Der Mainzer Sportmediziner Prof. Perikles Simon warnt vor überzogenen Prognosen der Fall- und Todeszahlen infolge der aktuellen Corona-Pandemie. Die Exponentialrechnungen, die den Vorhersagen zugrunde liegen, seien mit einem gewaltigen Manko behaftet. „Wenn man sich bei den Eingangsbedingungen, mit denen die Formeln gespeist werden, ein bisschen irrt, enthält die Rechnung einen sich exponentiell fortpflanzenden Fehler“, so Simon.
Er reagiert mit dieser Stellungnahme auf Veröffentlichungen von Epidemiologen des Imperial College London zur Covid-19-Pandemie. Demnach würden in Großbritannien und den USA die Gesundheitssysteme zusammenbrechen und in den USA über zwei Millionen Menschen sterben, wenn nichts unternommen wird und sich das Virus unkontrolliert ausbreitet.
Sterberate als Ausgangspunkt für den Bedarf
Simon schlägt stattdessen vor, lineare Berechnungen mit einer relativ geringen Fehlerfortpflanzung vorzunehmen. Dabei könnte nach seiner Auffassung die in Deutschland ermittelte Sterberate in Höhe von 0,2 % der als infiziert Gemeldeten angesetzt werden, auch wenn sie mit Vorsicht zu verwenden sei, da die tatsächliche Rate sowohl höher als auch niedriger liegen könnte.
Außerdem schlägt der Wissenschaftler vor, einen Blick auf andere Länder zu werfen, die im Prozess der Pandemie weiter fortgeschritten sind und ein hervorragendes Melderegister haben wie etwa Südkorea. „Die Quote scheint vom Anfang bis zum sich anbahnenden Ende dieser ersten Epidemiewelle überraschend konstant zu bleiben“, so der Mediziner. Diese Konstanz sei daher ein guter Ausgangspunkt für mögliche Modellrechnungen.
Robuste Berechnung der Pandemie
Unter diesen Prämissen lässt sich nach Auffassung von Simon eine Rechnung aufstellen, die vom Ende ausgeht und mit der der Bedarf an Intensivbetten ermittelt werden kann: Bei einer Sterberate von angenommen 0,2 % wird davon ausgegangen, dass doppelt so viele Corona-Infizierte zuvor intensivmedizinisch betreut wurden. „Aber auch wenn die Rate von 0,2 Prozent nicht exakt stimmt und es stattdessen 0,4 Prozent oder gar 4 Prozent wären, würde sich der Fehler linear entwickeln. Das ist unglaublich viel präziser, als die exponentielle Hochrechnung der Kollegen vom Imperial College.“
Anhand von Simulationen errechnet Simon für Deutschland für den Fall, das überhaupt nicht erfolgreich interveniert wird, einen Maximalbedarf an Intensivbetten von rund 30 000. Das wäre, wenn auch bei äußerster Kraftanstrengung der Pfleger sowie Ärzte in den Krankenhäusern in Deutschland, noch machbar.
Simon ruft zur Mithilfe auf, um den Bedarf zu senken. Außerdem müssten die Daten so genau wie möglich erfasst werden: „Wir müssen die Sterberate genauer kennen, wir müssen wachsam beobachten, wie viele Menschen in den Krankenhäusern an Covid-19 versterben und zwar schnell, damit unsere Politiker genauere Zahlen haben, um entscheiden zu können.“
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