Die Körperhaltung ständig zu verändern, ist für den menschlichen Bewegungsapparat zentral. Und doch müssen Patienten für Röntgen-, Computertomographie (CT)- und Magnetresonanztomographie (MRT)-Aufnahmen stillstehen oder -liegen. „Das ‘Bitte nicht bewegen!’ in der medizinischen Bildgebung erschwert aber die Diagnostik vieler Erkrankungen des Bewegungsapparats“, erklärt Johannes Heverhagen vom Inselspital, Universitätsspital Bern. Als Beispiele nennt er Bewegungsschmerzen in der Schulter, im Rücken oder bei Arthrose im Knie. „Wenn wir die Aufnahmen machen könnten, während der Patient sich bewegt, könnten wir Erkrankungen besser erkennen, die bisher nur sehr schwer zu entdecken sind.“
Feinste Gleitbewegungen im Gelenk röntgen
Deshalb etablierte Heverhagen gemeinsam mit seinen Kollegen Klaus Siebenrock und Keivan Daneshvar vom Inselspital, Universitätsspital Bern, in enger Zusammenarbeit mit Ameet Aiyangar von der Empa in Dübendorf und dem Sitem-Insel das „Dynamic Imaging Center“ (DIC).
Probanden bewegen sich hier entweder auf einem Laufband, das mit Kraftsensoren ausgestattet ist, oder auf Kraftmessplatten. Ihre Bewegungen werden von 16 Infrarot-Bewegungserfassungskameras sowie mit Röntgenstrahlen und einem Muskel-Elektrogramm (EMG) aufgezeichnet.
Herzstück der bewegten Röntgen-Untersuchung: ein Hochgeschwindigkeitsbildgebungssystem
Das Herzstück des neuen Labors ist ein einzigartiges, dynamisches Röntgen-basiertes Hochgeschwindigkeitsbildgebungssystem, das als „Dynamic Biplane Radiographic Imaging“ (DBRI) bezeichnet wird. „Das DBRI kann bis zu 1000 Röntgenbilder pro Sekunde in zwei verschiedenen Ebenen aufnehmen, und das noch dazu mit sehr niedrigen Strahlungsdosen“, erklärt Empa-Forscher Ameet Aiyangar. „So können wir die Bewegungen auf den Submillimeter genau messen und auch feinste Roll- und Gleitbewegungen im Gelenk feststellen.“
Aktive orthopädische Implantate sprechen künftig mit dem Arzt
Die bewegten Röntgenbilder sollen dreidimensionale Bilder aus MRI- und CT-Geräten nicht ersetzen, sondern ergänzen. Durch alle Aufnahmen zusammen entsteht so ein umfassendes Bild der Situation im Knochen oder im Gelenk nicht nur in Ruhe, sondern auch in Bewegung. Vor allem bei Erkrankungen der Gelenke wie Arthrose und Gelenkinstabilität sind solche Aufnahmen äußerst wertvoll. Aber auch bei Rückenschmerzen können sie bei der Diagnose helfen und bessere Behandlungen ermöglichen.
Hersteller können Implantate im Einsatz röntgen
Die alltägliche Anwendung der neuen Technik im Spital ist nicht das einzige Ziel des DIC am Sitem-Insel. Dank der neuen Laboreinheit soll auch die Erforschung von degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates wie Arthrose gestärkt werden.
Künstliche Hüfte: Implantate sind sicher – und das Register verrät noch mehr
Langfristig streben die Verantwortlichen eine Zusammenarbeit mit Herstellern von künstlichen Gelenken und anderen orthopädischen Implantaten an. Jene könnten neu entwickelte Implantate in der Forschungseinrichtung direkt im Einsatz während der Bewegung ausprobieren.