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„Wer zu spät zertifiziert, verliert“

Medizinproduktegesetz: Was die neuen EU-Vorgaben ab 2010 bringen
„Wer zu spät zertifiziert, verliert“

„Wer zu spät zertifiziert, verliert“
Dr. Matthias Neumann hat sich als Regierungsdirektor im Referat Medizinprodukte im Bundesministerium für Gesundheit in Berlin intensiv mit der neuen Medizinprodukte-Richtlinie befasst
In gut zwei Jahren müssen Medizinprodukte-Hersteller die Vorgaben der neuen EU-Richtlinie umsetzen. Das kann andere oder erneute CE-Konformitätsbewertungsverfahren erforder- lich machen. Hersteller sollten sich jetzt um die Änderungen kümmern, rät Regierungsdirektor Dr. Matthias Neumann.

Herr Dr. Neumann, wann werden die geplanten Änderungen des Medizinproduktegesetzes für die Hersteller rechtskräftig?

Die EU-Richtlinie liegt bereits vor und wird von den Ländern bis Ende des Jahres 2008 in nationales Recht umgesetzt. Details dieser Entwürfe werden noch diskutiert. Sicher aber ist, dass durch das neue Gesetz ab dem 21. März 2010 die neuen Regeln und die darin formulierten Änderungen ohne Übergangsfrist gelten.
Welche Änderungen sind angedacht?
Im Bericht, den die EU-Kommission schon 2002 an Rat und Parlament weitergeleitet hat, war zwar nur von einem Fein-Tuning die Rede, da sich die bekannte Richtlinie ja im Prinzip bewährt habe. Im europäischen Gesetzgebungsprozess sind aber beachtliche Veränderungen der Richtlinie vorgenommen worden, beispielsweise bei den Klinischen Bewertungen, den Konformitätsbewertungsverfahren oder auch bei der Klassifizierung einzelner Produkte.
Welche Empfehlung würden Sie den Herstellern vor diesem Hintergrund geben?
Jeder Hersteller sollte sich so früh wie möglich mit Änderungen befassen, die seine Produkte betreffen könnten. Denn die Ressourcen bei den benannten Stellen, die die neuen Konformitätsbewertungen durchführen müssen, sind begrenzt. Da könnten Engpässe entstehen. Wer also nicht heute schon plant, könnte sein Geschäft ab 2010 gefährden.
Wie werden Medizinprodukte ab 2010 europaweit einheitlich als solche eingestuft?
In der EU-Richtlinie 2007/47/EWG wurde ein Regelungsverfahren geschaffen, das in Zweifelsfällen festlegt, ob ein Produkt ein Medizinprodukt ist und zu welcher Risikoklasse es gehört. Wie dringend wir so etwas brauchen, zeigt sich schon daran, dass diese Zuordnungen nicht einmal in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland einheitlich waren, von den verschiedenen Ländern der EU gar nicht zu reden.
Für welche Medizinprodukte ändert sich die Klassifizierung?
Zukünftig gehören zum Beispiel alle Produkte zum Aufzeichnen von diagnostischen Röntgenbildern zur Klasse IIa, also der Klasse für Produkte mit mittlerem Gefährdungspotenzial. Das gilt, wie bisher schon, für Röntgenfilme und zukünftig für elektronische Röntgensensoren. Wer mit seinen Produkten bisher schon in der Klasse IIb war, wird damit sicher kein Problem haben. Wer aber Produkte aus der Klasse I, für die kein Qualitätsmanagementsystem erforderlich ist und keine benannte Stelle in Erscheinung tritt, zukünftig in der Klasse IIa wiederfindet, die solche Kontrollen erforderlich macht, hat einen nicht gerade kleinen Schritt vor sich. Damit muss sich ein Hersteller rechtzeitig befassen.
Beeinflusst die Richtlinie auch den Handel mit Medizinprodukten in der EU oder mit dem Nicht-EU-Ausland?
Wer sein Produkt nach dem 21. März 2010 mit dem CE-Kennzeichen versehen möchte, muss zu diesem Termin bereits alle Verfahren durchlaufen haben, mit denen die CE-Konformität bewertet wird. Durch zusätzliche oder veränderte grundlegende Anforderungen an Sicherheit und Leistungsfähigkeit, veränderte Verfahren zur Bewertung der Konformität sowie teilweise veränderte Klassifizierungen ist das eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Das heißt auch, dass bestehende Zertifikate bis zum 21. März 2010 gültig sind. Wer das Konformitätsbewertungsverfahren also zu spät beginnt, könnte in Zeitdruck geraten, denn es gibt keine Übergangsfrist. Darüber hinaus reicht für Produkte, die aus Nicht-EU-Ländern stammen, eine einfache CE-Kennzeichnung nicht mehr aus. Zusätzlich muss der Hersteller für seine Produkte einen einzigen Europäischen Bevollmächtigten benennen. Sonst wären die Produkte in der EU nicht verkehrsfähig.
Was tut sich bei den klinischen Prüfungen?
Für jedes Produkt der Klasse III sowie für implantierbare Produkte sind grundsätzlich klinische Prüfungen durchzuführen. Der bisher mögliche und teilweise missbräuchlich genutzte Nachweis, dass ein Produkt einem anderen stark ähnelt und eine eigene klinische Prüfung nicht erforderlich ist, dürfte insbesondere für neue Produkte kaum noch erbracht werden können. Darüber hinaus ist für jedes Medizinprodukt eine aktuelle klinische Bewertung erforderlich. Aktuell heißt, dass mehr verlangt wird als eine einmalige Betrachtung zum Zeitpunkt der Konformitätsbewertung. Vielmehr muss ein Hersteller den Markt aktiv beobachten. Nur auf Zwischenfälle zu reagieren, reicht nicht aus.
Welche Konsequenzen bringt die Einbeziehung der Maschinenrichtlinie?
Der Artikel 3 der neuen Medizinprodukte-Richtlinie verpflichtet Hersteller dazu, ein Medizinprodukt auch nach den Anforderungen der Maschinenrichtlinie zu gestalten – sofern es denn unter die Definition einer Maschine fällt. Das heißt nun nicht, dass jedes Medizinprodukt für sein CE-Kennzeichen zusätzlich nach dem Verfahren bewertet werden muss, das in der Maschinenrichtlinie vorgegeben ist. Vorsicht ist aber dennoch geboten. In manchen Fällen erfüllen Medizinprodukte zwar die allgemeinen Vorgaben der Medizinprodukterichtlinie zum Schutz vor mechanischen und thermischen Gefährdungen. Die im Vergleich dazu viel spezifischeren Anforderungen der Maschinenrichtlinie sind damit aber nicht unbedingt erfüllt.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Neue Medizinprodukterichtlinie
Die Überarbeitung der Medizinprodukte-Richtlinie (Medical Device Directive, MDD) begann im Frühjahr 2004. Nach einigen Arbeitsentwürfen und dem Ablauf der öffentlichen Kommentierungsphase eines Entwurfs hat die EU-Kommission dem Rat Ende 2005 einen offiziellen Entwurf vorgelegt. Im ersten Halbjahr 2007 entstand daraus nach der Einigung mit dem Europäischen Parlament die Richtlinie 2007/47/EWG, die am 21. September 2007 veröffentlicht wurde und bereits gültig ist. Die einzelnen Staaten übernehmen diese Vorgaben bis Ende 2008 in ihre nationale Gesetzgebung. Die Hersteller, die ein Medizinprodukt zertifizieren lassen wollen, müssen die Änderungen zur bisherigen gesetzlichen Vorgabe ab dem 21. März 2010 – ohne Übergangsfrist – umsetzen.
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