Startseite » Technik » Entwicklung »

Strom hundert Mal genauer messen - Messtechnik

Entwicklung
Strom hundert Mal genauer messen

Messtechnik | Die geplante Umstellung bei den SI-Einheiten machte es erforderlich, sehr kleine Ströme zu messen. Auf dem Weg zur neuen Definition der Einheit Ampère entstand so quasi nebenbei ein Gerät, das hundert Mal genauer misst als bisherige Geräte und bereits zum Kalibrieren von Dosimetern eingesetzt wird.

Die Welt der Physik ist im Umbruch: Bis 2018 wollen Wissenschaftler alle physikalischen Basiseinheiten auf ein solides, unveränderliches Fundament stellen – die Naturkonstanten. Für die Einheiten Meter und Sekunde ist das schon längst geschehen. Nun sollen Kelvin, Kilogramm, Mol und Ampère folgen. Die Forschungsarbeiten an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) tragen dazu bei. Dort ist es Forschern gelungen, die besonders kleinen Stromstärken einer Einzelelektronen-Pumpe in bisher unerreichter Genauigkeit zu messen – das sei ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Revision des Internationalen Einheitensystems (SI), heißt es aus Braunschweig.

Das Ergebnis, ein extrem genaues Messgerät, ist dabei eigentlich gar nicht das oberste Ziel der Entwicklung gewesen. Vielmehr lautete die Aufgabe, das Handwerkszeug zu liefern, um eine neue Definition der Einheit Ampère zu ermögliche. Denn: Die heutige Definition basiert auf einem hypothetischen Versuchsaufbau, der unter anderem zwei unendlich lange Leiter beinhaltet. In diesem Aufbau würde ein Ampère eine genau festgelegte Kraft erzeugen. „In der Praxis heißt das, dass wir nicht unerhebliche Abweichungen vorfinden, weil der theoretische Aufbau des Experimentes sehr viele Einflussfaktoren enthält“, erläutert Dr. Hansjörg Scherer, der an der PTB die Arbeitsgruppe SET, Stromstärke und Ladung leitet. „Die Grenzen der Genauigkeit lagen daher bis jetzt bei 0,3 parts per million.“
Doch für die Definition des Ampère brechen neue Zeiten an. Ab dem kommenden Jahr müssen Physiker die Elektronen zählen können, die in einer bestimmten Zeiteinheit durch eine nur wenige Nanometer breite Leiterbahn fließen. Jedes Elektron hat eine festgelegte Elementarladung – somit gibt es weit weniger Einflussfaktoren als bisher. „Die Genauigkeit, die wir zukünftig erreichen werden, liegt um den Faktor 100 über der bisherigen Genauigkeit“, erläutert Scherer.
Das geeignete Gerät wurde an der PTB ersonnen. Etwa eine Milliarde Elektronen pro Sekunde lassen sich damit erfassen. „Das entspricht, wenn man die Ladung eines jeden Elektrons berücksichtigt, Strömen von einem Nanoampère oder noch typischer hundert Pikoampère – also wirklich winzigen Strömen“, sagt der Wissenschaftler.
Neuartiger Verstärker macht Messung möglich
Dank eines neuartigen Verstärkers können die Forscher den winzigen Stromfluss aber etwa tausendfach verstärken. Kombiniert mit zwei anderen quantenmetrologischen Verfahren ist es dann möglich, kleine Stromstärken mit unübertroffener Genauigkeit zu messen.
Mit ihrer Arbeit haben die Physiker gezeigt, dass sich das Ampère mittels kontrolliertem Einzel-Elektronen-Transport genauer darstellen lässt, als es die klassische Ampère-Definition ermöglicht. „Dabei wurde die Einzel-Elektronenpumpe für die aktuellen Messungen noch ohne Korrektur betrieben, aber durch die Messung wissen wir, dass die Fehler so klein sind, dass das Korrekturverfahren auch mit schnellen Pumpen funktionieren sollte. Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zum neuen SI“, sagt Franz Ahlers, Leiter des PTB-Fachbereichs Elektrische Quantenmetrologie.
Der für 2018 geplanten Neudefinition der SI-Einheiten steht somit aus „elektrischer Sicht“ kaum noch etwas im Wege. Da es durch die Neudefinition nur zu sehr kleinen Änderungen bei den elektrischen Einheiten kommt, wird Otto Normalverbraucher von der Revision des SI nichts mitbekommen. Anders sieht es im Bereich der Mikro- und Nanoelektronik oder der Medizin- und Umweltmesstechnik aus. Dort ermöglicht das neue Ampère die deutlich genauere Kalibrierung von Messinstrumenten.
Die PTB hat eine Lizenz an die Hamburger Magnicon GmbH vergeben, die die an der Forschungseinrichtung entwickelten Geräte nun kommerziell herstellt. Zumeist werden sie im Forschungszusammenhang eingesetzt. „Sie sind aber auch interessant, um zum Beispiel Geräte für die Nuklearmedizin und die Radiodiagnostik zu kalibrieren. Ein weiteres Einsatzbeispiel sind Dosimeter“, berichtet Scherer. Weitere Anwendungen seien sicher denkbar – und Anfragen aus der Medizintechnik sind den Wissenschaftlern willkommen. „Als Grundlagenforscher sind wir besonders daran interessiert, weitere Anwendungen und Kontakte zu verschiedenen Branchen zu finden, in denen das hochgenaue Messgerät von Nutzen sein könnte.“ (op) ■
Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de