Wie kommt eine ganze Branche bei einem komplexen Thema voran? Am ehesten, indem sich die Akteure untereinander austauschen, voneinander lernen und sehen, welche Erfahrungen andere schon gemacht haben. Das gilt auch für die Nachhaltigkeit in all ihren Facetten. Wie Medizinproduktehersteller oder auch Zulieferer mit ökologischen Fragestellungen am besten vorgehen können, diskutieren sie im Rahmen des im Herbst 2022 gegründeten Netzwerkes Biovox Connect.
Das Netzwerk ist auf Initiative des Start-ups Biovox GmbH entstanden. Das Unternehmen aus Darmstadt bietet Medical-Grade-Biokunststoffe an, aus denen Medizinprodukte wie OP-Instrumente, Endoskope oder Sterilbarriereverpackungen umweltfreundlicher als heute üblich produziert werden können. Der Austausch im Netzwerk ist thematisch aber nicht auf das Spektrum des Unternehmens beschränkt. „Unser Ziel ist es, die Herausforderungen zwischen Umweltschutz und Patientensicherheit ganzheitlich zu betrachten“, erläutert Dr. Julian Lotz, Geschäftsführer und einer der Gründer von Biovox. „Um richtig gute Lösungen zu finden, ist fachübergreifende Expertise notwendig.“
Für alle Akteure aus der Medizintechnik
Daher sind im Netzwerk alle Seiten willkommen, die in Zukunft etwas zu nachhaltigeren Medizinprodukten beitragen können. Das sind zum einen die Medizinprodukte-Hersteller selbst, aber auch Zulieferer und Dienstleister, die mit der Branche zusammenarbeiten. Aus Kliniken und Gesundheitszentren kommen die Anforderungen und auch Anregungen dazu, was sich verbessern ließe – und manchmal vielleicht der Hinweis, dass bestimmte Ideen noch an den Alltag des medizinischen Personals angepasst werden müssen, ehe sie umgesetzt werden. Das Fachwissen von Forschenden, die sich mit Nachhaltigkeit und Medizin befassen, trägt genauso zur Weiterentwicklung bei wie die Sichtweise von Branchen-Verbänden und anderen Interessenvertretern.
Forschung kann zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen verhelfen
Das gemeinsame Ziel soll im Mittelpunkt stehen, sagt Julian Lotz: „In unserem Netzwerk Biovox Connect kommen zum Beispiel Biokunststoff-Experten, Kliniken, Medizinproduktehersteller und Entwickler zusammen, um gemeinsam nachhaltigere Lösungen zu finden.“
Geplant sind monatliche Treffen im virtuellen Raum, bei denen ein Vortrag Input zu einem bestimmten Thema liefert, das im Anschluss in Diskussionen oder Workshop-Sitzungen vertieft werden kann. Aktuell stehen folgende Punkte auf der Agenda:
- Entwicklungsprozesse für nachhaltige Medizinprodukte
Kliniken und Medizinprodukteentwickler identifizieren, wann und wie sie gemeinsam arbeiten müssen, um auch in der Praxis nachhaltig und funktional gut zu sein. - Nachhaltigkeit in der Klinik
Das Projekt Kliol der Universitätsmedizin Heidelberg setzt unter anderem einen Schwerpunkt auf das Thema Abfallmanagement.
Darüber hinaus sind Themen vorgesehen wie Einweg- vs. Mehrwegprodukte, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die Zulassung nachhaltiger Medizinprodukte. Ebenfalls auf der Wunschliste stehen Nachhaltige Kunststoffe mit den Themen Biokunststoffe, Recycling und Standardisierung sowie die Nachhaltigkeitskommunikation.
Für Interessenten stehen auch Materialien zur Nachbereitung in einem Download-Bereich zur Verfügung. Diese können zum Beispiel Informationen zu Werkstoffen, Nachhaltigkeitsmarketing und dem „Messen“ von Nachhaltigkeit vermitteln. Den persönlichen Austausch ermöglicht ein Mal im Jahr die Tagung „Nachhaltige Medizinprodukte“. Sie soll im Mai 2023 in Darmstadt ihre Premiere haben.
Gesundheitswesen verursacht zu viele CO2-Emissionen
Aus Sicht von Lotz besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf: „Der Gesundheitssektor ist für etwa fünf Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen verantwortlich – damit ist das Gesundheitswesen klimaschädlicher als der Flugverkehr.“
Dass es Interesse an einem Austausch in einem Medizintechnik-spezifischen Netzwerk gibt, zeigte sich beim ersten virtuellen Treffen im September, an dem Teilnehmer aus 20 Organisationen aus verschiedenen Sparten beteiligt waren. Dabei kam auch zur Sprache, dass Informationsbedarf in allen Richtungen besteht. Denn wie zum Beispiel der Entwicklungsprozess für ein Medizinprodukt aussieht, welche Einschränkungen und Vorgaben Hersteller dabei berücksichtigen müssen, ist für einen Anwender in der Klinik nicht selbsterklärend.
Green Hospital: Der Trend zur Nachhaltigkeit nimmt Fahrt auf
„Wir hoffen, dass wir mit dem Netzwerk in den kommenden Monaten einen Austausch in einer möglichst großen und wachsenden Gruppe erreichen“, sagt Julian Lotz. Sein Wunsch für die erste Tagung im Mai: „Um die 50 Teilnehmer persönlich kennenzulernen, wäre ein sehr guter Start.“ (op)
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