Wer einmal „Doktor Bibber“ gespielt hat, weiß, wie leicht bei einer Operation ein „Autsch-Alarm“ ausgelöst werden kann. Bei dem bekannten Brettspiel, dem „Duell der ruhigen Hände“ laut Hersteller-Werbung, schlüpfen Kinder in die Rolle des Doktors. Daran, dass bei minimal-invasiven OPs in der Welt der Erwachsenen alles gut verläuft, sozusagen ohne „Autsch-Alarm“, arbeiten die Gründer der Surag Medical GmbH: Moritz Spiller und Alfredo Illanes (beide CEO), Nazila Esmaeili (CSO) und Thomas Sühn (CTO). Mit Sensoren.
Die Technologie von Surag – ein Kunstwort auf „Surgical Audio Guidance“ – macht eine nicht-invasive und kontinuierliche Überwachung von minimal-invasiven Eingriffen möglich, die sie präziser machen und die Patientensicherheit erhöhen kann. Hierbei kommen die Sensoren zum Einsatz.
Die Technik basiert auf der Nutzung von vibroakustischen Signalen, die während des Eingriffs im Instrument erzeugt werden und per Lautsprecher in den Operationssaal übertragen werden. Die Sensoreinheiten reagieren auf kleinste Erschütterungen, die entstehen, wenn der Arzt mit seiner Nadel auf Gewebestrukturen trifft – ähnlich wie sie von Instrumenten wahrgenommen werden, die Vibrationen in der Erde messen.
Know-how aus der Erdbebenforschung nutzen
Genau aus diesem Arbeitsbereich kommt Co-CEO Alfredo Illanes. Der promovierte Ingenieur hat die Erfahrungen, die er in seiner Heimat Chile in der Erdbebenforschung gesammelt hat, an der Uniklinik Magdeburg auf die Medizin übertragen. Dort lernten sich die vier Gründer auch kennen – als Mitglieder einer Forschungsgruppe. „Von Alfredo kommt das Konzept, dass wir mit Sensoren Vibrationen in der Nadel analysieren“, berichtet Moritz Spiller von den Anfängen des Unternehmens, das 2021 gegründet wurde.
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Sensoren kommen nicht in Patientenkontakt
Mitbewerber nähern sich dem bestehenden Problem in der minimal-invasiven Technik auf anderen Wegen an, die neue Instrumente erfordern. Spiller erklärt: „Wir dagegen haben standardisierte Schnittstellen genutzt, um unsere Sensorik hinten an bereits existierenden Instrumenten anzubringen. Dadurch kommt sie niemals in Kontakt mit dem Gewebe des Patienten. Das erlaubt eine niedrige Risikoklasse, wodurch weniger Aufwand in der Zulassung entsteht. Die Technologie bietet aber auch einen Kostenvorteil für die Anwender. Wir reden da von Vibrationssensoren, und die sind sehr günstig. Deswegen können wir das für 30 Euro pro OP heute anbieten.“
Feedback von Ärzten nutzen
In enger Abstimmung mit Ärzten der Magdeburger Universitätsklinik und anderer Krankenhäuser auch im Ausland wurde die Technik von der Idee bis zur Produktreife weiterentwickelt. „Wir konnten auf vorhandenes medizinisches Equipment zugreifen, konnten wirklich in die Operationssäle gehen und mit den Ärzten jeden Tag sprechen. Dieses permanente Feedback hat unsere Entwicklung massiv beeinflusst. Deswegen kommen unsere Produkte auch aus der Praxis. Ein Arzt hat uns ein Problem geschildert und wir haben dafür eine Lösung entworfen“, berichtet Wirtschaftsingenieur Spiller, der bei Surag für Organisation und Finanzierungsfragen zuständig ist.
Was jetzt noch fehlt, ist die Zertifizierung. Mit der angestrebten Zulassung des Systems mit den Vibrations-Sensoren für den europäischen Markt ist Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Erst dann kann man bei Surag ans Geldverdienen denken. „Wir werden in Deutschland und Europa mit Vertriebspartnern aus dem Medizintechnikhandel starten, zumindest für die große Fläche, weil der Aufbau einer eigenen Vertriebsmannschaft extrem viele Ressourcen erfordert“, sagt Spiller. Aktuell bestehen bereits Kontakte mit Medizintechnikfirmen weltweit. (su)