Schlüssellochoperationen, die Eingriffe durch vergleichsweise winzige Schnitte, sind heute so selbstverständlich, dass man kaum noch darüber nachdenkt, wie früher operiert wurde. Beispiel Gallenblase: Wer sich vor 25 Jahren die Gallenblase entfernen lassen musste, hatte ein große Operation vor sich. In der Regel wurde der Bauch mit einem etwa 20 Zentimeter langen Schnitt geöffnet, was eine entsprechend große Narbe hinterließ.
Das ist dank moderner Endoskopie zum Glück längst vorbei. Bei den so genannten minimal-invasiven Eingriffen werden Endoskope und dünne Operationsinstrumente durch nur wenige Millimeter kleine Schnitte in den Körper eingeführt.
Die Entwicklung, die die Endoskopie in den vergangenen Jahren vollzogen hat, ist beachtlich, denn die Geräte wurden seit den Anfängen in vielerlei Hinsicht optimiert. Zudem gibt es inzwischen eine Fülle verschiedener Geräte, die an die Bedürfnisse diverser medizinischer Disziplinen angepasst sind – etwa für die Chirurgie im Bauchraum oder die Neurochirurgie.
Bei klassischen minimal-invasiven Eingriffen wird zunächst die Haut und Muskulatur mit einem spitzen Stab, einem sogenannten Trokar, durchstoßen, der das so entstandene Loch zugleich offen hält. Anschließend führt der Chirurg durch den Trokar die minimal-invasiven Instrumente ein – kleine Greifer, Scheren oder Kamera-Endoskope, an deren Bild er sich orientiert.
Endoskope – Technik wie bei Digicam oder TV
Solche Kamera-Endoskope können mit den Technologien, die heute in Smartphones verbaut sind, locker mithalten. Moderne Geräte sind mit 3D-Optiken ausgestattet oder verfügen über 4K-Bildauflösung, mit der heute auch Digitalkameras und Fernseher beworben werden.
Früher waren Endoskope starr. Heute gibt es flexible, dünne Endoskope von nur wenigen Millimetern Durchmesser. In diesen Hightech-Schläuchen liegen dicht an dicht mehrere Kanäle. Bei Kamera-Endoskopen verlaufen in diesen Kanälen Glasfasern, über die Licht ins Körperinnere gelangt und in der Gegenrichtung das Kamerabild zum Bildchip im Gerät übertragen wird. Daneben liegen dünne Spülkanäle, die dafür sorgen, dass die Optik während der Operation sauber bleibt.
Mit dem Endoskop bis in den Zahnhals
Einen Rekord haben jüngst japanische Forscher während eines Kongresses in Südkorea vorgestellt: Ein Kamera-Endoskop, das so dünn ist, dass es sich sogar zur Wurzelbehandlung in Zahnhälse einführen lässt. Auch gibt es Video-Endoskope, die über einen zusätzlichen Kanal verfügen, durch den chirurgische Instrumente in den Körper geschoben werden.
Roboter als „Kameramann“
In der Regel führen Ärzte bei einer Operation mehrere Endoskope durch mehrere Öffnungen in den Patienten ein, die Greifer und Scheren oder eben das Kamera-Endoskop. Dazu müssen sie mit einem Trokar, einem speziellen Instrument an der Öffnung zum Körper, mehrere Zugänge legen. Meist arbeiten dann zwei Ärzte zusammen: der Chirurg, der schneidet und ein Kollege, der das Kamera-Endoskop bewegt.
Inzwischen gibt es auch Endoskope, die durch Assistenzroboter gesteuert werden. Der Chirurg hat dann am Griff seiner Greifinstrumente einen kleinen Joystick, mit dem er den Kameraführungsroboter steuert. „Das ist hilfreich, verlangt dem Arzt aber doppelt Aufmerksamkeit ab“, sagt Dr. Martin Wagner, Chirurg in der Sektion für minimal-invasive Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. Prof. Beat Müller, geschäftsführender Oberarzt und Leiter der Sektion minimal-invasive Chirurgie, ergänzt: „Zwar sind inzwischen auch Roboter auf dem Markt, die wie ein Assistent den Instrumenten des Chirurgen automatisch folgen, doch jeder Chirurg hat seinen eigenen Stil, die Instrumente zu bewegen. Daran kann sich der Roboter, anders als ein menschlicher Assistent, nicht besonders gut anpassen.“
Mediziner und Ingenieure verbessern gemeinsam Endoskope
Die Heidelberger Chirurgen haben deshalb vor einiger Zeit Robotik-Experten vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT) dabei unterstützt, eine selbstlernende Robotersoftware zu entwickeln. Diese lernt die typischen Bewegungen eines bestimmten Chirurgen kennen und passt sich nach und nach daran an. Ihre Stärke: Diese Software lässt sich fast universell in Endoskopie-Roboter verschiedener Hersteller integrieren und kann damit ganz verschiedene Systeme zum so genannten „lernenden Kameraführungsroboter“ machen.
Martin Wagner und Beat Müller sind auch an weiteren Forschungsprojekten des KIT beteiligt – unter anderem an einem Projekt zur 3D-Bildgebung. Auch heute noch werden in der Chirurgie meist 2D-Kameras eingesetzt. Denn erfahrene Chirurgen können, indem sie die Kamera-Endoskope hin und her oder vor und zurück bewegen, den Raum, die Tiefe und die Lage der Organe gut abschätzen. „Daher ist die 3D-Technologie in der Praxis noch nicht sehr weit verbreitet“, sagt Martin Wagner. „Zusammen mit den Kollegen vom KIT haben wir uns überlegt, welchen Mehrwert 3D denn bieten könnte.“
Mit 3D-Bildgebung Längen erfassen
Ein solcher Mehrwert war schnell gefunden. So ist es im 2D-Bild bislang beispielsweise schwierig, die Länge eines Darmabschnitts abzuschätzen, weil dieser stets ein wenig gewunden und damit von der Kamera mehr oder weniger weit entfernt ist. Da moderne 3D-Kameras die Tiefe eines Gegenstandes im Bild erfassen können, wird jetzt eine genaue Längenmessung möglich. Beat Müller: „Entstanden ist eine Software, die mithilfe des maschinellen Sehens aus einem einzigen Foto oder Videostandbild eines 3D-Endoskops die Länge des gewundenen Darmabschnitts berechnen kann – das ist zum Beispiel wichtig, wenn man einen Teil des Darms entfernen will oder bei einer Bypass-Operation des Magens.“
Endoskope – unerlässlich auch bei der Notes-Technik
Einen anderen Trend in der Endoskopie sieht der Neurochirurg Prof. Dr. Uwe Spetzger vom Städtischen Klinikum Karlsruhe. „In der Endoskopie versucht man Eingriffe mit dem Trokar zu reduzieren und natürliche Öffnungen zu nutzen, denn dadurch reduziert man die Gefahr von Infektionen“, sagt er. Experten bezeichnen diesen Trend als Notes – Natural orifice transluminal endoscopic surgery (minimal-invasive Chirurgie über natürlich vorhandene Zugänge). Uwe Spetzger ist Chef der Klinik für Neurochirurgie und operiert dort seit geraumer Zeit zum Beispiel Tumore an der Schädelbasis über die Nase oder den Mund. Selbstverständlich ist dafür perfekt entwickeltes, technisches Equipment nötig; beispielsweise exakt steuerbare flexible Endoskope, mit denen der Chirurg zielsicher durch die engen Zugänge navigieren kann.
Flexible Endoskope werden heute mit beweglichen Spitzen angeboten, die der Chirurg in der Regel über Seilzüge in die richtige Richtung lenkt. Inzwischen arbeiten Forscher und auch die Industrie an Spitzen aus Memory-Metallen, vor allem der Legierung Nitinol. Solche Gedächtnismetalle merken sich ihre ursprüngliche Form. Man kann sie zusammenfalten und später durch einen Temperaturimpuls oder schwachen elektrischen Strom wieder aufklappen. Damit ließe sich ein Endoskop durch enge Öffnungen einführen und an Ort und Stelle entfalten. Ähnliche Ansätze gibt es für Spezialkunststoffe, Thermoplaste, die ihre Gestalt durch Wärmeeinfluss verändern können.
Endoskopie erobert kleinste Hohlräume – auch in der Wirbelsäule
Überhaupt erobert die Endoskopie inzwischen auch die kleinsten Hohlräume des Körpers, die lange unerreichbar waren. Bei Eingriffen an der Wirbelsäule etwa operieren Mediziner heute meist noch von außen. „Heute werden bei vielen Wirbelsäulenoperationen immer noch große chirurgische Zugänge verwendet. Es werden große Hautschnitte angelegt, die Rückenmuskulatur wird breitflächig freigelegt und durchtrennt“, sagt Uwe Spetzger.
Er kooperiert deshalb eng mit der Karlsruher Joimax GmbH, die darauf spezialisiert ist, sehr kleine und speziell für die minimal-invasive Wirbelsäulenchirurgie entwickelte Geräte herzustellen. Mit diesen „spinalen Endoskopen“ kann man auch die engen Spalte zwischen den Wirbeln erreichen.
Bei Operationen im Bauchraum, etwa am Darm, kommt es nicht immer auf den Millimeter an. Bei Engriffen an Nervenbahnen am Rückenmark oder im Gehirn aber ist äußerste Präzision gefragt. Kein Wunder also, dass Neurochirurgen wie Uwe Spetzger auf entsprechende Endoskope zurückgreifen.
Endoskopie mittels Kapsel
Uwe Spetzger erwartet für die Zukunft in der Endoskopie aber auch eine Innovation der ganz anderen Art – die Endoskopie mit Kamerakapseln für die Magen-Darmuntersuchung; miniaturisierte Kameras, die der Patient einfach schlucken kann. Solche Endoskope werden bereits industriell gefertigt und in Kliniken genutzt.
Auf ihrer Reise können sie den Verdauungstrakt von innen auf ganzer Länge fotografieren. Die Daten können in Echtzeit per Bluetooth übertragen oder in der Kapsel gespeichert werden. Das Problem: Bislang lassen sich die Kapseln kaum steuern – zum Beispiel um gezielt bestimmte Bereiche im Darm zu betrachten. Welcher Abschnitt der Darmwand gerade ins Bild kommt, ist damit dem Zufall überlassen. Ein weiterer Nachteil dieser Kapseln ist, dass sich damit bisher keine Gewebeproben entnehmen lassen.
Doch Abhilfe ist in Sicht: In Experimenten ist es bereits gelungen, die Ausrichtung der Kapsel über Magnetfelder von außen zu steuern. Zudem gibt es erste Kapsel-Prototypen, die mit kleinen Biopsie-Zangen ausgestattet sind. Die Endoskopie hält also auch nach 25 Jahren Forschung noch einige Überraschungen bereit.
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