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Technik aus Gelatine und Pflanzenextrakt

Gedruckte Elektronik: Forschungsgruppe arbeitet an biologisch leicht abbaubaren Materialien
Technik aus Gelatine und Pflanzenextrakt

Technik aus Gelatine und Pflanzenextrakt
Organische Leuchtdioden (OLEDs) lassen sich einfach und günstig herstellen. Dank kompostierbarer Materialien werden sie auch nachhaltig Bild: KIT
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstehen gedruckte Elektronikprodukte aus kompostierbaren Naturmaterialen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt diese Nachwuchsgruppe für vier Jahre mit rund 1,7 Mio. Euro.

Knapp zwei Millionen Tonnen Elektroschrott fallen pro Jahr in Deutschland an. Gedruckte Elektronik befördert diesen Wegwerftrend zusätzliche, denn sie senkt die Herstellungskosten und erschließt mit Einwegprodukten, wie interaktiven Verpackungen oder intelligenten Pflastern, immer neue Märkte.

Um diesem Trend entgegenzuwirken forschen Nachwuchswissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie aktuell an biologisch leicht abbaubaren Materialien wie Pflanzenextrakten für Halbleiter und Farbstoffen sowie Gelatine für Isolatoren. „Diese Materialien sind zwar nicht so langlebig wie die anorganischen Alternativen, doch die Lebensdauer von Einwegelektronik überstehen sie schadlos“, sagt Dr. Gerado Hernandez-Sosa, Leiter der nun eingerichteten Nachwuchsforschergruppe Biolicht. Zudem könne man die Elektronik, sobald sie ausgedient hat, einfach in den Biomüll oder auf den Kompost werfen, wo sie gleich einer Bananenschale verrotte.
Für gängige gedruckte Elektronik, etwa für organische Leuchtdioden (OLEDs), gilt dies bislang nicht. „Als ‚organisch‘ bezeichnen wir alle Kunststoffe auf Kohlenstoffbasis. Über die Umweltverträglichkeit sagt der Begriff allein noch nicht aus“, erklärt Dr. Hernandez-Sosa. So sei beispielsweise die Trägerfolie von OLEDs – das Papieräquivalent für elektronische Tinten – aus dem gleichen Plastik wie herkömmliche Getränkeflaschen. Die Nachwuchsgruppe Biolicht verwendet hierfür nur Materialien, die in der Natur vorkommen. Als Trägerfolien eignen sich beispielsweise Speisestärke, Zellulose oder Chitin. Auf Metalle und Halbmetalle, wie Silizium, verzichten die Forscher fast ganz.
Der Vorteil der Plastik: Sie ist biegsam, kostengünstig und lässt sich zu kilometerlangen Druckerfolien verarbeiten. Damit wird es möglich, etwa Aufkleber mit einer elektronischen Ampel für das Haltbarkeitsdatum oder Pflaster mit eingebauten Sensoren, die den Heilungsprozess überwachen, im industriellen Maßstab herzustellen.
Zunächst gilt es allerdings, auf die kompostierbaren Folien elektronische Bauteile zu drucken, ähnlich wie Buchstaben auf Papier. Deren Funktion hängt von der verwendeten Tinte ab: Anstelle von Farbpartikeln sind darin leitende, halbleitende oder nichtleitende, also isolierende, Materialien gelöst. Nach dem Auftragen trocknet das flüssige Lösemittel, und die zurückbleibende Schicht bildet das entsprechende Bauteil.
Ziel der Nachwuchsgruppe ist es, biologisch abbaubare Tinten zu entwickeln, die auf das neue Folienmaterial abgestimmt sind und gleichzeitig mit bestehenden Geräten gedruckt werden können. „Hersteller organischer Elektronik können so auf die umweltfreundlichen Materialien umsteigen, ohne ihr Druckerarsenal auszutauschen“, sagt Dr. Hernandez-Sosa.
Für die Tinten müssen die Nachwuchswissenschaftler nun umweltverträglichen Materialen mit den gewünschten elektrischen Eigenschaften identifizieren. Beispielsweise eignet sich Hartgelatine, aus der Medikamentenkapseln bestehen, zum Isolieren. Aufwendig ist auch die Wahl des Lösemittels: Es muss bei druckfähigen Temperaturen in flüssiger Form vorliegen. Weiterhin darf es im Unterschied zu gewöhnlicher Tinte nicht in das Trägermaterial eindringen, sondern sollte darauf einen geschlossenen Flüssigkeitsfilm bilden, ohne abzuperlen. Ein zu dickflüssiges Lösemittel verstopft die Poren des Druckers, während ein zu dünnflüssiges auf der Trägerfolie verläuft und sie nicht gleichmäßig benetzt. Die Eigenschaften des getrockneten Materialfilms sind aber für die Funktion der elektrischen Bauteile entscheidend: So darf seine Dicke, die weniger als ein Tausendstel Millimeter beträgt, maximal um 5 % schwanken. Die Wissenschaftler rechnen jedoch damit, kompostierbare organische Elektronik innerhalb der nächsten drei Jahre marktreif zu machen.
Mit rund 9 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie 24500 Studierenden ist das KIT eine der großen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas. Die Nachwuchsgruppe Biolicht ist strukturell am Institut für Lichttechnik des KIT angesiedelt. Ihre Labore hat sie am InnovationLab in Heidelberg, einer anwendungsorientierten Forschungs- und Transferplattform von Wissenschaft und Wirtschaft.
Träger sind neben dem Karlsruher Institut für Technologie, die Unternehmen BASF SE, Merck, Heidelberger Druckmaschinen AG und SAP AG sowie die Universität Heidelberg. su

Ihr Stichwort
  • BMBF-geförderte Forschung
  • Gedruckte Elektronik
  • Intelligente Pflaster und Verpackung
  • Kompostierbare Naturmaterialien
  • Biologisch abbaubare Tinte

  • BMBF-Gruppe Biolicht
    Die BMBF-Nachwuchsgruppe Biolicht beschäftigt sich mit der Verwendung von biologisch abbaubaren, biokompatiblen und natürlich vorkommenden Materialien zur kostengünstigen Herstellung großflächiger organischer Elektronik-Bauteilen. Damit soll die moderne Elektronikfertigung mit dem Thema Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit verknüpft werden. Die Forscher haben aktuell zwei wesentliche Ziele: Zum einen richtet sich der Fokus ihrer Aktivitäten auf die Identifizierung und Charakterisierung elektrischer und elektrochemischer Eigenschaften nachhaltiger Materialsysteme. Dies soll ein besseres Verständnis der Wirkungsweise optoelektronischer Geräte ermöglichen, in denen eben diese nachhaltigen Materialien verarbeitet sind. Weiterhin konzentrieren sich die Forschungsaktivitäten auf das Prozessieren nachhaltiger Materialien mithilfe von Druckverfahren mit hohem Durchsatz.
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