Neue Begriffe und Grenzwerte gibt es, seit maßgebliche Normen für sterile Medizinprodukte überarbeitet wurden. Verpackungsexperte Michael Breiler hat die wichtigsten Änderungen verfolgt.
Herr Breiler, was hat sich beim Verpacken sterilter Medizinprodukte geändert?
Die neue Norm DIN EN ISO 11607 liegt seit Juli 2006 als mandatierte Norm vor und weicht in einigen Punkten von den bisherigen Vorgaben ab.
Wie bewerten Sie die Änderungen an der Norm insgesamt?
Auch wenn die Änderungen bei den Normen zu sterilen Medizinprodukten eine Herausforderung für die betroffenen Unternehmen sind, spiegeln sie den Stand der Technik und geben Orientierungshilfen. Daher ist es empfehlenswert, mit der Umsetzung der neuen Regeln sofort zu beginnen und die zum Teil noch geltenden Übergangsfristen nicht als Ruhepausen zu nutzen.
Was ist die wichtigste Neuerung bei der DIN EN ISO 11607?
Mit dem Teil 2 der DIN EN ISO 11607 liegt erstmals eine Norm vor, die den Stand der Technik zum Thema Validierung von Verpackungsprozessen steriler Medizinprodukte beschreibt. Die Norm gilt nicht nur für industrielle Hersteller von sterilen Medizinprodukten, sondern nun auch für Einrichtungen des Gesundheitswesens, also zum Beispiel für Krankenhäuser.
Welche Veränderungen bringt die Norm bei den Begrifflichkeiten?
Die Erarbeitung einer einheitlichen Terminologie war eines der bedeutendsten Hemmnisse bei der Harmonisierung der Vorgängernormen. Im Ergebnis wurde in der Norm für Sterilgutverpackungen der Begriff „Sterilbarrieresysteme“ eingeführt, der einheitlich in der Norm verwendet wird. Er ersetzt bisherige Begriffe, die weltweit teilweise mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wurden. Das Sterilbarrieresystem wird nun als Mindestverpackung definiert, die das Eindringen von Mikroorganismen verhindert. Ein Beispiel dafür wäre ein Vierrandsiegelbeutel für eine Sterilkompresse. Sterilbarrieresystem plus Schutzverpackung ergeben das Verpackungssystem.
Die neue Norm geht ja auch darauf ein, welche Verpackung für welche Produkte eingesetzt werden darf…
Der Hersteller eines Produktes für die Gesundheitsfürsorge muss für jedes Produkt die geeignete Verpackungsart festlegen. Dabei muss er alle wesentlichen Einflussfaktoren berücksichtigen und in Spezifikationsgrenzen festlegen. Zu diesen Einflussfaktoren gehören beispielsweise die Art des Produktes, die Art der Verpackung, der Herstellungsprozess, übliche Transportwege und die angestrebte Haltbarkeit. Wichtig ist hier, dass die Grenzen für jede Verpackung neu zu ziehen sind. Verallgemeinerungen sind nicht zulässig.
Was hat sich bei der Validierung getan?
Im Rahmen der Prozessvalidierungen müssen statistische Methoden bei der Auswahl von Stichprobenplänen eingesetzt werden. Beispiele für solche Pläne findet man in den relevanten ISO-Normen, wie der ISO 2859. Für die statistische Bewertung von Prozessen ist es ratsam, einen Statistik-Fachmann heranziehen, um auf der sicheren Seite zu sein. Die einzelnen Anforderungen an die Validierung beschreibt der Teil 2 der Norm recht ausführlich. Man darf sich davon aber nicht erschrecken lassen, denn hier geht es nur noch darum nachzuweisen, dass der Verpackungsprozess tatsächlich geeignet ist, die Sterilität der Produkte auch für große Stückzahlen zu gewährleisten.
Was ist hier neu?
Im Einzelnen sieht die neue Norm für die Validierung vor, dass die Maschine selbst sowie ihre Funktionen abgenommen werden und dass die Leistung des Verpackungsprozesses statisch beurteilt und genehmigt wird. Wenn die Maschine für ihre Steuerung Computer verwendet, so betrifft dies auch die Hard- und Software. Für die so genannte Operational Qualification des Verpackungsprozesses fordert die Norm auch Worst-Case-Läufe,in denen alle wesentlichen Einflussfaktoren, sowie Kombinationen daraus, berücksichtigt werden. Die Performance Qualification schließlich belegt, dass die Konstanz des Prozesses sichergestellt ist, und selbst Materialschwankungen keinen nachteiligen Einfluss auf die Qualität der Sterilverpackungen haben.
Ist eine einmal abgenommene Maschine damit für alle Zeit freigegeben?
Nein! Wer wesentliche Änderungen an der Maschine oder der Steuerung durchführt, muss die Installation Qualification ganz oder in Teilen wiederholen. Ebenso muss bei neuen oder geänderten Produkten im Rahmen der Prozessvalidierung überprüft werden, ob die bestehende Installation Qualification der Verpackungsanlage für den Einsatzzweck noch gültig ist. Grundsätzlich darf jedoch die Prozessvalidierung nicht allein auf die Maschine beschränkt werden, die lediglich eine Komponente des Prozesses darstellt. Oder kurz gesagt, Maschinen für sich allein können nicht validiert, sondern nur qualifiziert werden.
Was gibt die Norm in Sachen Revalidierung vor?
Eine Revalidierung ist immer dann erforderlich, wenn wesentliche Änderungen am Prozess erfolgen, die die bestehende Validierung in Frage stellen, wie Änderungen von Materialien oder deren Lieferquellen oder neue Sterilisationsverfahren. Ebenso kann sich aufgrund von Informationen aus der Qualitätssicherung, die auf Probleme im Abpackprozess hindeuten, die Notwendigkeit zu einer Revalidierung ergeben. Weil gerade bei Verpackungsprozessen kleine Änderungen häufig vorkommen, halte ich es für angebracht, auch bei Mehrfachänderungen eine periodische Revalidierung in Betracht zu ziehen – trotz des damit verbundenen Aufwands.
Wer kann oder sollte sinnvollerweise in den Unternehmen die erweiterten Anforderungen der neuen Norm umsetzen?
Die Validierung von Verpackungsprozessen ist nach meiner Erfahrung eine Aufgabe, die durch verschiedene Fachdisziplinen in den Unternehmen gemeinsam bearbeitet werden muss. So ist es sicherlich sinnvoll, wenn in derartigen Validierungsprojekten Fachleute aus den Bereichen Produktion, Technik, Qualitätssicherung und Entwicklung zusammenwirken, um ihr jeweiliges Know-How einzubringen.
Dr. Birgit Oppermann
Neue Spielregeln
In einem Seminar des Berliner Bundesverbandes BVMed haben Experten die Änderungen bei Normen im Bereich der Sterilisierung erläutert (www.bvmed.de/events).
- Bei der Strahlensterilisation gibt es Änderungen in der Normenreihe DIN EN ISO 11137. Nach deren Vorgaben müssen weder Bio-Indikatoren bei der Validierung eingesetzt noch die Produkte vor der Freigabe auf Sterilität geprüft werden. Teil 2 der Norm geht darauf ein, wie die Strahlendosis festzulegen ist: Sie muss die für die Sterilisation notwendige Dosis erreichen, soll aber die für das Produkt und die Verpackung maximal akzeptable Dosis nicht überschreiten. Den richtigen Wert dafür legt der Hersteller fest. Während der Übergangszeit bis zum 30.4.2009 gilt noch die Norm EN552.
- Sterilisation mit Ethylenoxid Der Entwurf für die ISO-Norm 10993-7 sieht für Medizinprodukte, die in permanentem Kontakt mit dem Menschen stehen, niedrigere Ethylenoxid-Restgehalte vor als bisher. Das kann längere Ausgasungszeiten der Produkte erforderlich machen und ist nach Auskunft der Experten eine Herausforderung.
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