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Was ist Dialyse – und wie sieht die Zukunft aus

Medizintechnik bei Nierenerkrankungen
Was ist Dialyse: Lebensrettendes Filtersystem

Wenn die Nieren versagen, käme das einem Todesurteil gleich – gäbe es nicht die lebensrettende Dialyse und die Medizintechnik dazu. Die Dialyse kann zeitweise viele Funktionen des Organs übernehmen, mit gewissen Nebenwirkungen. Zukünftig soll sie individueller und damit verträglicher, kleiner in der Apparatur und energieeffizienter werden.

Anke Biester
Fachjournalistin in Memmingen

Eine von ihnen ist ungefähr so groß wie eine Packung Papiertaschentücher. Die meisten Menschen haben zwei davon und ihre Aufgaben sind vielfältig: Die Nieren regulieren unter anderem den Wasserhaushalt des Körpers, den Blutdruck, den Säure-Basen-Haushalt, den Gehalt an gelösten Elektrolyten im Blut – und sie sorgen dafür, dass giftige sowie so genannte harnpflichtige Substanzen vom Körper ausgeschieden werden können.

Dazu fließen bei einem Erwachsenen täglich etwa 1800 l Blut durch die beiden bohnenförmigen Reinigungsorgane – das 300-fache des menschlichen Blutvolumens. Daraus filtern die Nieren täglich etwa 180 l Primärharn, der auf weniger als 2 l Urin konzentriert wird.

So ersetzt die Dialyse die Organfunktion der Nieren

Dass ein externes Gerät so komplexe Funktionen zum Großteil übernehmen kann, liegt auch daran, dass die Nieren vor allem Filterfunktionen erfüllen. Diese lassen sich über Osmose mit Hilfe einer semipermeablen Membran erreichen, also einer Membran, die nicht für alle Stoffe gleich durchlässig ist. So können zum Beispiel Harnstoff und Elektrolyte aus dem Blut herausdiffundieren, große Moleküle wie Eiweiße und Blutzellen werden zurückgehalten, umgekehrt können Elektrolyte und Medikamente hineindiffundieren.

Bei der klassischen extrakorporalen, also außerhalb des Körpers durchgeführten Dialyse, der so genannten Hämodialyse, besteht diese Membran aus biokompatiblem Material und bildet das Herzstück des Dialysegerätes. An ihr strömen Blut und Dialyselösung kontinuierlich in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbei. Einen gewissen Flüssigkeitsentzug schafft das Gerät durch Ultrafiltration mit Hilfe eines hydrostatischen Druckunterschieds.

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Über Shunts am Arm wird das Blut für die Hämodialyse aus dem Körper geleitet und nach der Reinigung zurückgeführt
(Bild: mailsonpignata /stock.adobe.com)

Für die etwa vier bis fünf Stunden dauernde Hämodialyse brauchen Betroffene einen stabilen Kreislauf und ein ausreichendes Blutvolumen. Schließlich wird ein Teil ihres Blutes über eine ihrer Arterien aus dem Körper herausgeleitet, gefiltert und dann über eine ihrer danebenliegenden Venen wieder zurückgeleitet. Dazu benötigen sie einen entsprechend guten arteriellen wie auch venösen Zugang in Form eines so genannten arteriovenösen Shunts. In der Regel ist dies ein so genannter Cimino-Shunt. Er wird operativ, meist am Unter- oder Oberarm angelegt.

Millionen Patienten nutzen die Dialyse weltweit

Der weltweite Markt für Dialyseprodukte und -dienstleistungen hatte im Jahr 2021 ein Volumen von etwa 79 Mrd. Euro. Kein Wunder, schließlich waren in diesem Jahr rund 4,7 Mio. Menschen mit chronischem Nierenversagen in Behandlung. Davon erhielten rund 3,8 Mio. eine Dialyse. In Deutschland wächst die Anzahl kommerzieller Dialysezentren, die zum Teil von Herstellern von Dialyseprodukten betrieben werden.

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An der Membran aus biokompatiblem Material strömen im Dialysegerät Blut und Dialyselösung kontinuierlich in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbei. Pro Hämodialyse fallen 6 bis 10 kW/h Strom und rund 200 l Wasser an
(Bild: pitchy/stock.adobe.com)

Daneben gibt es noch die im Körper durchgeführte, so genannte Peritoneal- oder Bauchfelldialyse. Denn auch das Bauchfell ist eine semipermeable Membran, über die eine Osmose stattfinden kann. Die Peritonealdialyse kann von einer Maschine gesteuert werden. Attraktiv wird sie vor allem, wenn sie manuell und von den Betroffenen zu Hause durchgeführt wird. Auch für sie braucht es einen verbleibenden Zugang, hier in Form eines Katheters in die Bauchhöhle. Über diesen wird die Dialyselösung in den Bauchraum gefüllt. Dort verbleibt sie in der Regel etwa vier bis sechs Stunden, damit die „Abfallstoffe“ aus dem Blut in die Dialyselösung diffundieren können. Danach wird die Lösung wieder abgelassen und durch eine frische ersetzt. Neben dem Vorteil, dieses Verfahren alleine, zu Hause durchführen zu können, ist es auch Kreislauf schonender und es gibt seltener Komplikationen.

Dialyse und Nachhaltigkeit

Pro Hämodialyse fallen 6 bis 10 kW/h Strom und rund 200 l Wasser an. In CO2 umgerechnet, sind das 6 bis 7 t pro Jahr, pro Patient. Das entspricht in etwa seinem privaten CO2-Verbrauch – womit dieser sich verdoppelt.

Das große Potenzial der „grünen“ Dialyse

Die Bauchfelldialyse oder Peritonealdialyse braucht hingegen keinen Strom, da sie die Schwerkraft nutzt. Sie verbraucht nur 10 l Wasser. Die Spüllösung kommt im Plastikbeutel und wird in den Bauchraum eingebracht und wieder daraus abgelassen. Ihr Gesamt-CO2-Fußabdruck liegt bei 1 bis 2 t CO2-Äquivalenten pro Jahr. Obwohl sie für 80 bis 90 % der Dialyse-Patienten in Betracht kommt, nutzen sie nur 8 %. Zum Vergleich: In Australien sind es 40 %.

B. Braun übernimmt Spezialisten für die Aufbereitung von Dialysekonzentraten

Zukunft der Dialyse

Um die Gefahr von Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen durch die Dialyse zu minimieren, entwickelt ein Start-up von Studierenden der FH Bielefeld eine softwaregesteuerte Anpassung der Dialyseflüssigkeit an die jeweiligen Blutwerte der Patienten. Die Kalium- und Calcium-Konzentration der Dialyseflüssigkeit lässt sich sogar während der Behandlung anpassen. Dadurch bleibt der Elektrolythaushalt der Betroffenen intakt und ihr Herz im Rhythmus.

Eine Idee Richtung tragbare künstliche Niere

Forscher in den USA entwickeln eine Dialyse, die den aus dem Blut zu entfernenden Harnstoff einfach mittels spezieller LED oxidiert. Das benötigt wenig bis kein Wasser, der Harnstoff wird quasi in situ beseitigt und es entstehen nur harmlose Stoffwechselprodukte. Das System soll 500 Mal effizienter sein als bisherige Oxidations-Dialysen und in einen Rollkoffer passen. Es liegt bereits als Prototyp vor.

Künstliche Niere – eine Perspektive?

Künstliche Niere implantieren? Das Ziel vom „The Kidney Project“ ist die Entwicklung eines voll implantierbaren Organs, das keine Immunsuppression und keine Antikoagulation erfordert. Erreicht wird dies durch eine miniaturisierte, permeable Silikonmembran. Durch das Silikon ist die Membran biologisch inert. Sie funktioniert allein mit dem Blutdruck, den das Herz aufbaut. Gleichzeitig trennt sie das Blut und damit das Immunsystem des Trägers vom zweiten Teil, dem Herzstück der Kunstniere, nämlich einem Bioreaktor mit humanen Tubuluszellen einer Niere. Diese dicken wie in einer echten Niere den zuvor filtrierten Primärharn ein und geben die Flüssigkeit und einiges andere wieder an die Zirkulation zurück – mit Ausnahme jener maximal 3 l, die als Urin über einen Schlauch an die Blase abgeleitet werden. Diese weltweit erste vollimplantierbare, künstliche Niere hat ihre Feuertaufe im Großtiermodell Schwein bereits bestanden.

www.nieren-navi.de
www.nierenstiftung.de

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