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Im Jahr 2023 hat sich die Medizintechnikbranche zwar leicht von den Krisenjahren erholt, jedoch leiden viele Unternehmen, insbesondere die kleinen und mittelständischen, weiterhin unter gestiegenen Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik. „In solchen Zeiten ist es wichtiger denn je, Kosten zu senken“, sagt Ulf Hottung, Branchenmanager Medizintechnik bei der Kölner Igus GmbH. Hebel zum Sparen fänden sich laut Hottung in Einkauf und Produktion gleichermaßen. „Immer mehr Betriebe setzen beispielsweise auf unsere Gleitlager aus Hochleistungskunststoff, die um ein Vielfaches günstiger sind als ihre Pendants aus Metall.“
Und was lange als Privileg finanzstarker Großunternehmen galt – die Automatisierung –, sei heute auch für KMU denkbar. Kostengünstige Lösungen sind Online über den Marktplatz RBTX.com verfügbar. Dieses herstellerneutrale Portal für Low-Cost-Automation hat Igus 2019 gegründet. Es enthält Roboter und Einzelkomponenten von über 130 Herstellern sowie komplette Automationslösungen. Eine Lösung ab 2000 Euro zum Beispiel rechnet sich laut Hottung in der Regel nach drei bis zwölf Monaten.
Besonders beliebt sei derzeit ein Automat für das Kleben kompakter Werkstücke. Die Anwendung besteht aus einem Scara-Roboter von Igus, der mit einem Spritzendosiersystem im Inneren einer Roboterzelle arbeitet – mit einer Wiederholgenauigkeit von 0,05 mm. „Die Automation solcher ermüdenden und fehleranfälligen Klebe-Prozesse senkt nicht nur Kosten, sondern unterstützt auch dabei, den strengen Richtlinien der Medical Device Regulation, kurz MDR, gerecht zu werden“, betont Hottung.
Käfig-Werkstoff für Kugellager ist nachweislich biokompatibel
Die regulatorischen Vorgaben hat Igus auch im Blick, wenn es um das Entwickeln neuer Materialien geht. „Wir arbeiten kontinuierlich daran, Materialien auf den Markt zu bringen, die bereits nach den strengsten weltweiten Standards zertifiziert sind“, sagt der Igus-Mitarbeiter. Ein Beispiel: Kugellager der Serie Xiros, deren Käfig aus dem Hochleistungskunststoff Xirodur MT 180 gefertigt ist. Die Bewertung nach USP 88 Class VI der so genannten United States Pharmacopeia (USP) zeigt: Der Werkstoff erreicht die höchste Biokompatibilitätsklasse. Die USP ist ein US-amerikanisches Arzneibuch, das Qualitätsstandards für Arzneimittel festlegt. Dank seiner Einstufung nach diesem Regelwerk ist der Kugellager-Werkstoff sogar für den Kontakt mit dem Blutkreislauf zugelassen. Durch solche Vorarbeit reduziere sich die Zeit für die Zertifizierung von Produkten, in denen der Werkstoff zum Einsatz kommt.
Zu finden sind die Kugellager unter anderem in Bioreaktoren und in der Magnetresonanztomographie. Sie sind auch besonders hygienisch, da in die Hochleistungspolymere Festschmierstoffe integriert sind, die einen reibungsarmen Trockenlauf ermöglichen. Anders als bei Gleitlagern aus Metall ist also kein Schmiermittel erforderlich, das zum Schmutzmagneten und zur Kontaminationsgefahr wird.
Gleitlager – so robust und verschleißfest wie Metalllager
„Gleitlagerwerkstoffe wie Iglidur Z stehen Metalllagern zudem in puncto Robustheit und Verschleißfestigkeit in nichts nach“, ergänzt Hottung. Polymerlager daraus könnten hohe Stoßbelastungen aufnehmen, besäßen eine hohe mechanische Dämpfung, arbeiteten leise und seien leicht. „Das macht sie beliebt für High-Tech-Produkte wie bionische Prothesen und elektrische Rollstühle.“
Platzsparende Automation für mechanische Verstellaufgaben
In der Diagnostik wiederum seien aktuell kompakte und hochautomatisierte Geräte für Arztpraxen gefragt. „Für Ingenieure ist es allerdings nicht immer leicht, platzsparende Automationstechnik für mechanische Verstellaufgaben zu finden. Oft müssen sie auf zeitintensive Eigenanfertigungen ausweichen“, so Hottung. Kompakter Systeme für mechanische Verstell- und Positionieraufgaben helfen, Zeit zu sparen. Dazu zählen Miniatur-Linearmodule der Serie Drylin SLN. Sie sind mit 28 mm kaum breiter als ein Daumennagel und nur 22 mm hoch.
„Neben diesen kompakten Linearführungen setzen mittlerweile auch viele Medizintechnik-Konstrukteure auf Spindelsysteme der Serie Dryspin, die sich unter anderem für automatische Positionieraufgaben eignen.“ Die Besonderheit: Die Gewindemutter besteht ebenfalls aus Hochleistungskunststoff. Die Gewindegeometrie sorgt für einen besonders leisen und vibrationsarmen Lauf. „Tests im hauseigenen Labor haben gezeigt, dass im Vergleich zu klassischen Gewindemuttern aus Metall eine bis zu 30 Prozent höhere Lebensdauer erreicht wird.“
Bei der Produktion von Tabletten, Kapseln oder Injektionsmitteln müssen Maschinen und Anlagen Reinraumanforderungen erfüllen. Das gilt auch für ihre bewegten Leitungen, deren Abrieb eine potentielle Kontaminationsquelle ist. Um dieses Risiko auszuschließen, hat Igus die E-Skin Flat entwickelt. Dieses flache Kabelführungssystem besteht aus einzelnen, zu öffnenden Kammern, in die Leitungen eingelegt werden. So sind sie von der Umgebung abgeschirmt. Dabei ist das System selbst so abriebfest, dass es der strengsten Reinraumklasse ISO 1 gerecht wird (nach DIN EN ISO 14644-1).
„Wir konnten in unserem Reinraumlabor, das wir gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA gebaut haben, sogar beweisen, dass das Kabelführungssystem auch nach eineinhalb Jahren Dauereinsatz und 60 Millionen Doppelhüben noch der höchsten Reinraumklasse entspricht“, sagt Hottung. Das System ermögliche dank des modularen Aufbaus zudem, dass Betreiber von Maschinen und Anlagen jederzeit neue Leitungen, etwa für nachträglich installierte Sensoren, hinzufügen können – statt bei Updates das komplette Führungssystem austauschen zu müssen.
„Auf Wunsch statten wir die Energieketten auch gleich mit passenden Leitungen aus unserem Chainflex-Sortiment aus. Etwa mit Lichtwellenleitern, die in Zeiten explodierender Datenmengen zunehmend an Bedeutung gewinnen, vor allem bei bildgebenden Verfahren wie Röntgen, MRT und CT.“ Auch hier unterstützt Igus Konstrukteure dabei, die Zuverlässigkeit ihrer Maschinen und Anlagen zu erhöhen.
„Bewegen sich Lichtwellenleiter in beengten Bauräumen, ist die Gefahr eines Leitungsbruchs allgegenwärtig. Deshalb haben wir unsere Lichtwellenleiter speziell auf Bewegungen mit kleinen Biegeradien ausgelegt“, so Hottung. Auf Basis der Daten aus den zahlreichen Versuchen im eigenen Testlabor lässt sich per Online-Tool zudem die Lebensdauer der Produkte in einer spezifischen Anwendung schnell und einfach berechnen. „Auch das unterstützt Betriebe dabei, in der Konstruktion Ressourcen für Trial-and-Error-Versuche zu sparen. So möchten wir in Zeiten multipler Krisen etwas Entlastung bieten.“
Weitere Informationen
Das Kölner Unternehmen Igus beschäftigt sich seit sechs Jahrzehnten mit der Entwicklung von schmierfreien Kunststofflösungen, unter anderem für die Medizintechnik. Einsetzen lassen sich diese für Gleitlager, Linearführungen, Leitungen und Energieführungen für Betten, Liegen, Laborgeräte, Prothesen und Diagnosegeräte sowie das Röntgen und die MRT.