50 nm vordringt und Zellen, die mit fluoreszierenden Mitteln behandelt wurden, sichtbar macht.
Weltweit ist Deutschland im Photonik-Markt die Nummer zwei hinter den USA. Ein langfristiges Wachstum der deutschen Photonikindustrie bis zum Jahr 2020 – anderthalb Mal so hoch wie das Wachstum des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) – prophezeien die Fachverbände Spectaris, VDMA und ZVEI sowie Bundesministerium für Bildung und Forschung, die sich seit einigen Jahren intensiv mit dieser Schlüsseltechnologie beschäftigen. Sie sagen bis 2020 einen Weltmarkt von 615 Mrd. Euro vorher, basierend auf einem Marktvolumen von 350 Mrd. Euro in 2011.
Dabei bewege sich die deutsche Photonik-Industrie in einem internationalen wettbewerbsintensiven Umfeld, sagt Dr. Wenko Süptitz, Leiter des Fachverbands Photonik im Industrieverband Spectaris. Wolle sie diesen Weltmarktanteil behaupten, sind weitere Anstrengungen nötig, da derzeit deutliche globale Marktverschiebungen hin zu Ländern wie China und Korea stattfinden. Der Fachverband arbeite deshalb in Europa für ein innovations- und produktionsfreundliches Umfeld, so Süptitz. Beispielsweise erfordern die europäischen Regularien wie die auf Elektronikschrott zielende RoHS-Richtlinie und die Chemikalienverordnung REACH eine aufwendige Argumentation, warum optische Gläser und Filter davon nicht betroffen sein dürfen. Noch bis Juli 2016 gilt eine Ausnahmeregelung, für die sich Spectaris eingesetzt hat.
Allen Verbesserungen in der medizinischen Versorgung zum Trotz wird der überwiegende Teil der Mittel in der Gesundheitsversorgung bisher für die symptomatische Behandlung fortgeschrittener Krankheiten eingesetzt. Hier ist ein Paradigmenwechsel hin zur Früherkennung und Prävention von Krankheiten erforderlich, sagt Prof. Dr. Jürgen Popp, Direktor des Leibnitz-Instituts für Photonische Technologien e.V., Jena, und Sprecher des Forschungsschwerpunktes Biophotonik. Gelingt es, die optische Schnelldiagnostik künftig noch weiter zu vereinfachen, könnte sie den Menschen helfen, ihren Gesundheitszustand im Alltag regelmäßig zu kontrollieren und schon bei ersten Warnzeichen gegenzusteuern. Die Biophotonik-Initiative unterstützt dieses Ziel gemeinsam mit Fördergeldern des Bundesforschungsministeriums auch im Jahr des Lichts.
Polarimetrischer Sensor bestimmt im Körper den Blutzuckergehalt
Bildgewinnung in der Diagnostik – zum Wohle des Patienten
Weitere Informationen Zum Internationalen Jahr des Lichts: www.jahr-des-lichts.de Zum Industrieverband: www.spectaris.de Zum Forschungsinstitut für Mikrosensorik: www.cismst.org Zum Spezialisten für Lasermedizin: www.lmtb.de

Messe mit Fokus

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Der Nobelpreis für den Göttinger Forscher Stefan Hell und seine STED- Mikroskopie war ein Meilenstein für die mikroskopische Erkundung der Nanowelt. Laser, schaltbare fluoreszierende Marker und bildgebende Verfahren geben tiefe Einblicke in lebende Zellen. Ohnehin sind Laser dabei, die medizinische Forschung, Diagnostik und Therapie zu revolutionieren. Biophotonik und Medizintechnik werden auf der Laser World of Photonics, vom 22. bis 25. Juni auf dem Gelände der Messe München, wieder im Fokus stehen. Aufgrund des Ausstellerwachstums wurde die Messe in diesem Jahr um eine Halle auf nun insgesamt fünf Hallen vergrößert.
Mit einem Ausstellungs-Schwerpunkt in Halle B3 und den parallel zur Messe stattfindenden European Conferences on Biomedical Optics wird die Leitmesse eine Leistungsschau der Biophotonik-Branche. Daneben ist und bleibt der Laser ein Innovationstreiber der Medizintechnik, der Patienten und Gesellschaft gleichermaßen nützt.
Ganz unter dem Zeichen des „International Year of Light and Light-based Technologies“ steht der World of Photonics Congress, der traditionell parallel zur Messe stattfindet. Hier trifft sich die internationale Wissenschaftselite, um sich über die jüngsten Entwicklungen in der Laser- und Photonik-Forschung auszutauschen.

Online weiterlesen
Mehr über medizinische Anwendungen mit dem Laser und darüber, wie Hörimplantate mit Licht statt mit Strom funktionieren, lesen Sie im Online-Magazin unter www.medizin-und-technik.de/ onlineweiterlesen.
Verfügbar bis 17. August 2015 – also bis die nächste Ausgabe mit einem neuen Titelthema erscheint.

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