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Drei Projekte zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen

Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen
Nachhaltige Medizinprodukte, von Anwendern getestet und bewertet

Um Medizinprodukte nachhaltiger zu gestalten, hat Medizintechnik-Hersteller Ethicon mit den Asklepios-Kliniken Hamburg-Harburg und Hamburg-Barmbek ein weiteres Pilotprojekt gestartet. Hier geht es um Verpackungen aus Recycling-Material.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Lässt sich die Außenverpackung von chirurgischem Nahtmaterial so verändern, dass sie möglichst umweltfreundlich hergestellt wird und die darin enthaltenen Rohstoffe wieder in den lokalen Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden können? Darum dreht sich das mittlerweile dritte Projekt zum Thema Nachhaltigkeit, das der Medizinproduktehersteller Ethicon im Sommer 2022 gestartet hat.

Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen – persönliches und berufliches Ziel

Es sind nicht zuletzt die Anwender der Medizinprodukte im Krankenhaus, die sich solche Lösungen wünschen und danach fragen. Manchmal geschieht das aus der eher persönlichen Motivation heraus, selbst etwas für die Umwelt tun zu wollen, aber immer öfter auch aus einer beruflichen – mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit im Unternehmen oder im Gesundheitswesen insgesamt zu verbessern. Denn auch die Kliniken selbst arbeiten daran, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Vor diesem Hintergrund soll nun bei Ethicon eine nachhaltigere Verpackung für Nahtmaterial mit weniger Abfall entstehen.

„Wenn sich herausstellt, dass die Lösung sich gut eignet, werden wir sie natürlich skalieren”, sagt Daniel Unger, Nachhaltigkeitsmanager bei Ethicon Deutschland. Ethicon gehört zu Johnson&Johnson Medtech und entwickelt, produziert und vertreibt Lösungen für die Chirurgie: neben Nahtmaterial gehören Klammernahtinstrumente, Trokare und resorbierbare Hämostyptika zum Portfolio.

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Daniel Unger ist als Sustainability Manager bei Ethicon Deutschland tätig
(Bild: © Fotograf und Webdesigner Marko Bußmann)

In Zusammenarbeit mit den Asklepios Kliniken Hamburg-Harburg und Asklepios Hamburg-Barmbek testet Ethicon aktuell eine neue Außenverpackung für chirurgisches Nahtmaterial im OP-Betrieb. Von der im Markt verfügbaren Verpackung unterscheidet sie sich: So fehlt bei der Testverpackung eine spezielle Außenfolie, die normalerweise die Außenverpackungen zusätzlich umgibt. Der Außenkarton selbst wird ausschließlich aus recycelter Pappe hergestellt – ist also dunkler als das sonst reinweiße Papier.

Nachhaltig und gebrauchstauglich: OP-Personal entscheidet

Während der Pilotphase soll das Asklepios-OP-Personal an beiden Standorten das neue Verpackungsdesign ausprobieren. Dabei geht es um Fragen des Handlings unter Praxisbedingungen. Entspricht die Qualität dieser Verpackungen den Vorstellungen der Ärzte und des Pflegepersonals? Sind alle erforderlichen Informationen auf dem nicht-weißen Untergrund lesbar? Lässt sich die Version eventuell anhand von Vorschlägen aus dem Arbeitsalltag der Anwender weiter verbessern? „All das lässt sich nur in enger Zusammenarbeit zwischen Medizinproduktehersteller und Mitarbeitern im Krankenhaus erproben“, sagt Unger.

Chirurgieinstrumente: Einweg nur in speziellen Fällen akzeptabel

Solche Projekte anzustoßen, war sein persönliches Ziel. Er sei in dieser Frage ein bisschen hartnäckig gewesen, berichtet er. Allerdings bekomme er im Konzern viel Unterstützung dafür, denn die Idee des ökologisch sinnvollen Wirtschaftens sei seit langem im Unternehmen verankert gewesen. „Ein Konzern muss auch aktiv Lösungsansätze anbieten, selbst wenn diese im ersten Anlauf noch nicht perfekt sind“, meint Daniel Unger.

Nachhaltigkeit steht weit oben, aber oberste Priorität hat die Patientensicherheit

Ob und in welcher Form genau sich das nachhaltigere Verpackungsdesign im Unternehmen als Standard durchsetzen wird, ist derzeit noch nicht entschieden. Und es gibt auch einen Punkt, der Priorität vor dem Thema Nachhaltigkeit behält: „Die Patienten- und Anwendersicherheit wird immer an erster Stelle stehen. Hier gehen wir keine Kompromisse ein”, sagt Verena Lademann, die als Medizinprodukteberaterin bei Ethicon tätig ist.

Die Erfahrung aus zwei früheren Pilotprojekten zeigt nach Angaben von Ethicon aber, dass nachhaltige Neuerungen durchaus Aussicht auf Erfolg haben. Im Jahr 2021 ging es um das Recycling von chirurgischen OP-Einweginstrumenten sowie das Recycling von Sterilverpackungen aus Aluminium für chirurgisches Nahtmaterial. Beide Konzepte bietet Ethicon mittlerweile für interessierte Kunden in Deutschland und anderen EU-Ländern als Service mit an.

Was Anwender von nachhaltigen Medizinprodukten erwarten

„Wir haben damals mit zwei Produkten aus dem Portfolio im Klammerbereich angefangen“, berichtet Unger. Mit dem Gebrauch der Produkte und den Ergebnissen am Patienten waren die Anwender sehr zufrieden, sagt er. Aber nach der kurzen Nutzung während der OP mussten die Einweginstrumente dann komplett entsorgt werden – was auch für eine Instrumentenvariante mit Batterie galt. „An diesem Aspekt haben sich die Anwender besonders gestört,“ erinnert sich der Nachhaltigkeitsmanager.

Recycling von Einwegprodukten ist eine Art von Aufbereitung

Daraufhin habe Ethicon ein Rücknahmesystem entwickelt, ein Jahr lang mit sechs Pilotkliniken zusammen immer wieder diskutiert und angepasst. „Inzwischen haben wir die Verbesserungen auf unser gesamtes Klammerportfolio inklusive der batteriebetriebenen Produkte ausgeweitet.“ Die Batterien müssen auf dem herkömmlichen Weg entsorgt werden, doch für die übrigen Bestandteile bietet Ethicon eine Recycling-Möglichkeit an.

Was Nachhaltigkeit konkret bei den CO2-Emissionen bringt

Was das Sammeln der Produktbestandteile für den eigenen CO2-Ausstoß bringt, lässt sich der Klinik gegenüber mit Zahlen belegen. Für ein rund 1,2 kg schweres Handgerät errechnet sich bei dem neuen Recycling-Ansatz eine Ersparnis von 3,5 kg CO2-Äquivalenten. Verglichen wird hier mit der Alternative, den kompletten Abfall des einzelnen Produktes unter teils hohem Energieeinsatz zu verbrennen. Wobei die Abrechnungen in Kliniken üblicherweise eher auf Tonnen Gesamtgewicht umgerechnet werden, um Vergleichswerte zu bekommen.

Je nach Produkt, berichtet Unger, lassen sich hohe Anteile beim Recycling von Medizinprodukten erreichen. Bei Instrumenten ist die Rede von 75 bis 100 %. „Wobei die Kunststoffe zu Granulat verarbeitet und dann in dieser Form wieder in den Markt gebracht werden.“ Was heißt, sie werden an anderer Stelle weitergenutzt. Diese im Sinne einer Kreislaufwirtschaft bei Ethicon weiter zu nutzen, sei aus regulatorischen Gründen noch nicht möglich.

Ähnlich sieht es beim chirurgischen Edelstahl aus, berichtet Unger. „Für unsere Medizinprodukte kaufen wir Primärrohstoffe.“ Aber das lasse sich nach Gebrauch einschmelzen und weiter verwenden. Was damit im Medizintechnik-Bereich künftig möglich wäre, wird derzeit geprüft.

Und manches, was aus Sicht der Nachhaltigkeit sinnvoll wäre, ist laut Unger schlicht gesetzlich nicht zulässig. Informationen, die in der Packungsbeilage immer auf Papier vorhanden sind, könne man vielleicht auch digitalisieren – aber die Vorgaben sehen Papier zwingend vor.

Nicht alles, was aus dem OP kommt, muss verbrannt werden

Anderes ändert sich auch im Lauf der Zeit. „Bisher herrscht die Meinung vor, dass eigentlich quasi alles, was aus dem OP kommt, als kontaminiert anzusehen ist und daher verbrannt werden muss“, sagt Unger. Studien belegten hingegen, dass das nur auf einen Teil der Produkte zutreffe. „Und auf Verpackungen zumeist sowieso nicht.“

Eine Anregung dazu kam auch aus dem OP-Umfeld: Die Frage war, ob sich Medizinprodukte-Verpackungsmaterial aus Kunststoff nicht so gestalten lasse, dass dieses über das Duale System Deutschland, also den „gelben Sack“, einer Weiterverwendung zugeführt werden kann. Dafür müssen natürlich die „richtigen“ Kunststoffe verwendet werden. Auch dazu läuft laut Unger ein Projekt, das allerdings erst im kommenden Jahr spruchreif werden wird. Abgesehen von den Materialien ließen sich noch ein paar weitere Veränderungen ergänzen:

  • nur ein Träger, der für verschiedene Produktvarianten passt,
  • Verzicht auf Schaumstoffpolster und
  • Verzicht einen bestimmten Klebefilm

„Man muss Ingenieure und Designer über solche Anforderungen informieren, dann gibt es auch andere Lösungen“, sagt Unger. Und die Anwender akzeptierten diese, wie die ersten Tests belegen.

Nachhaltigkeit ist gut, muss aber lokale Gegebenheiten berücksichtigen

Manchmal gebe es allerdings lokale Besonderheiten zu berücksichtigen, auch das hat der Nachhaltigkeitsmanager erfahren. „Bevor wir unsere Projekte begonnen haben, stießen wir bei einer konzernweiten Recherche auf Recycling-Ideen in Neuseeland.“ Doch was dort funktionierte, ließ sich aus verschiedenen Gründen nicht auf hiesige Verhältnisse übertragen.

Gemeinsam mit den Anwendern jedoch komme man zu guten und lokal anwendbaren Ergebnissen. Das zeigten die abgeschlossenen Projekte, auf die weitere mit dem Ziel der Nachhaltigkeit folgen sollen.

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