In einem Samt-Etui ruht eine Spritze aus dem späten 19. Jahrhundert – eine Kostbarkeit mit angemessener Hülle. Sie ist eine Weiterentwicklung der Pravaz’schen Spritze, die Charles-Gabriel Pravaz um 1850 für die subcutane Injektion entwickelte – sie war der Prototyp für alle späteren Spritzen. Doch hatte sie weder eine geschliffene Hohlnadel noch einen Aufsteckstutzen für die Kanüle. Die Injektion erfolgte schrittweise: In eine stumpfe Hohlnadel wurde ein spitzer Trokar eingeführt und in die Haut eingestochen. Bei liegender Nadel entfernte der Behandler den Trokar und schraubte die gefüllte Spritze auf die Kanüle auf. Das Medikament wurde durch langsames Vorschrauben des Kolbens exakt dosiert ins Gewebe gebracht. Die ersten Spritzen wurden gereinigt und wiederverwendet. Sterilisierbare Spritzen aus Glas und Edelstahl kamen erst gegen 1910 auf. Per Spritze bekamen zum Beispiel verwundete Soldaten Morphin verabreicht. Einwegspritzen als Massenartikel entstanden erst, als Penicillin nach dem zweiten Weltkrieg in großen Mengen zur Verfügung stand.
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