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Nachhaltige Medizinprodukte: Punktesystem ermöglicht die Bewertung

Nachhaltigkeit in der Medizintechnik
Medizinprodukte: Bewerten, welche nachhaltiger sind

Wenn Ärzte sich für nachhaltige Medizinprodukte entscheiden möchten, woran sollen sie diese erkennen? Diese Frage beantwortet das Start-up Praxis ohne Plastik. Dessen Kriterien ermöglichen auch den Vergleich von Produkten verschiedener Hersteller.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Zahnarztpraxis: Es gluckert, Wasser fließt in einen Plastikbecher. Der Patient spült den Mund. Fertig. Der Plastikbecher fliegt nach wenige Sekunden in den Müll. „So etwas ist doch unnötig“, sagt Nora Stroetzel. Und damit sich solche Fälle vermeiden lassen, gibt es seit knapp drei Jahren ein Start-up, das nachhaltigere Lösungen rund um Gesundheitswesen und Medizinprodukte bewertet und den Praxen zur Verfügung stellt.

Nachhaltigkeit in der Medizintechnik

Kein Greenwashing bei nachhaltigen Medizinprodukten

Der Name des Start-ups, das Ingenieurin Nora Stroetzel mit gegründet hat, ist Programm: Praxis ohne Plastik nennt sich das Unternehmen aus Kiel, das bislang drei Mitarbeiterinnen hat – plus Unterstützung von Werkstudenten. Die Fachleute haben sich einen Katalog von Kriterien erarbeitet, anhand derer sich bewerten und vergleichen lässt, wie sehr sich ein als nachhaltig bezeichnetes Medizinprodukt tatsächlich von anderen unterscheidet. Produkte, die dabei gute Bewertungen erhalten, bietet Praxis ohne Plastik im eigenen Online-Shop an. Das Ziel laut Stroetzel: „Mit Transparenz zeigen wir Greenwashing klare Grenzen!“

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Um im Angebot aufzutauchen, muss ein Produkt bei vielen Aspekten gut abschneiden. „Wir betrachten nicht nur das Produkt an sich, sondern auch die Herstellung und alles, was bis zum Lebensende noch passiert“, fasst Stroetzel zusammen. Denn am ehesten gelange man zu nachhaltigen Produkten, wenn man sich das „Rethink“ zu Herzen nimmt und ein Produkt von Grund auf überarbeitet.

Bewertungen erfolgen entlang des gesamten Lebenszyklus

Heißt: Es geht um das Material, den Herstellungsprozess, die Energiequellen, ein Design, das der Nachhaltigkeit entspricht. Es geht darum, wie das Produkt transportiert wird und wie lange es sich nutzen lässt. Und schließlich geht es auch um die Frage, ob es am Ende im Müll landet oder kreislauffähig ist. Einzelne Faktoren bekommen eine Gewichtung: So erhält ein Produkt mehr „Punkte“, wenn der CO2-Ausstoß im Vergleich zu herkömmlichen Produkten gesenkt wird. Der CO2-Ausgleich bringt auch Punkte, aber weniger. Und wer sowohl spart als auch ausgleicht, erhält die höchste Punktzahl.

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Nora Stroetzel ist Mitgründerin des Start-ups Praxis ohne Plastik. Transparenz gegen Greenwashing ist das Ziel bei der Bewertung von Medizinprodukten
(Bild: Praxis ohne Plastik)

Oft erweist es sich allerdings als schwierig, die Fakten zu all diesen Kriterien überhaupt in Erfahrung zu bringen. „Hersteller werben eher mit einzelnen Aspekten, bei denen sie sich um mehr Nachhaltigkeit bemüht haben“, sagt Stroetzel. Genau das mache es für die Anwender so schwierig, zu vergleichen und sich zwischen Produkten zu entscheiden.

Wo keine weiteren Daten verfügbar sind, bleibt für die Bewertung zunächst der Blick aufs Material. Angaben dazu müssen vorhanden sein und zeigen, ob es recycelbar ist. Ebenfalls erkennbar ist, ob Materialien im Verbund eingesetzt werden und ob es eine Restmüllpflicht für das jeweilige Produkt gibt.

Internationale Standards führen zu hohen Bewertungen der Mediziprodukte

Einen positiven Eindruck hinterlässt bei der Bewertung die Konformität zu relevanten Normen. So erfasst Praxis ohne Plastik, ob es beim Hersteller ein Ecological Management System gemäß Iso 14001 gibt oder ein Life Cycle Assessment gemäß ISO 14044 durchgeführt wird. Wer internationalen Standards genügt, bekommt viele Punkte. „Bei unternehmenseigenen Labels schauen wir, welche Aussagen dahinter stehen und fragen auch beim Hersteller nach, damit wir so etwas in die Bewertung einbeziehen können“, berichtet Stroetzel. Wenn die Informationslage zu dünn ist, bringt ein firmeneigenes Label keine Vorteile.

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Für Produktmanager in der Medizintechnik, das zeige die Erfahrung, sei es immer noch sehr ungewohnt, Nachfragen zu einem Produkt zu beantworten. Schon die Frage nach dem Herstellort – die Praxis ohne Plastik stellt, um den Einfluss des Transportes auf den CO2-Ausstoß einzuschätzen –, errege oftmals Misstrauen.

„Dabei veröffentlichen wir auf gar keinen Fall Einzeldaten“, sagt Stroetzel. Die Informationen fließen in die Gesamtbewertung des Produktes ein, allenfalls sei zu sehen, dass ein Produkt zum Beispiel in der EU produziert werde.

Wirklich nachhaltige Produkte gibt‘s nicht – aber Unterschiede

Die bisher durchgeführten Bewertungen an Produkten haben im Start-up zu der Gesamteinschätzung geführt, dass es heute im Grunde noch keine „nachhaltigen“ Medizinprodukte gibt. „Aber es gibt durchaus Unterschiede, und man kann die Produkte erkennen, die nachhaltiger sind als andere“, fasst Stroetzel zusammen. In Zahlen ausgedrückt: Ein wirklich nachhaltiges Produkte könnte im Bewertungssystem des Start-ups etwa 85 bis 100 % der möglichen Punkte erreichen. Heute gilt schon als vorbildlich, wer es auf 15 % der möglichen Punkte bringt.

Hersteller von Medizinprodukten können sich auch an das Start-up wenden, um Produkte bewerten zu lassen. Zusammen mit dem Ergebnis bekommen sie dann ein Label, das sie fürs Marketing verwenden können. Auch eine Beratung, was sich in Richtung Nachhaltigkeit tun lasse, sei durch Praxis ohne Plastik möglich. So sagt Stroetzel: „Wir arbeiten mit Arztpraxen zusammen und können zum Beispiel im Auftrag eines Herstellers eine Umfrage machen, ob eine bestimmte nachhaltige Lösung im Praxisalltag umsetzbar wäre.“

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Nachhaltige Medizinprodukte bewerten – und auf Wunsch auch Medizingeräte

Als Start-up sind die Möglichkeiten heute aber noch begrenzt: Es geht bisher vor allem um Verbrauchsmaterial. Grundsätzlich lasse sich die Art der Bewertung auch auf Medizingeräte übertragen. „Das ist allerdings ein eher aufwendiger Prozess“, sagt Stroetzel. Wenn ein Gerätehersteller diesen in Auftrag gebe, lasse sich das aber umsetzen.

Wie Einkäufer nachhaltige Medizinprodukte auswählen

 Interesse an den Bewertungen der nachhaltigeren Medizinprodukte gibt es, und zwar nicht nur aus Arztpraxen. „Für Einkäufer in Krankenhäusern bieten wir auch schon eine Beratung an“, sagt Stroetzel. Die hohen Anforderungen, die für die Belieferung von Krankenhäusern erfüllt werden müssen, lassen sich mit dem Start-up-eigenen Online-Shop für nachhaltigere Medizinprodukte bisher jedoch nicht umsetzen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Und: „Wenn sich unsere Label durchsetzen, wird damit auch für den Einkäufer im Krankenhaus erkennbar, welche Produkte als besonders nachhaltig gelten können.“


Weitere Informationen

Das Start-up Praxis ohne Plastik bietet neben einem Online-Shop für Geschäftskunden auch Workshops zu nachhaltiger Praxisführung an. Zur Zielgruppe gehören Praxen von Medizinern, Zahnärzten und Veterinärmedizinern. Auch die Beratung für Medizinproduktehersteller ist möglich.

www.praxisohneplastik.de

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