Extrem kurzgepulste Laser für Multiphotonen-Anwendungen sowie das Zubehör nennt Professor H.-Peter Berlien als wichtigste Entwicklungsgebiete in der Lasermedizin. Zudem wünscht er sich aktive Schutzvorrichtungen.
Herr Professor Berlien, warum ist der Laser für Sie etwas Spezielles?
Bei seiner Erfindung vor fast 50 Jahren war der Laser etwas ganz Neues. So etwas gab es vorher nie. Erstmals wurde eine Energiequelle systematisch analysiert und erforscht. Das bot die Chance, grundlegende Fragen zu klären, etwa: Was können wir damit machen, wie können wir die Laserquelle modifizieren? Der Laser ist für mich daher ein Türöffner. Er hat in allen Bereichen Grenzen überschritten und gezeigt, dass etwas geht, woran sich andere vorher nicht getraut haben. Es ist aber auch völlig normal, dass dann auch andere Techniken zum Einsatz kommen und nicht nur die Superwunderwaffe Laser.
Erwarten Sie viele Neuentwicklungen?
Es ist fast ernüchternd zu sehen, dass die Altvorderen so genial waren, dass sie fast alle Möglichkeiten des Lasereinsatzes schon vorhergesehen haben. Die vielgepriesenen, ständigen Weltneuheiten auf dem Gebiet sind also gar nicht wirklich neu, sondern einfach Verbesserungen alter Ideen. Zu diesen Pionieren gehörte Leon Goldman, der als einer der ersten den Rubinlaser zur Operation von Melanomen einsetzte. Ein weiterer Vorreiter war Isaac Kaplan, ein israelischer Mediziner, der maßgeblich den Einsatz des CO2-Lasers in der Dermatologie vorantrieb und Mitgründer der Firma Sharplan Laser ist. Diese setzte über 20 Jahre hinweg Qualitätsstandards, die bis heute gelten.
Welche Erfindung hat dem Laser zu seinem heute sehr breiten Einsatzspektrum in der Medizin verholfen?
Seinen Siegeszug in der Gesamtmedizin trat der Laser erst an, als es gelang, sein Licht per Glasfaser ins Körperinnere zu leiten und damit für endoskopische Anwendungen nutzbar zu machen.
Was tut sich auf dem Gebiet der Multiphotonen-Anwendungen?
Das Gebiet der extrem kurz gepulsten Laser erfährt gerade eine neue Blüte, durch die von Ursula Keller an der ETH Zürich erfundenen hochpräzisen Lasersteuerungen. Sie macht die extrem kurzen Pulse erst nutzbar und nicht nur in der Medizin.
Wie funktionieren diese Systeme?
Im Prinzip geht es darum, einzelne Photonen weiter ins Gewebe eindringen zu lassen, was nur mit niederenergetischen Photonen funktioniert. Für das, was die Teilchen dort aber anrichten, ist ihre Energie ausschlaggebend. Lässt man mehrere Photonen genau gleichzeitig auf ein Molekül treffen, addieren sich ihre Energien. Aus der Energie von zwei Photonen im nahen Infrarotbereich wird so die Energie von einem Blaulichtphoton mit entsprechender Wirkung. Dieses Aufsummieren gelingt aber nur, wenn beide Photonen wirklich innerhalb einer Femtosekunde aufeinander treffen. Auch hier gilt wieder: Die Idee ist nicht neu, war aber bisher technisch einfach nicht machbar.
Gibt es andere wichtige Entwicklungen?
Ein neues Gebiet, das sich durch Fortschritte in einer Sekundärtechnik – der Computertechnologie – auftut, ist die Operation im offenen MRT mit virtueller Endoskopie. Die offenen MRTs waren lange so lahme Enten, dass sie sich aufgrund des langsamen Bildaufbaus nicht für Operationen eigneten. Jetzt liefert der Computer das Bild nahezu online. So kommen die ganzen alten Technologien wieder zum Einsatz, denn im MRT kann man nur mit Glasfasern operieren, nicht mit Strom. Dazu läuft gerade hier an der Charité mit Geldern des BMBF ein neues Projekt an.
Gibt es einen Bereich der Laserentwicklung, den Sie für besonders vielversprechend halten?
Ich sehe eine Riesenzukunft für den Faserlaser. Die Entwicklung halte ich für viel wichtiger als die Diodenlaser. Beide haben eine ähnliche Leistung im Infrarotbereich und ähnliche Wellenlängen, aber eine unterschiedliche Strahlqualität. Bei einem Diodenlaser erhält man meines Erachtens nicht den nötigen, sauber gebündelten Strahl. Der Faserlaser verfügt dagegen über eine sehr gute Strahlqualität, die an Festköperlaser herankommt, und ermöglicht es uns, ganz neue Wellenlängen im mittleren Infrarotbereich herzustellen. Mit ihm können wir auch Pulse und Pulsformen herstellen, die wir so noch nie hatten. Und er hat einen ebenso guten Wirkungsgrad wie Diodenlaser, so dass sich damit kleinere und leichtere Geräte bauen lassen.
Was wünschen Sie sich für Weiterentwicklungen?
Viele Entwicklungen haben eine überzogene Qualität. Ich persönlich bin beispielsweise kein großer Freund menügeführter Systeme. Daher hoffe ich bei Neuentwicklungen darauf, weiterhin Einzeleinstellungen des Lasers wählen zu können und nicht mein Gehirn ausschalten zu müssen. Ich hoffe, die Hersteller kommen mal wieder auf die Basis zurück.
Weitere Anregungen an die Hersteller?
Ich würde mir wünschen, dass die teilweise überzogenen Sicherheitsvorschriften gelockert werden. Die waren meiner Meinung nach in den 80er Jahren eines der Haupthemmnisse für den Siegeszug der Laser im OP. Ja, ein Laser ist gefährlich, wenn er ins Auge geht. Das ist sicherlich der Supergau des Laserunfalls. Aber man sollte seine Gefährlichkeit nicht überstrapazieren. Wünschenswert wäre dazu weitere Forschung in Richtung aktiver Sicherheitssysteme, die die Wahrscheinlichkeit einer Augenverletzung technisch so weit reduzieren, dass man die Leute im OP nicht mehr verkleiden muss.
Welcher Bereich bedarf noch der Neuerungen?
Der Zubehörbereich. Das Grundgerät ist ja nur ein Teil des Gesamtkonzeptes. Wichtig wäre die Weiterentwicklung in Richtung handhabbarer, leichter, einfacher.
Noch ein Wunsch?
Ja, an die Politik. Es ist ja gut und richtig, Qualität auf den Markt zu bringen. Ich würde mir aber wünschen, dass die Politik wirklich mal schaut, ob eine kleine Firma für eine kleine Verbesserung an einem Produkt wirklich eine aufwändige Zulassung durchlaufen muss.
Für Sie ist der konstruktive Einsatz von Lasern ein interessantes Thema.
Ja. Ich glaube, dass es zwischen Sehen und Zerstören noch etwas geben muss. Doch aufgrund des Verhaltens von Vertretern der Softlaser und Biostimulation war seriöse, kritische Forschungsarbeit in diesem Bereich seit Mitte der 60er Jahre praktisch unmöglich.
Monika Corban Fachjournalistin in Rheinfelden
Weitere Informationen E-Mail: lasermed@elisabeth-klinik-berlin.de Deutsche Gesellschaft für Lasermedizin www.dglm.org
Nichtlineare Fluoreszenztomographie
Der Forschungsverbund FluoTOM – Nichtlineare Fluoreszenztomographie entwickelt ein neuartiges Diagnosesystem für Tumore, das ohne chirurgische Eingriffe, radiologische Belastung oder Marker auskommen soll. Es handelt sich um eine Scannertechnologie, die dem Arzt durch Kombination von Bild- mit 2P-Fluoreszenzdaten in Echtzeit Informationen liefert, um den Tumor schnell und genau hinsichtlich der Ausdehnung, Position und Aggressivität bewerten zu können. Patienten und Gesundheitssystem würden durch den Einsatz der neuen Technologie spürbar entlastet, so die Forscher, denn sie vermeide bisher notwendige Verdachtsbiopsien und reduziere Zahl und Schwere der erforderlichen operativen Eingriffe. Die Technologie soll zunächst im Bereich der Haut Anwendung finden, etwa beim weißen Hautkrebs, später jedoch auch für endoskopische Untersuchungen zugeschnitten werden.
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