Implantate sollen in Deutschland künftig in einem Implantateregister des Bundesgesundheitsministeriums erfasst werden. Nachdem die Brustimplantate erfasst wurden, sind nun die Endoprothesen für Hüfte und Knie an der Reihe. Der ursprüngliche Zeitplan verschiebt sich jedoch. Dem hingegen startete das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) bereits vor zehn Jahren in seinen Probebetrieb. Auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) gemeinsam mit Kliniken, dem AOK-Bundesverband und dem Verband der Ersatzkassen (vdek) sowie dem Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) entstand so innerhalb kürzester Zeit Europas zweitgrößtes medizinisches Register für Hüft- und Knieendoprothetik – und das auf der Grundlage freiwilliger Datenlieferungen von heute 750 datenliefernden Kliniken.
Vorteile des EPRD ausschöpfen
Mehr als zwei Millionen Datensätze von gelenkersetzenden Operationen sind seit Beginn des EPRD analysiert und ausgewertet worden. Aus den Registerdaten lassen sich eine Vielzahl an Informationen gewinnen: Beispielsweise die Altersverteilung, das Geschlecht und Vorerkrankungen der Patienten sowie Gründe für Wechseloperationen und Haltbarkeit der Implantate. Darüber hinaus geben die Daten einen Einblick in die unterschiedlichen Versorgungsformen der Kliniken: Werden mehr Teil- oder Totalprothesen verwendet? Werden diese zementiert oder nicht zementiert? Und besonders wichtig: Durch das Register können Patienten im Falle eines Produktrückrufs DSGVO-konform rasch informiert werden.
Nach zehn Jahren: Vorhandener Datenschatz über Implantate
Prof. Bernd Kladny, DGOOC-Generalsekretär: „Wir haben mit dem EPRD etwas Einmaliges geschaffen und sind einen besonderen Weg gegangen: Während Endoprothetik-Register etwa in Skandinavien oder Australien staatlich organisiert sind und diese ihre Daten praktisch frei Haus geliefert bekommen, haben wir uns für ein freiwilliges Register entschieden. Mittlerweile decken wir mehr als 70 Prozent der endoprothetischen Versorgung in Deutschland ab. Das geht nur mit einem hohen Maß an Akzeptanz. Umso unverständlicher ist es für uns, dass auf unsere Erfahrungen sowie auch auf unseren Datenschatz bei einem neu zu gründenden Implantateregister Deutschland nicht zurückgegriffen werden soll. Die Politik unterschätzt den Aufwand und die dafür notwendige Expertise, ein Register für Knie- und Hüftendoprothesen sinnvoll zum Laufen zu bringen.“
Hohe Anforderungen an die klinische Datenverarbeitung
EPRD-Geschäftsführer Dr. Andreas Hey: „Mit dem EPRD haben wir gezeigt, wie Digitalisierung im Gesundheitswesen geht, während andere bedeutende Vorhaben seit mehr als fünfzehn Jahren nicht vorankommen. Wir sind Experten beim Aufbau und Betrieb von Vertrauensstellen. Die vom EPRD selbst entwickelte EPRD-Vertrauensstelle ermöglicht als Datentreuhänder eine technisch und organisatorisch getrennte Verarbeitung von Patienten- und Patientinnen-Identitäten und von klinischen Daten. Nur so kann den hohen Datenschutzanforderungen in der klinischen Datenverarbeitung entsprochen werden. Die Vertrauensstelle bildet damit auch die Grundlage klinikübergreifender Forschungsarbeit.“
Schnelle Lösung für Register für Implantate
„Wir haben mit dem EPRD ein hervorragend funktionierendes Register. Der Gesetzgeber könnte die Aufgaben des gesetzlichen Implantateregisters zumindest für einen Übergangs-Zeitraum von beispielsweise fünf Jahren auf das EPRD übertragen. Diese Form der Beleihung, also der Übertragung hoheitlicher Aufgaben, ist keineswegs unüblich. Statt den Start des gesetzlichen Implantateregisters Jahr für Jahr aufzuschieben und die Entwicklung von Registern für weitere Medizinprodukte neben den Brustimplantaten ins nächste Jahrzehnt zu verlegen, braucht es eine schnelle und pragmatische Lösung“, sagt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Erfolgsgeschichte EPRD weiter fortschreiben
BVMed-Vorstandsmitglied Marc D. Michel: „Das EPRD ist eine gemeinsame Erfolgsgeschichte von Ärzten, Krankenkassen und Herstellern. Wir haben dadurch eine hervorragende Datenbasis, um die Qualität des Versorgungsprozesses und der Implantate beurteilen zu können. Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend für den dauerhaften Erfolg des Registers. Denn es geht um Langzeitdaten. Und es geht um den Medtech-Standort Deutschland. Den Herstellern müssen die umfassenden Registerergebnisse zur Verfügung gestellt werden, um die unter den Bedingungen der neuen EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) vorhandene Pflicht nach klinischen Daten umfassend erfüllen zu können. Aber auch das Auffinden von Innovationspotentialen aus Registerdaten steht für die BVMed-Unternehmen besonders im Fokus. Deshalb muss die Erfolgsgeschichte des EPRD fortgeschrieben werden.“
www.bundesgesundheitsministerium.de/implantateregister-deutschland.html