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Viele kleine Beweise zeigen, ob ein Produkt sicher ist

Zulassung von Medizinpodukten: Assurance Cases sollen den Prozess beschleunigen
Viele kleine Beweise zeigen, ob ein Produkt sicher ist

Eine Methode der dokumentierten Beweisführung – die so genannte Assurance-Case-Methode – könnte die Zulassung von Medizinprodukten verkürzen. Die FDA hat das Verfahren bereits getestet und empfiehlt es.

Die Zulassung eines Medizinproduktes ist ein notwendiges, aber oft langwieriges Unterfangen, das den Markteintritt verzögert und sogar den Innovationsvorsprung eines Unternehmens zunichte machen kann. Andererseits ist die Patientensicherheit ein wichtiges und schützenswertes Gut, für das Zulassungsbehörden wie die US-amerikanische FDA (Food and Drug Administration), verantwortlich sind. Daher sind umfassende Prüfungen unvermeidlich.

Interessant sind aber Ansätze, die Sicherheit auf einem effizienteren Weg erreichbar machen sollen. Ein Beispiel dafür ist der Assurance Case. Er basiert darauf, dass aufgrund von plausiblen Argumenten die Sicherheit eines Produktes bewiesen werden kann. Ursprünglich wurde er im Risikomanagement in der Nukleartechnik, Raumfahrt und der Verteidigungsindustrie eingesetzt, wo sich die Produktrisiken komplexer Systeme wie Flugzeuge oder Kraftwerke letztendlich nur durch systematische Methoden beherrschen lassen.
Für die Medizintechnik hat die FDA das Thema im Jahr 2007 aufgegriffen. Wegen der wachsenden Zahl an Anträgen für neue Zulassungen und einer erhöhten Zahl an Fehlfunktionen und Rückrufen bei Infusionspumpen, entschloss sich die FDA zu einer dringenden Empfehlung: Für Infusionspumpen sollten Assurance Cases genutzt werden, um die Zulassungsprozedur zu unterstützen. Entsprechendes steht im Bericht der FDA „510(k) Working Group- Preliminary Report and Recommendations” vom April 2010.
Als Pilotprojekt wurde der Assurance Case gemeinsam mit dem Software Engineering Institut (SEI) im US-amerikanischen Pittsburgh am Beispiel einer generischen Infusionspumpe entwickelt. Für dieses Produkt der Risikoklasse II wurden alle Risiken und Gefahren, ebenso wie die daraus folgenden Sicherheitsmaßnahmen, ausführlich beschrieben und dargestellt.
Das Projekt zeigte, dass die Assurance Cases nicht nur Vorteile bei der Zulassung bieten, sondern dem Hersteller im Rahmen des Risikomanagements auch Übersicht über die funktionale Sicherheit seines Produktes verschaffen. Damit zeigen sie auch Ansatzpunkte für zukünftige Entwicklungen für andere Medizinprodukte. Herausforderungen stecken dennoch in dieser Methode. Da es um sehr komplexe Systeme geht und die Beweisführung aufwendig ist, lässt sich ein einmal erstellter Assurance Case weder verallgemeinern noch für andere Produkte wieder benutzen.
Die FDA wird aber für weitere Produkte ebenfalls Richtlinien und Bedingungen festlegen, wie der jeweilige Assurance Case entwickelt werden soll. Zusätzlich muss die FDA ihre Reviewer und Manager schulen und die Cases noch besser an den FDA-internen Zulassungsprozess anpassen. Schließlich sollen die Assurance Cases ja die Argumente der Hersteller für die behördlichen Reviewer besser nachvollziehbar machen. Erst dann wird die Begutachtung effizienter und eine schnellere Zulassung möglich.
Zukünftig werden also auch andere Medizinprodukte, in denen Funktionen mittels Software realisiert sind, diese Systematik nutzen können. Eine Umfrage, die die Invensity GmbH anlässlich der Messe Medica 2011 durchführte, hat jedoch gezeigt, dass die Methode in Deutschland noch sehr wenig bekannt ist.
Dr. Utz Täuber, Dr. Juliane Kläs Invensity, Wiesbaden
Weitere Informationen Mehr über das SEI: www.www.sei.cmu.edu Mehr über das Beratungsunternehmen Invensity: www.invensity.com

Ihr Stichwort
  • Funktionale Sicherheit
  • FDA
  • 510(k)
  • ISO/IEC 15026-2
  • Infusionspumpe

  • Assurance Case – so funktioniert’s
    Der Assurance Case ist eine dokumentierte Beweisführungsmethode. Ihre Basis ist eine Behauptung, die mittels einer Strategie, überzeugender und gültiger Argumente und Beweise untermauert wird. Die entstehende Argumentationskette ermöglicht den Nachweis, dass zum Beispiel für eine Software solche Systembedingungen gegeben sind, dass sie auch in einer Anzahl kritischer Fälle sicher funktioniert.
    Das Vorgehen dabei ist mit einer Gerichtsverhandlung vergleichbar. Dort versuchen die Parteien, Unschuld oder Schuld in einer begrenzten Zeit zu beweisen. Dafür nutzen sie eine allgemein bekannte und von den Beteiligten akzeptierte Struktur. Eine solche Struktur braucht auch der Assurance Case. Nur so lässt sich eine übergeordnete Aussage – zum Beispiel: „das Gerät ist sicher“ – als zuverlässig und richtig erkennen.
    Der Assurance Case gliedert sich, wie auch ein Gerichtsprozess, in drei Hauptebenen. Das sind nach ISO/IEC 15026-2
    • die Behauptung oder der Fall (claim),
    • die Argumente (arguments) und
    • der Beweis (evidence).
    Da die gesamte Beweisführung schriftlich dokumentiert wird, werden claims, arguments und evidences durch Symbole dargestellt und damit gekennzeichnet. Pfeile zeigen, wie sie miteinander in Verbindung stehen.
    Jede Behauptung über das Produkt muss einen Bezug zu Umgebung, Anwendung, Verhalten oder Gefahren haben. Es gibt immer einen Hauptfall oder eine Kernbehauptung (zum Beispiel „das Gerät ist sicher“). Der Hauptfall wird durch Argumente gestützt und muss entweder direkt bewiesen oder durch neue, sinnvoll verknüpfte Behauptungen („Alle Risiken sind minimiert“ UND „Auswirkungen von Funktionsfehlern werden abgemildert“) glaubhaft gemacht werden. Dadurch kann ein weit verzweigter Baum aus Verästelungen entstehen, an dessen Ende immer ein Beweis, wie Einhaltung von Prozessschritten, Tests oder Reviews, stehen muss.
    Diese Beweise verknüpft ein Argument und führt so zu den Behauptungen. Drei Arten von Argumenten stehen zur Verfügung.
    • Deterministische Argumente folgen definierten Regeln, die zu einer Wahr/ Falsch Aussage führen. Beispiele sind ein formaler Beweis oder ein vollständiger Test.
    • Probabilistische Argumente nutzen die Statistik. Damit lassen sich mit quantitativ statistischer Berechnung Grenzwerte festlegen.
    • Qualitative Argumente schließlich beruhen darauf, dass ein Hersteller Regeln einhält, die erfahrungsgemäß zu gewünschten Eigenschaften führen. Dies sind Standards, Best Practices oder Prozess-Richtlinien.
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