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Wie geht’s mir heute?

Körpersensoren: Messsysteme der nächsten Generation
Wie geht’s mir heute?

Die Verbindung von Medizin, Chiptechnologie und drahtloser Kommunikation wird es in Zukunft möglich machen, mit tragbaren Körpersensoren unseren aktuellen Gesundheitszustand jederzeit aktiv zu überwachen. Ziel ist es, die Sensoren noch kleiner und flexibler zu gestalten.

Bevor Körpersensoren einen merkbaren Einfluss auf das gesundheitsbewusste Verhalten der Menschen ausüben können, müssen sie sich zu kleinen Multi-Parameter-Systemen weiter entwickeln, die angenehm im Tragen und einfach einsetzbar sind, qualitativ hochwertige Daten liefern und zuverlässig funktionieren. Für Menschen mit Schlafstörungen gibt es etwa den Zeo Sleep Manager. Er misst die Gehirnwellenaktivität über ein Stirnband, das diese Daten drahtlos an ein Auswertegerät neben dem Bett oder an ein Smartphone übermittelt. Von dort werden die Daten auf eine spezielle Website hochgeladen, die das Schlafmuster analysiert und visualisiert. Ein weiteres Beispiel ist das medizinische Zio-Sensor-Pflaster von iRhythm. Es misst bis zu 14 Tage lang den Verlauf und den Rhythmus des Herzschlags. Diese Produkte sind typisch für die erste Generation von Körpersensoren. Die kommenden Generationen werden sich zu äußerlich unsichtbaren Systemen entwickeln, die die Menschen bei den Aktivitäten ihres täglichen Lebens beobachten. Mit neuen Chips und ihrer fortschreitenden System-Integration werden die Sensoren weiter miniaturisiert und sogar flexibel sein. Auf diese Weise können sie überall eingebettet werden, etwa in ein Kissen, in eine Matratze, in die Kleidung oder in Mützen.

Voraussetzung für die Miniaturisierung und Einsatzdauer ist, dass die Sensorsysteme möglichst wenig Energie verbrauchen. Damit lassen sich kleine Batterien zur Versorgung einsetzen. Die Entwicklung von Funksystemen für die drahtlose Kommunikation mit Ultra-low-power-Komponenten zur Erfassung der Daten sind in diesem Kontext wichtig.
Die neuen Sensoren sollten nicht nur einen einzigen Parameter der Gesundheit erfassen können, sondern mehrere. Dies kann die Zuverlässigkeit der Messergebnisse über den Gesundheitszustand einer Person drastisch erhöhen. Auch sollten die Daten korrekt und von hoher Signalqualität sein.
Smartphones sind mittlerweile ein essenzieller Teil unserer Lebensführung. Daher ist es naheliegend, dass künftige Sensorknoten am Körper mit Smartphones kommunizieren, die als zentrale Instanz der angeschlossenen Geräte zur Datenerfassung fungieren. Dazu werden sicherlich bald Apps für Sport- und Gehsundheitsanwendungen entstehen, die die erhaltenen Daten darstellen können.
Die genannten Beispiele erscheinen vielleicht eher als Luxusobjekte. Doch die Evolution in Richtung benutzerfreundlicher Körpersensoren mit Anschluss an Smartphones ist auch für den Einsatz in Entwicklungsländern bedeutsam. Man kann sich leicht vorstellen, wie wertvoll ein per Funk angebundenes EKG-Headset wäre, das von Ärzten in abgelegenen Gebieten eingesetzt werden kann. Ebenso vorteilhaft wäre ein Halsband, das dem Arzt beim Hausbesuch ein volles EKG auf sein Smartphone übermittelt.
Forschungsinstitute und Unternehmen entwickeln derzeit die Technologien für zukünftige Körpersensoren. Ein Teil dieser Technologieentwicklung sind das Holst Centre und Imec in Zusammenarbeit mit industriellen Partnern. Der Fokus der Forschung richtet sich dabei auf die Ultra-low-power-Elektronik für lange Batterielaufzeiten und darauf, den Sensorsystemen eine gewisse Intelligenz zu erteilen. Die von Holst Centre und Imec entwickelten Körpersensoren zeigen, wohin die Forschung bei der Entwicklung der Sensorknoten der Zukunft geht: Die Signalqualität von Körpersensoren ist gleichermaßen wichtig für Ärzte und Patienten. Zum Einsatz unter den Bedingungen des täglichen Gebrauchs sind fortschrittliche Strategien der Signalverarbeitung nötig, um die Nutzsignale vom Rauschen zu trennen.
Eines dieser Verfahren befasst sich mit Multi-lead EKG-Aufzeichnungen. Dazu wurde ein Algorithmus entwickelt, der das Rauschen in diesem Dreidraht-EKG-System filtert und reduziert. Außerdem bietet dieses Verfahren eine Echtzeit-Abschätzung der Signalqualität. Sie wird dazu eingesetzt, den Algorithmus nach Bedarf ein- und auszuschalten, um Systemleistung einzusparen. Auf diese Weise kann das System den Herzrhythmus auch bei sehr intensiven Nebenaktivitäten, wie Laufen, detektieren. Seit dem letzten Jahr gibt es den Bluetooth-Low-Energy-Standard (BLE). Er sorgt dafür, dass Smartphones und Tablets energie-effizient mit Gesundheitssystemen kommunizieren können.
Die belgische Forschungsorganisation Imec in Leuven und das Holst Centre, eine offene Innovationsinitiative von Imec und TCO in den Niederlanden, unterstützen diese neue Entwicklung und haben ein BLE-Funksystem in ihre Prototypen eines medizinischen EKG-Pflasters integriert. Das Pflaster enthält einen Mikroprozessor und einen digitalen Signalprozessor zur Verarbeitung und Analyse von Daten noch innerhalb des Sensorknotens. So muss nur ein Bruchteil der Daten zum zentralen System (Smartphone, Tablet) übertragen werden. Das spart eine Menge Batterieleistung, denn das Funksystem hat traditionell den größten Anteil am Leistungsverbrauch des Sensorsystems. Außerdem lassen sich spezifische Funksysteme für Sensoren entwickeln, die noch energieeffizienter sind. Derzeit wird ein Funksystem für ein Body-Area Netzwerk (BAN) entwickelt,das zehnmal weniger Energie als das BLE-System verbrauchen soll.
Elektroden mit Ag/AgCl-Beschichtung werden heute meist in Verbindung mit einem elektrisch leitfähigen Gel, also als ’nasse‘ Elektroden bei EEGs und EKGs eingesetzt. Das Gel sorgt für die hohe Signalqualität. Allerdings ist es im täglichen Gebrauch kaum tolerierbar: Es trocknet nach gewisser Zeit ein und benötigt wiederholtes Auftragen. Einige Patienten klagen über Juckreiz und sogar über schwere Irritationen. Deshalb werden jetzt alternative Elektroden entwickelt. Eine dieser Entwicklungen geht in Richtung trockener Elektroden. Dazu wurde eine Fertigungsprozedur für gegossene Komponenten etabliert, zur Fertigung von Elektroden mit einem SU-8 genannten Material, einem bio-kompatiblen, nicht leitenden Polymer als Oberfläche. Nach der Formung der Elektrode wird zum Abschluss eine leitende Beschichtung aufgebracht. Um eine niedrige Impedanz auf behaarter Haut zu ermöglichen, werden die Elektroden mit Mikronadeln ausgebildet.
Um einen tragbaren Sensor komfortabler zu gestalten, muss das System so klein wie möglich sein. Idealerweise geschieht dies mit einem flexiblen Gehäuse und streckfähigen Verbindungsleitungen. Imecs Technologie für ultra-dünne Chipgehäuse (UTCP) ermöglicht das Packaging des Chips auf einfache und flexible Art, was ideal für einen tragbaren Sensor in Gestalt eines medizinischen Pflasters ist. Im letzten Jahr wurden durch Prozessoptimierungen der Fertigung hohe UTCP-Ausbeuten erzielt. Ein Funkchip, ein Microcontroller und ein Signalprozessor werden als Packaging Demonstratoren für diese UTCP-Technologie genutzt.
Die streckfähige vergossene Verbindungs-Technologie SMI (stretchable moulding interconnects) bietet auch interessante Möglichkeiten für tragbare Sensoren. Diese Technik der Integration ermöglicht eine streckbare Verbindung zwischen funktionalen Inseln mit rigiden Komponenten und ermöglicht damit elastische Sensorsysteme. Dazu wurden die Verbindungsleiter in einem optimierten Format strukturiert, um die Steckbarkeit des Systems zu erzielen. Die Komponenten und Verbindungen werden abschließend in ein ebenfalls streckbares Elastomer eingebettet.
Els Parton, wissenschaftliche Redakteurin Julien Penders, Program Manager Body Area Networks, Imec, Leuven

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