Frugale Innovationen bieten keine großen Gewinnmargen, punkten aber durch die Größe des Zielmarktes und Synergie-Effekte zum bestehenden Lösungsangebot. Bei der Entwicklung der Produkte hilft das Fraunhofer IAO den Unternehmen, sich auf wenige relevante Grundfunktionen zu beschränken und das Leistungsniveau genau auf die Bedarfe der Kunden abzustimmen.
Susanne Schwab
susanne.schwab@konradin.de
Der Bedarf an Entry-Level-Lösungen ist groß, und das nicht nur in Schwellenländern, in denen die wachsende Mittelschicht über vergleichsweise beschränkte Ressourcen verfügt. „Auch auf unseren heimischen Märkten und in anderen Hochlohnländern fragen sich Kunden zunehmend, ob nicht weniger mehr ist – weniger kompliziert, weniger überdimensioniert, weniger teuer. Dafür kann’s gerne ein bisschen grüner und sozialverträglicher sein. Wenn man die Idee der Beschränkung ganz offensiv als spannende Herausforderung begreift, klappt auch das oft gut“, sagt Liza Wohlfahrt, die im Advanced Systems Engineering beim Fraunhofer IAO in Stuttgart mit den frugalen Innovationen beschäftigt.
Viele deutsche Unternehmen, darunter insbesondere auch viele Mittelständler, haben bereits hochwertige Lösungen für preisbewusste Kunden entwickelt. Manche haben schon Ideen gesammelt oder zumindest einmal diskutiert, wie sie Kunden begeistern könnten, denen High-end-Angebote zu teuer und kompliziert und Billiglösungen zu schlecht und unzuverlässig sind. Damit dies gelingt, sollten Unternehmen laut Fraunhofer IAO unter anderem auf bestimmte Faktoren achten: Entry-Level-Lösungen benötigen ein klares Verständnis für die Bedarfe der Zielgruppe. Die Beschränkung auf relevante Kernfunktionen und Leistungsniveaus gelingt nur, wenn man einen guten Einblick in die Wünsche der zukünftigen Kunden hat und diese Lupe nicht zu weit fasst. Wer allen gerecht werden will, schafft ein Angebot, das keinen wirklich begeistert.
Kannibalisieren frugale Lösungen die hochwertigen Produkte?
Aber nicht nur die Kunden müssen berücksichtigt werden. Auch die F&E-Mitarbeiter sollten das Gefühl haben, dass die Konzeption schlanker Lösungen eine spannende und lohnende Herausforderung ist. Hierzu muss Wissen vermittelt und Kompetenz aufgebaut werden. Und es müssen mögliche Vorbehalte offen diskutiert werden, wie die häufige Befürchtung, dass Entry-Level-Lösungen das hochwertige Segment gefährden.
„Die Gefahr der Kannibalisierung sollten Unternehmen, neben weiteren entscheidenden Überlegungen, ganz explizit auch in ihrer Strategie berücksichtigen“, so Wohlfahrt. Denn die verschiedenen Ebenen der Lösungsportfolios können sich durchaus gegenseitig ergänzen und unterstützen, wenn dies gut vorbereitet ist.
Fraunhofer IAO hilft bei der Planung und Entwicklung
Das Fraunhofer-IAO-Team begleitet Unternehmen bei allen Schritten hin zu einer erfolgreichen Frugalen Innovation – von strategischen Überlegungen über Methodentraining bis hin zur Entwicklung eigener Lösungen. Die modular aufgebauten Konzepte ermöglichen eine individuelle Begleitung:
Anhand von praktischen Beispielen lernen Unternehmen dabei die Besonderheiten und Erfolgsfaktoren Frugaler Innovationen kennen. Ausgehend vom aktuellen Portfolio werden relevante Märkte und mögliche Lösungen besprochen. Die Planung der frugalen Ausrichtung und konkreter Initiativen des Unternehmen werden durch erprobte Methoden aus dem Bereich der strategischen Vorausschau, wie Trendradare, Zukunftsszenarien und Roadmaps unterstützt. Gemeinsam wird ein individuelles Zielbild erstellt und die frugalen Initiativen werden intensiviert.
Passende Konzepte für die Entwicklung frugaler Lösungen
Wenn Unternehmen ein frugales Angebot aufbauen, sollten sie darauf achten ihr vorhandenes Portfolio vor Kannibalisierung zu schützen und zugleich Synergieeffekte zu nutzen. Eine gute Abgrenzung des Angebots nach oben (High-end Segment) und unten (Billiglösungen) ist hierfür unerlässlich, auch im Hinblick auf vorhandene Konkurrenzangebote. Ob sie gelingt, hängt sowohl von der Gestaltung der Produkte ab als auch von deren Vermarktung. Dabei gibt es keine allgemeinen Erfolgsrezepte: Good Practice Beispiele Frugaler Innovatoren zeigen, dass unterschiedliche Ansätze möglich sind. Das Fraunhofer IAO hilft mit ihrem Praxiswissen, ein für das Unternehmen passendes Konzept zu entwickeln.
Weitere Module der Fraunhofer-Experten beschäftigen sich mit dem Mind Setting und der Entwicklung frugaler Innovationen – von der Bestimmung der Zielgruppe und der Erfassung ihrer Bedarfe über die Ableitung relevanter Anforderungen bis hin zur Konzeption der Lösung. Dazu gehört es beispielsweise, die Zielgruppe einzugrenzen und ein gutes Verständnis für sie aufzubauen: Worauf legen diese Kunden wert? Worauf können sie verzichten? Was ist für sie unerlässlich? Und womit kann man sie begeistern? Bei der darauf aufbauenden Konzeptentwicklung geht es darum, aufbauend auf den Kundenbedarfen, die wichtigsten Anforderungen an die zukünftige Lösung abzuleiten und in ein greifbares Konzept umzusetzen und das Engineering der Produkte zu starten. Anschließend leitet der „Frugal Innovation Index“ des Fraunhofer IAO anhand von wenigen gezielten Fragen durch eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. „Unternehmen erhalten dadurch ein gutes Gefühl dafür, in welchen Bereichen sie bereits optimal aufgestellt sind für Frugale Innovationen, wo Handlungsbedarf besteht und wie sie Ihre weitere Entwicklung gestalten können“, so Wohlfahrt.
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