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Piezos rücken Proben schnell ins rechte Licht

Antriebe: Positionieren und Scannen bei bildgebenden Verfahren
Piezos rücken Proben schnell ins rechte Licht

Aufgrund ihrer Schnelligkeit und ihrer hohen Auflösung im Nanometer-Bereich sind piezobasierte Antriebe für viele bildgebende Verfahren im Vorteil gegenüber konventionellen Antriebsprinzipien.

Fluoreszenzverfahren haben es eilig: Die Fluoreszenzfarbstoffe in einer Probe müssen angeregt werden. Das ist für lebende Zellen schädlich und führt auch bei bereits fixierten Proben zum so genannten Photobleaching. Diese Photobleichung ist ein dynamischer Prozess, bei dem die Fluorophor-Moleküle durch das Anregungslicht photochemisch zerstört werden und dadurch ihre Fähigkeit zur Fluoreszenz verlieren. Insofern ist es wichtig, dass die Bildgebung so schnell wie möglich erfolgt. „Die entsprechende Hardware, also Shutter, Probe und Objektiv, müssen somit sehr schnell und koordiniert bewegt werden“, erklärt Holger Ruchatz, Niederlassungsleiter der Prior Scientific Instruments GmbH in Jena. Er hält Piezoaktoren in dem Fall für die beste Lösung: „Zur Zeit gehören sie zu den schnellsten und genauesten Antrieben zum Verfahren relativ kurzer Distanzen.“

„Piezoaktoren sind in der Lage, Stellwege von wenigen 10 µm mit Frequenzen bis zu einigen tausend Hertz zu durchfahren“, bestätigt Steffen Arnold, Leiter Markt und Produkte bei der Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG, Karlsruhe. Abhängig vom Stellweg und der Anforderung sind prinzipiell Betriebsfrequenzen von einigen kHz, Lasten von wenigen Gramm bis zu einer Tonne sowie eine Positionsauflösung und -stabilität innerhalb eines Nanometers möglich.
Piezoaktoren bestehen aus kristallinem Material wie Blei-Zirkonium-Titanat (PZT), das seine Abmessungen ändert, sobald eine Spannung angelegt wird. Eine Analogspannung etwa zwischen 0 und 100 V reicht dabei zur Ansteuerbarkeit aus. Der Aktuator dehnt sich nicht sehr stark aus, aber die erzeugte Kraft ist überproportional groß. Damit er etwas über eine nutzbare Strecke bewegt, müssen viele dünne PZT-Schichten elektrisch parallel geschaltet und als Stapel angeordnet werden. Während der Ausweitung ist die erzeugte Kraft nicht-linear und erzeugt so Drehkräfte, die den Stapel in sich verdrehen.
„An sich ist der Piezoaktuator also für die optische Mikroskopie unbrauchbar, da hier vollständig lineare Bewegungen gefragt sind“, so Ruchatz. „Daher muss der Piezo in einer Biegeführung gehalten sein, die den physischen Kontakt zwischen den festen und den bewegten Teilen der Führung verhindert und so Reibung und Spiel minimiert. Das entkoppelt die Bewegung auch von unerwünschten Kräften und macht sie vollständig linear.“ In Verbindung mit hoch auflösenden Sensoren ermöglichen Piezoaktuatoren in Biegeführungen so beispielsweise die genaue und wiederholbare Probenpositionierung entlang der Z-Achse. Die Fokussierung erfolgt also entweder durch Verfahren der Probe oder des Objektivs.
„Die Zuladung ist hier allerdings eine limitierende Größe“, sagt Ruchatz. Denn sie erschwert die sehr schnelle Bewegung beziehungsweise das Einpendeln in die Sollposition. „Dies ist erforderlich, um die Qualität der Auswertung zu garantieren“, so Arnold. „Bei jeder Probe muss der Fokus mittels des Piezoantriebs mit möglichst kurzen Einschwingzeiten nachjustiert werden. Doch hohe Massen sind für manche Anwendungen nun einmal unumgänglich – beispielsweise werden Metallplatten als Temperaturpuffer genutzt, um die Temperatur für Zellkulturen aufrechtzuerhalten. Als Alternative besteht die Möglichkeit, statt des Hubtisches das Objektiv mit dem Piezoaktor auszustatten.“
Einen weiteren Vorteil spielen Piezoaktoren in der Mikroskopie aus: Bei hoch auflösenden Verfahren ist die Tiefenschärfe relativ gering. So muss eine Probe in mehreren Schichten fokussiert werden – sei es bei der Fluoreszenzmikroskopie, beim Screening oder bei der konfokalen Mikroskopie. „Dazu lässt sich mit Hilfe der Piezos die Distanz zwischen Probe und Objektiv schnell und hochgenau verändern“, erklärt Ruchatz. Laut Arnold sprechen die Autofokos-Routinen beim Nachjustieren nicht mehr den langsameren Z-Motor – meist ein Schrittmotor – an, sondern den unterstützenden Piezoantrieb. Er regelt innerhalb weniger Millisekunden die Positon auf wenige nm genau. Für das virtuelle Zusammensetzen dieser Bildstapel, das so genannte Stacking, sorgen anschließend Bildverarbeitungsprogramme. Sowohl Prior als auch PI bieten Z-Hubtische von 100 bis maximal 500 µm Verfahrweg an, deren Wiederholgenauigkeiten bei etwa 5 nm, die Scangeschwindigkeiten bei rund 10 ms pro Stack liegen.
PI nutzt diese Vorteile des Piezoantriebs darüber hinaus für andere Bereiche bildgebender Verfahren. So kommen Piezomotoren etwa zur Erhöhung der Auflösung bei Bildaufnahmen oder zur Kompensation schlechter Lichtverhältnisse in Scannern zum Einsatz: Sie sorgen dafür, dass etwa der Bildsensor bei der Bildaufnahme schnell im Bereich eines Pixels hin und her gescannt wird. In der Endoskopie und Kieferorthopädie ist dieses Verfahren bereits üblich. Die von PI eingesetzten Piezoantriebe arbeiten mit den notwendigen Verstellgeschwindigkeiten im Videofrequenzbereich und decken mit Stellwegen bis zu einigen 10 µm die benötigten Verfahrbereiche ab.
Und schließlich kommen Ultraschall-Piezo-Linearantriebe der Karlsruher in dynamischen Scannern zum Einsatz, deren Aufgabe es ist, dreidimensionale Bilder zu erzeugen. In der optischen Kohärenztomografie (OCT) dienen sie dazu, Referenzspiegel und abbildende Optiken periodisch zu verschieben.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen
Nicht nur in der Mikroskopie kommen piezobasierte Antriebe zum Einsatz

Ihr Stichwort
  • Piezokeramische Antriebe
  • Automatisierte Mikroskopie
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