Seien Sie nicht überrascht, wenn Sie Pillen mit ungewöhnlichen Formen sehen. Sie sehen lustig aus, aber sie können Arzneimittel im Körper kontrolliert freisetzen. Eine Gruppe von Informatikern des Max-Planck-Instituts für Informatik in Saarbrücken und der University of California in Davis hat das Verfahren entwickelt, bei dem die Form für die zeitgesteuerte Wirkstofffreisetzung sorgt. In dem von Dr. Vahid Babaei (MPI für Informatik) und Prof. Julian Panetta (UC Davis) geleiteten Projekt kombinieren die Forschenden geschickt mathematische Modellierung, experimentellen Aufbau und 3D-Druck. Dadurch können sie nun 3D-Formen drucken, die beim Auflösen eine zeitlich festgelegte Menge an Medikamenten abgeben. Auf diese Weise lassen sich nicht nur per Tropf, sondern auch bei der oralen Verabreichung vorbestimmte Wirkstoffkonzentrationen einstellen.
3D-Druck macht perfekte Form möglich
Da nach der Einnahme im Verdauungstrakt keine äußere Beeinflussung mehr möglich ist, muss die gewünschte zeitabhängige Wirkstofffreisetzung durch die Form des Probekörpers erzeugt werden. Diese hängt von der aktiven Oberfläche ab, die sich auflöst. Dazu berechneten die Forschenden die zeitabhängige Freisetzung aus einer gegebenen geometrischen Form. Für eine Kugel beispielsweise ist sie streng proportional zur abnehmenden Kugeloberfläche.
Additiv gefertigte Zahnimplantate mit exakt passender Struktur
Das Forscherteam nutzte zur Formfindung die so genannte Topologieoptimierung (TO): Dabei werden Vorwärtssimulationen invertiert, um eine Form zu finden, die eine bestimmte Eigenschaft aufweist.
Ursprünglich für mechanische Bauteile entwickelt, hat die TO inzwischen ein breites Anwendungsspektrum gefunden. Die Arbeitsgruppe ist die erste, die eine inverse Designstrategie vorschlägt, um die Form aus dem Freisetzungsverhalten auf der Grundlage der Topologieoptimierung zu finden. Die Auflösung validierten sie mit Hilfe von Experimenten: Die gemessenen Freisetzungskurven liegen sehr nahe an den gewünschten Werten.
Inverses Design führt bei Pille per 3D-Druck zum Erfolg
Im Versuchsaufbau druckten die Forschenden die Objekte mit einem Filament-3D-Drucker. Die Auflösung dieser 3D-Pillen werteten sie dann mit einem Kamerasystem aus. Das heißt, die Auflösung wurde nicht nur durch ein mathematisches Modell berechnet, sondern tatsächlich gemessen.
Dazu erfassten die Forschenden die optische Durchlässigkeit des Lösungsmittels optisch. Im Gegensatz zu üblichen Messverfahren, bei denen die Wirkstoffkonzentration direkt bestimmt wird (beispielsweise durch Titration), ist diese Methode wesentlich schneller und einfacher einzurichten.
Die Methode des inversen Designs kann auch die unterschiedlichen Beschränkungen der Herstellbarkeit durch verschiedene Fertigungssysteme berücksichtigen. Sie kann beispielsweise so modifiziert werden, dass sie extrudierbare Formen erzeugt und somit einer Massenproduktion nichts im Wege steht. Über die diskutierte Anwendung in der Pharmazie hinaus sind damit auch die Herstellung von Katalysatorkörpern oder sogar grobkörnigen Düngemitteln denkbar.
Kontakt:
Max-Planck-Institut für Informatik
Vahid Babaei
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