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Bremse für die Technologie

Seltene Erden: Die Suche nach Alternativen hat gerade begonnen
Bremse für die Technologie

Für Hightech-Produkte von der Windkraftanlage bis zum Computertomographen sind die Elemente der Seltenen Erden bisher so gut wie unersetzlich. Da es nicht genug Rohstoff gibt, müssen Forscher und Unternehmen noch einen langen Weg zu Recycling und Substitution zurücklegen.

Zukunftsbranchen steht es in der Regel gut an, wenn sie sich zur Freude aller rasch entwickeln, wachsen und international an Bedeutung gewinnen. So wäre das auch für die Windenergie, die Automobilindustrie, die Unterhaltungselektronik und die Medizintechnik zu wünschen. Die weitere Entwicklung dieser Hightech-Industriezweige hängt allerdings unter anderem von den inzwischen heiß begehrten Elementen aus der Gruppe der Seltenen Erden ab.

17 Elemente gehören dazu, wie zum Beispiel das Neodym, das als Bestandteil von Magneten deren Feldstärke in Motoren und Generatoren steigert. Solche Komponenten verwenden die meisten Hightech-Unternehmen in den genannten Branchen. Derzeit bestimmt aber China praktisch vollständig das Angebot dieser Rohstoffe: Einschränkungen der chinesischen Regierung haben hier zu einem Anstieg der Preise und zu Lieferengpässen geführt, wie auch die Teilnehmer des „Technology Briefing Seltene Metalle“ erfuhren, das in der Schweiz Anfang des Jahres stattfand. Bei dieser Veranstaltung diskutierten Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf und Industrievertreter, wie sich eine zukünftige Verknappung vermeiden lässt.
Um die Abhängigkeit von den chinesischen Lieferungen zu reduzieren, werden derzeit große Anstrengungen unternommen, Versorgungskapazitäten außerhalb Chinas aufzubauen, etwa in den USA, Australien oder Grönland – mit entsprechenden Konsequenzen für die Umwelt und bisher noch ungewissem Erfolg.
Angesichts dieser Situation gibt es nur drei mögliche Richtungen, in die sich die Industrie bewegen kann: höhere Preise in Kauf nehmen, Technologien entwickeln, die mit günstigeren Werkstoffen auskommen, oder langfristig einen Teil des Bedarfes über Recycling zu decken. Letzteres wurde Ende 2011 vom Institut für angewandte Ökologie in Darmstadt im Rahmen einer Studie als sinnvoll beschrieben. Allerdings sind die Anwendungen der Seltenen Erden noch so jung, dass diese Elemente derzeit kaum in den Abfallströmen anfallen. Die heutige Situation kann durch ein Recycling daher nicht entlastet werden, für die mittel- und langfristige Perspektive wäre das hingegen wichtig. Der Aufbau eines Recyclingsystems werde aber noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Ein Vorbild für den Aufbau eines solchen Systems ist beispielsweise das Recycling von Edelmetallen aus Katalysatoren. „Dieses kann bereits heute die Nachfrage und die Umwelt deutlich entlasten“, sagt Dr. Matthias Buchert, Projektleiter am Öko-Institut. Die angestiegenen Preise auf den Weltmärkten für Seltene Erden zeigten „die Potenziale für ein neues Herangehen an das Bewahren der Rohstoffe, die uns nicht unendlich zur Verfügung stehen.“
Die Wiedergewinnung ist allerdings keine leichte Aufgabe. Zwar füllen sich die von Menschen geschaffenen, „anthropogenen“ Lager, wie es Heinz Böni, Leiter der Empa-Abteilung „Technologie und Gesellschaft“ formuliert, genauso kontinuierlich, wie die natürlichen Lagerstätten seltener Metalle abgebaut werden. Aber laut Prof. Dr. Kerstin Kuchta vom Institut für Umwelt- und Energiewirtschaft der TU Hamburg Harburg ist die große Verdünnung der Metalle in der Werkstoffmatrix ein echtes Problem. „Die Aufbereitung dieser Elemente ist immer noch sehr aufwendig“, sagt sie.
Die Autoren der Studie des Öko-Instituts gehen denn auch davon aus, dass vom aktuellen Ausgangspunkt „Null Recycling“ bis zu einem effizient arbeitenden System in Europa fünf bis zehn Jahre ins Land gehen werden. Vorausgesetzt, dass alle betroffenen Akteure in großem Maße kooperieren.
Das deutsche Bundesforschungsministerium (BMBF) begegnet der Knappheit bei den Seltenen Erden mit der Fördermaß nahme „r³– Innovative Technologien für Ressourceneffizienz – Strategische Metalle und Mineralien“. Diese Maßnahme mit einem Volumen von 30 Mio. Euro soll von 2012 bis 2015 dazu beitragen, die Roh- stoffeffizienz bei Seltenen Erden und anderen strategisch wichtigen Industriemineralien zu steigern. Fördermittel stehen auch für das Recycling dieser Rohstoffe zur Verfügung.
Dass grundsätzlich neue Wege bei der Entwicklung von Produkten möglich sind, die immerhin mit einem geringeren Anteil an seltenen Stoffen auskommen, haben Forscher aus der Schweiz am Beispiel seltener Metalle gezeigt. In der Empa-Abteilung „Dünnfilme und Fotovoltaik“ beispielsweise wurde in flexiblen Solarzellen, die auf Cadmiumtellurid (CdTe) basieren, die Schichtdicke des kritischen Tellurs reduziert, und bei Solarzellen aus Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (kurz CIGS) das kritische Indiumoxid durch Zinkoxid ersetzt. Die Abteilung „Verbrennungsmotoren“ wiederum entwickelte einen sehr effizienten und kostengünstigen Schaumkatalysator. Durch die Formänderung des keramischen Substrats können – im Vergleich zu herkömmlichen Katalysatoren – die Edelmetalle Platin, Palladium und Rhodium eingespart werden.
Ob es solche Ansätze auch für Seltene Erden geben wird und ob sie ausreichen, um Verknappungen in Zukunft zu vermeiden, ist derzeit aber noch nicht abzusehen. Für die neue Generation von Generatoren in Windkraftanlagen, sagt Prof. Kuchta, würden „dramatische Mengen“ der Seltenen Erden verwendet. Und bei diesen wie anderen wesentlichen Anwendungen sieht die Wissenschaftlerin noch keine Substitutionsmöglichkeiten: Bei reinen Eisenmagneten wären die Bauteile mit gleicher Magnetwirkung deutlich größer als die, deren Feldstärke durch Seltene Erden gesteigert werden kann. Das aber heißt: Gingen zum Beispiel infolge der Energiewende in Deutschland zahlreiche weitere Off-Shore-Windanlagen mit dieser Technologie ans Netz, würde der Bedarf an Seltenen Erden in den Himmel schießen – und dann könnte der Preisanstieg dramatisch verlaufen. Kuchta hält daher eine Wettbewerbssituation zwischen Medizintechnik, Unterhaltungselektronik, Hydridantrieben sowie erneuerbaren Energien für möglich.
Die intensiven Bemühungen der Forscher lassen sich treffend mit den Worten des Empa-Direktionsmitglied Peter Hofer auf den Punkt bringen: „Es gibt keine Zukunft ohne seltene Metalle!“ op
Weitere Informationen Über das Öko-Institut Darmstadt: www.oeko.de (Suchbegriff „Seltene Erden“ führt zu einem Hintergrundpapier aus dem Jahr 2011)

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