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„Zusätzliche Maßnahmen sind dringend erforderlich“

Werkstoff Kupfer: Wirkungsvolle Unterstützung gegen Keime
„Zusätzliche Maßnahmen sind dringend erforderlich“

Türklinken aus Kupfer reduzieren die Zahl der Bakterien auf ihnen um ein Drittel. Eine wirksame Unterstützung im Kampf gegen Keime, der allein mit Antibiotika und Hygienemaßnahmen nicht zu gewinnen sei, meint Prof. Jörg Braun.

Professor Braun, wie lässt sich das Ergebnis des Feldversuchs in der Asklepios-Klinik Wandsbek zu Türgriffen aus Kupfer zusammenfassen?

Auf den mit Kupferklinken ausgestatteten Stationen gab es im Untersuchungszeitraum einen erfreulichen Trend hin zu niedrigeren Infektionsraten bei unseren Patienten – was allerdings in größeren Studien noch genauer untersucht werden muss. Insbesondere Türgriffe aus Kupfer sind ein wirksames zusätzliches Mittel, um die Verbreitung von gefährlichen Keimen in Krankenhäusern zu stoppen. Unter Alltagsbedingungen konnten wir nachweisen, dass sich die Zahl der Antibiotika- resistenten Bakterien um ein Drittel reduzieren ließ. Außerdem konnten wir zeigen, dass auch die Wiederbesiedelung gereinigter Kupfergriffe deutlich langsamer erfolgt.
Warum bezeichnen Sie Türgriffe aus Kupfer als ein zusätzliches Mittel?
Bislang können wir die Verbreitung von Bakterien vor allem mit zwei Methoden hemmen – durch den verstärkten Einsatz von Antibiotika und Hygienemaßnahmen. Bei beiden stoßen wir aber an Grenzen. Einerseits werden bestimmte Bakterien resistent gegen Antibiotika – etwa MRSA –; andererseits desinfiziert sich schon heute gutes Pflegepersonal rund 100 Mal am Tag die Hände – hier haben wir bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Zusätzliche Maßnahmen wie antimikrobiell wirkende Türgriffe aus Kupfer sind also dringend erforderlich. Denn durch den medizinischen Fortschritt – etwa aggressive Chemotherapien oder Eingriffe in das Immunsystem – wird die Zahl chronischer Patienten und mit ihr die Keimbelastung weiter steigen. Es handelt sich also nicht um ein Hygieneproblem, sondern um den Preis, den wir für den Fortschritt bezahlen müssen. Umso wichtiger ist es, darüber zu sprechen und nach zusätzlichen Methoden zu suchen, der Verbreitung von Keimen Einhalt zu gebieten.
Warum und bei welchen Keimen wirkt Kupfer?
Wir vermuten, dass für den antimikrobiellen Effekt die Freisetzung von Sauerstoff-Radikalen verantwortlich ist – eines der ältesten Wirkprinzipien überhaupt, der Körper selbst nutzt dies genauso wie Tabletten zur Gebissreinigung. Dagegen können sich Bakterien offensichtlich nicht wehren. Schwerer zu erfassen ist die Wirkung auf Viren, da hier die Probenentnahme ein Problem ist. Wir haben deshalb im Versuchszeitraum die Anzahl der übertragbaren Virusinfektionen gemessen, statistisch relevant sind die Ergebnisse aber noch nicht. Immerhin waren es gegenüber 17 nachgewiesenen Infektionen auf den Vergleichsstationen nur zwölf auf denen mit Kupfergriffen – ein Trend ist also zu erkennen. Deswegen wollen wir jetzt weitere Stationen mit entsprechenden Griffen ausstatten, um solche Fragen beantworten zu können. Bei Pilzen schließlich dürfte eher die Übertragung der Sporen über die Atemwege eine Rolle spielen, insbesondere bei abwehrgeschwächten Patienten. Insofern lässt sich zusammenfassen: Kupfergriffe wirken bei Bakterien sicher, bei Viren möglicherweise, und bei Pilzen wissen wir es nicht.
Die antimikrobielle Wirkung von Kupfer nutzt der Mensch ja schon länger. Was zeichnet Ihren Versuch aus?
Insbesondere an öffentlichen Gebäuden ist der Kupferanteil der Legierung geringer, was den Vorteil hat, dass diese nicht anläuft. Und Kupferklinken gab es zuvor in Krankenhäusern meines Wissens nach noch nicht. Zudem waren uns massive Klinken wichtig, weil wir auf keinen Fall nur Beschichtungen testen wollten. Diese können sich im Laufe der Zeit ablösen, dann geht die Schutzwirkung verloren. Bei uns dürfen die Klinken deswegen auch durchaus anlaufen, denn gerade die Oxidation setzt ja die Sauerstoff-Radikale frei. Das sieht dann zwar nicht mehr ganz so hübsch aus, wirkt aber – und darauf kommt es an. Das verwendete Material läuft aber nicht grün an, wie etwa an Kirchturmdächern.
Könnten Sie sich neben Kupfer andere Materialien vorstellen, die ähnlich wirken?
Vermuten könnte man, dass Silber ähnlich wirkt. Glücklicherweise – bezüglich der Kosten – wirkt Silber aber nur als Ion in flüssigen Medien. Viele Hinweise gibt es darüber hinaus bezüglich der Wirksamkeit von Nanopartikeln, die die Oberflächeneigenschaften verändern können. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass dieses ein neues Wirkprinzip ist. Insbesondere dessen Nebenwirkungen kennen wir noch nicht, etwa hinsichtlich Krebserkrankungen. Erfahrungen mit Kupfer besitzen wir dagegen schon seit einigen tausend Jahren. Hier wird es sicherlich zu einem Wettbewerb kommen, aber entscheidend wird sein, auch mögliche Nebenwirkungen einzubeziehen.
Wo ließe sich denn Kupfer noch sinnvoll einsetzen?
Insbesondere da, wo sich etwas schlecht desinfizieren lässt. Ein Beispiel sind etwa Stethoskope, die sich auch mit einer Kupfermembran ausstatten lassen. Diese überträgt Schall wohl ebenfalls gut. Ich selbst bin auf der Suche nach solch einem Stethoskop.
Ist das Desinfizieren denn ein Problem?
Ganz klar, und meiner Ansicht nach ist das Medizinproduktegesetz hier lückenhaft. Zwar müssen sich natürlich chirurgische Instrumente desinfizieren lassen, aber auch bei einem EKG-Gerät sollte dies möglich sein. Solange die Hersteller hierzu nicht verpflichtet sind, ist dies bei vielen Produkten ein Problem, die patientennah eingesetzt werden. Weitere Beispiele sind auch die Saugelektroden des EKG oder Pulsoximeter, mit denen sich die Sauerstoffsättigung des Blutes messen lässt.
Problematisch sind dann wohl auch Tastaturen?
Diese sind bislang nicht desinfizierbar. Es gibt zwar Entwicklungen mit Folien, doch diese lassen sich nur schwer bedienen. Doch auch hier muss etwas passieren.
Können Sie uns abschließend noch sagen, wie hoch die Kosten einer Umstellung auf Kupfergriffe sind?
Wir haben das für Wandsbek einmal durchgerechnet und kamen auf 150 000 bis 200 000 Euro für rund 840 Griffe inklusive Austausch. Dies zeigt auch, dass es sich insbesondere bei Neubauten lohnt, direkt Türgriffe aus Kupfer einzuplanen. Hinzu kommt, dass solche massive Kupferklinken bislang noch nicht auf dem Markt sind. Deswegen arbeiten wir an dieser Stelle mit dem Kupferinstitut zusammen. Werden solche Griffe in Serie produziert, sind sie sicher günstiger. Zu beachten ist aber, dass sich unsere Ergebnisse nicht gleichermaßen auf andere Legierungen übertragen lassen. Die keimtötende Wirkung muss also abhängig vom Werkstoff nachgewiesen werden.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

Hintergrund: Kupfer gegen Keime
In der Asklepios-Klinik Wandsbek wurden zwei Krankenhausstationen mit Türgriffen und Türplatten aus der Kupfer-Speziallegierung CuZn21Si3 sowie Lichtschaltern aus CuZn23Al3Co ausgestattet, während benachbarte Bereiche weiter ihre Griffe und Schalter aus Aluminium, Edelstahl oder Kunststoff behielten. Die beiden Materialien hatten sich in Vortests als die bislang besten erwiesen, viele weitere stecken aber noch in der Evaluierungsphase. Unabhängige Wissenschaftler der Universität Halle-Wittenberg nahmen dann während des sechsmonatigen Versuchs zwischen Sommer 2008 und Winter 2008/2009 regelmäßig Proben, um die Anzahl der Keime auf den verschiedenen Kontaktflächen zu vergleichen. Ziel war es, herauszufinden, ob sich die Ergebnisse aus dem Labor unter Alltagsbedingungen überhaupt nachweisen lassen. Im Labor wurden Bakterien nahezu vollständig abgetötet, im Feldversuch immerhin zu einem Drittel – was die Erwartungen der beteiligten Forscher übertraf.

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