Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) soll für die Patientensicherheit in Deutschland sorgen. Es ist eine so genannte zentrale deutsche Bundesoberbehörde und gehört zum Bundesministerium für Gesundheit. Seine zwei Dienstsitze sind in Bonn und in Köln. Neben der Zulassung von Arzneimitteln gehört zu seine Aufgaben auch die Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Und spätestens hier wird es für Medizinprodukte-Hersteller wichtig.
Die aktuellen Aufgaben des Bfarm in puncto Medizinprodukte
Da das Bfarm für Patientensicherheit sorgen soll, ist eine seiner Hauptaufgaben, das Risiko zu bewerten, wenn es bei Medikamenten und Medizinprodukten zu unerwünschten Vorfällen kommt. Das können beispielsweise sein
- unerwünschte Nebenwirkungen,
- Funktionsstörungen oder auch
- Qualitätsmängel.
Ein aus den Medien bekannter und schwerwiegender Vorfall war der Einsatz von minderwertigem Silikon in Brustimplantaten.
Hersteller, Betreiber und professionelle Anwender sind verpflichtet, solche Vorkommnisse dem Bfarm zu melden – seien sie noch so klein. Diese Möglichkeit steht auch Patienten und Betroffenen offen.
Meldungen zu Medizinprodukten sammeln
Das Bfarm erfasst die Meldungen im zentralen Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem (DMIDS). Darüber hinaus bewertet es sie in Bezug auf das Risiko für die Anwender und koordiniert die gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen. Das Ziel ist, so schnell wie möglich potenzielle Gefahren für Anwender und Patienten zu entdecken und zu beseitigen.
Noch eine Aufgabe des Bfarm: Produzenten, die laut Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, kurz MDR) für die Marktzulassung eine klinische Studie in Auftrag geben müssen, brauchen dafür die Zustimmung einer Ethikkommission und die Genehmigung des Bfarm. Nur bei bestimmten In-vitro-Diagnostika ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zuständig.
Auch für den rechtlichen Status von Medizinprodukten und deren Klassifizierung kann das Bfarm eine wichtige Rolle spielen. Denn gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Hersteller und Benannter Stelle über diese Klassifizierung eines Medizinproduktes oder In-vitro-Diagnostikums, entscheidet das Bfarm.
Das Bfarm forscht auch selbst. So entwickeln seine Forschenden Algorithmen und Methoden der Künstlichen Intelligenz, die bei der Risikobewertung unterstützen sollen.
Zertifikate für Diga gehen auch an das Bundesinstitut
Europaweit ist das Bfarm ist eine der ersten Behörden, die ein spezielles Datenschutzzertifikat entwickeln für digitale Gesundheitsanwendungen (Diga) und digitale Pflegeanwendungen (Dipa). Die Zertifizierung erfolgt inzwischen durch eine akkreditierte Stelle. Das Zertifikat müssen Diga- wie Dipa-Hersteller dem Bfarm vorlegen, wenn sie die Aufnahmen ins entsprechende Verzeichnis beantragen.
Digitalgesetz: Standards für Interoperabilität mit Medtech-Industrie festlegen
Darüber hinaus ist das Bfarm auch beratend tätig. Es bietet über sein Innovationsbüro zum Beispiel Kick-off-Meetings für Start-ups an. In Bezug auf die Verwaltungsverfahren, für die das Bfarm zuständig ist, bietet es Herstellern und Laboren auch wissenschaftliche und verfahrenstechnische Beratung an. Es kann auch vor Beginn von Zulassungsstudien der Phase drei oder zur Planung von klinischen Studien unterstützen. Letztere Beratung ist jedoch gebührenpflichtig.
Für Forschende und Hersteller sicher auch interessant ist, dass im Bfarm ebenfalls das Deutsche Register Klinischer Studien (DRKS) angelegt ist. Ihn ihm sind in Deutschland durchgeführte, gesundheitsbezogene Studien an Menschen registriert. Es dient nicht nur als Informationsquelle für Patienten, sondern unterstützt auch bei der Planung klinischer Studien.
Medical Device Regulation: Was für die Klinische Bewertung gefordert wird
Geschichte des Bfarm
Das Bfarm entstand 1994. Seine Gründung ist eng verknüpft mit dem Medizinproduktegesetz, das ein Jahr später endgültig in Kraft trat. Es war nötig, um EG-Richtlinien in Deutschland umzusetzen. Das Bfarm war neben dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) für die Durchführung des Medizinproduktegesetzes zuständig.
Das Institut übernahm dabei die Aufgaben seines Quasi-Vorläufers: dem Institut für Arzneimittel, welches 1975 gegründet wurde. Das Bfarm erfasst seither so genannte Vorkommnisse bei Arzneimitteln und Medizinprodukten. Das sind beispielsweise unerwünschte Nebenwirkungen oder auch Qualitätsmängel. Das Bfarm muss prüfen, welche Maßnahmen diese Risiken beseitigen, verringern oder verhindern können. Seit 2010 genehmigt das Bfarm darüber hinaus klinische Prüfungen von Medizinprodukten, ausgelöst durch eine Neuregelung des entsprechenden Rechts in Deutschland.
2020 verschmolz das bisherige Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (Dimdi) mit dem Bfarm. Dementsprechend ist auch das 2022 errichtete zentrale Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem, kurz das DMIDS, im Bfarm angesiedelt.
Die zentrale Datenbank – das DMIDS
Durch die neue Medizinprodukteverordnung (MDR) war das Bfarm verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2022 (§ 86 MPDG) ein zentrales Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem zu errichten, kurz das DMIDS. In ihm laufen alle Informationen über Arzneimittel und Medizinprodukte auf nationaler Ebene zusammen.
Medizinprodukte-Hersteller müssen über das DMIDS ihre Anträge für klinische Studien und Leistungsstudien stellen. Ebenso melden sie darüber das Inverkehrbringen und die Klassifizierung ihrer Produkte.
Responsible Person muss mehr leisten als der Sicherheitsbeauftragte
Auch Informationen wie die Angaben zum Sicherheitsbeauftragten oder der Person, die für die Einhaltung der regulatorischen Vorschriften verantwortlichen ist, gehören dazu. Auch die Benannten Stellen melden an das DMIDS: ihre erteilten Bescheinigungen für den Hersteller, aber auch ihre ausgesetzten, zurückgezogenen oder verweigerten.
Was ist eine Benannte Stelle oder ein Notified Body gemäß EU-MDR?
Alle Meldungen zu Nebenwirkungen und Vorfällen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten müssen Hersteller, aber auch Betreiber und professionelle Anwender von Medizinprodukten in das DMIDS eingeben.
Das DMIDS ist kompatibel zur europäischen Datenbank Eudamed, da es einen regelmäßigen Datenaustausch zwischen den Systemen gibt. Nichtsdestotrotz erspart das Registrieren eines Produkts im DMIDS nicht einen Eintrag in die Eudamed-Datenbank und umgekehrt.
Neue Website zur Registrierung in Eudamed startet im Dezember
Der Rote-Hand-Brief
Das Bfarm erfasst alle Meldungen zu potenziellen Gefahren durch Arzneimittel und Medizinprodukte zentral im DMIDS. Zudem bewertet es diese. Dazu kann es Auskünfte und Unterlagen zu dem betroffenen Produkt beim Hersteller einfordern.
Ist ein Risiko erkennbar, gibt das Bfarm eine Empfehlung heraus, sowohl an den Hersteller des Produkts als auch an die Überwachungsbehörden der Bundesländer. Der Hersteller ist damit aufgefordert, schnellstmöglich und in Absprache mit dem Bfarm oder bei Qualitätsmängeln mit der zuständigen Landesbehörde alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
Dazu kann auch gehören, Warnhinweis und Handlungsempfehlungen an die betroffenen Fachkreise – also zum Besipiel die Anwender des Medizinproduktes im Krankenhaus – herauszugeben. Dieses Warnschreiben heißt Rote-Hand-Brief. Dass der Hersteller diese und eventuell weitere Maßnahmen ergreift wie beispielsweise Rückrufaktionen, überwacht, wie der Name schon sagt, die Überwachungsbehörde.
Genehmigung klinischer Studien durch das Bfarm
Bevor ein Hersteller eine für sein Medizinprodukt geforderte klinische Studie oder Leistungsstudie in Auftrag geben kann, muss er diese von der Ethikkommission und vom Bfarm genehmigen lassen. Nur bei bestimmten In-vitro-Diagnostika ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zuständig.
Das Bfarm prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, um die klinische Prüfung durchzuführen. So muss der klinische Prüfplan dem aktuellen Stand der Wissenschaft und den Regeln der „Guten klinischen Praxis“ (GCP) entsprechen. Des Weiteren begutachtet das Bfarm das Prüfungsdesign und die geplante statistische Auswertung.
Darüber hinaus muss der Hersteller die sicherheitstechnische Unbedenklichkeit und die biologische Sicherheit seines Produktes nachweisen. Das ist zum Beispiel bei Implantaten von Bedeutung. Auch sollte sein Produkt alltagstauglich, also unkompliziert in der Nutzung sein.
Diese „Gebrauchstauglichkeit im Nutzungskontext“ muss der Hersteller ebenfalls belegen. Und ein wissenschaftlich fundiertes positives Nutzen-Risiko-Verhältnis gehört ebenfalls zu den nötigen Belegen. Dabei muss der Hersteller sämtliche Risiken auflisten und bewerten.
https://medizin-und-technik.industrie.de/recht/kennzeichnung-und-informationen-zu-medizinprodukten-iso15223–12021-und-iso204172021-sind-wichtige-normen/
Auch wenn der Hersteller die Genehmigung von der Ethikkommission und vom Bfarm für die klinische Studie erhalten hat, hören seine Pflichten gegenüber dem Bfarm nicht auf. Denn er muss alle schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse (SAE), falls diese während der klinischen Studie auftreten, an das Bfarm melden. Bewertet das Bfarm die Ereignisse als zu risikoreich, kann es ihn notfalls auffordern, die Prüfung auszusetzen oder abzubrechen.
Das Bfarm in Europa
Das Bfarm ist Europas größte Arzneimittelzulassungsbehörde. Seine Experten sitzen in verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Ebenso arbeitet das Bfarm eng mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zusammen. Auf internationaler Ebene kooperiert das Bfarm mit vergleichbaren Institutionen in anderen Ländern, so zum Beispiel mit der Food and Drug Administration (FDA) in den USA.
Im Bereich der Medizinprodukte tauschen die deutsche Datenbank DIMIDS und die Europäische Datenbank Eudamed regelmäßig Daten aus, um zur Marktüberwachung von Medizinprodukten auf dem aktuellen Stand zu sein.
Beratung durch das Bfarm
Die Entwicklung von neuen Arzneimitteln und Medizinprodukten einschließlich der Überwachung dieser Produkte unterliegen komplexen regulatorischen und wissenschaftlichen Anforderungen. Das Bfarm bietet im Rahmen seiner Zuständigkeit mit verschiedenen Beratungsverfahren Unterstützung an.
Wissenschaftliche und verfahrenstechnische Beratung
Ebenso können Hersteller im Rahmen einer wissenschaftlichen und verfahrenstechnischen Beratung spezifische Fragen mit dem Bfarm klären, die die Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten betreffen. Antragsteller erhalten die Möglichkeit, Fragestellungen im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren zu erörtern, für die das Bfarm als Genehmigungs- beziehungsweise Überwachungsbehörde zuständig ist.
Gemeinsame Beratung durch das Bfarm und den G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss)
Hersteller können das Bfarm in Beratungsverfahren des G-BA zur frühen Nutzenbewertung einbinden. Das sollte vor Beginn von Zulassungsstudien der Phase drei oder zur Planung klinischer Prüfungen sein. Umgekehrt können auf Wunsch des pharmazeutischen Unternehmers sich Experten des G-BA an der wissenschaftlichen Beratung beim Bfarm beteiligen. Diese Beratung durch das Bfarm müssen sie jedoch schriftlich beantragen. Sie ist – mit Ausnahme der Portfolio-Gespräche – gebührenpflichtig.