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„Wir sehen eine Blutdrucksenkung um 30 bis 40 Millimeter Hg“

Technik ergänzt Medikamente: Überaktive Nierennerven mit Hochfrequenzablation ausschalten
„Wir sehen eine Blutdrucksenkung um 30 bis 40 Millimeter Hg“

Rund 60 Minuten dauert ein Eingriff, der Patienten mit schwerem Bluthochdruck helfen kann. Das soll die internationale Simplicity-HTN-2-Studie zeigen. Als eines von drei deutschen Zentren ist ein Team der Uniklinik des Saarlandes beteiligt.

Dr. Mahfoud, welchen Patienten kommt die neue Therapie zugute?

Patienten, die eine therapierefraktäre arterielle Hypertonie haben. Das heißt, dass sich bei ihnen selbst unter drei antihypertensiven Medikamenten der Blutdruck nicht unter 160 mm Hg bringen lässt. Ursache ist meist ein überaktives Stressnervensystem. Dieses führt dazu, dass der Blutdruck krisenartig ansteigt und nicht kontrollierbar ist.
Gibt es Zahlen dazu, wieviele Bluthochdruck-Patienten davon betroffen sind?
Das ist schwer, da es sich um eine sehr schlecht untersuchte Patientengruppe handelt. Die Prävalenz der Patienten mit nicht einstellbarer Hypertonie liegt bei 10 bis 30 Prozent.
Wieso hilft in diesem Fall die Ausschaltung überaktiver Nierennerven?
Wir wissen, dass die maßgeblich an der Blutdruckregulation beteiligten vegetativen Nervenfasern zur Niere ziehen und dort ihre Wirkung entfalten. Bis in die späten 50er Jahre hat man in einem operativen Eingriff diese Nierennerven an der Niere durchtrennt. Das hatte eine hohe Blutdrucksenkung zur Folge. Allerdings war dazu eine große Operation nötig, die viele Nebenwirkungen verursacht hat.
Wer hat das Therapieverfahren dann wieder aufgegriffen?
Eine Gruppe pfiffiger US-Amerikaner hat sich vor einigen Jahren überlegt, wie man das interventionell, also ohne Operation hinbekommen könnte. Sie gründeten die Start-up-Firma Ardian in Palo Alto und entwickelten den Simplicity-Katheter und -Generator.
Was ist neu an dem Verfahren?
Das ganze Verfahren! Der Ablationskatheter trägt vorne an der Spitze eine Elektrode, über die Hochfrequenzstrom abgegeben werden kann. Dieser erhitzt das Gefäß, doch durch den hohen Blutfluss intraluminar — 25 Prozent unseres Herzminutenvolumens gehen in die Nieren — wird das Gefäß innen gekühlt und erhitzt sich nur außen. Die Folge ist, dass die Nervenfasern auf der Außenseite des Gefäßes verödet werden. Dieses Veröden führen wir zirkulär, spiralförmig über das ganze Gefäß verteilt, durch. So wollen wir fibrotische Veränderungen und damit letztlich eine Stenose am Gefäß vermeiden. Zudem legen sich die Nervenfasern wie ein Netz mit unterschiedlicher Dichte um das Gefäß. Um eine möglichst hohe Erfolgsquote mit maximaler Sicherheit zu erhalten, bietet sich die spiralförmige Verödung an.
Als wie erfolgreich hat sich die Therapie im Rahmen der Studie erwiesen?
Nach dem Eingriff fühlen sich die Patienten subjektiv besser. Viel wichtiger sind aber natürlich die messbaren Parameter. Da sehen wir eine Blutdrucksenkung um 30 bis 40 mm Hg und eine Ansprechrate auf den Eingriff von 90 bis 95 Prozent. Da wir wissen, dass kardiovaskuläre Morbidität und Sterblichkeit eine lineare Beziehung zum Blutdruck haben, ist der langfristige Nutzen dieses Eingriffs natürlich immens. Allerdings lässt sich das in Zahlen sehr schwer erfassen. Wir sehen bei den Patienten auch, dass sich andere Sachen verbessern. Die Methode wirkt sich zum Beispiel positiv auf Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus aus.
Bieten sich daher auch andere Einsatzgebiete für diese Therapie an?
Man kann sich überlegen, sie bei den Krankheiten anzuwenden, bei denen ein überaktives Stressnervensystem zur Progression der Erkankung maßgeblich beiträgt. Das könnten etwa Patienten mit Herzinsuffizienz sein. Wir wissen auch, dass Patienten mit metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus häufig ein überaktives Stressnervensystem haben, ebenso Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz.
Wie groß ist das Risiko für die Patienten?
Es handelt sich um eine einstündige Intervention, für die eine Leistengefäßpunktion notwendig ist. Die Patienten können aber am nächsten Tag aufstehen und zügig das Krankenhaus verlassen. Die Risiken des Eingriffs sind absolut vertretbar. Wir wissen jetzt nach inzwischen rund 250 behandelten Patienten, dass an der Niere selbst keine Komplikationen auftreten, die direkt mit der Hochfrequenzstromabgabe zu tun haben. Langzeit-Daten, die über 18 Monate hinaus gehen, liegen jedoch noch nicht vor.
Wie sieht das Studiendesign aus?
Es handelt sich um eine randomisierte Studie. Patienten aus der Kontrollgruppe, die zunächst konservativ, also medikamentös, behandelt werden, können nach 6 Monaten in die Behandlungsgruppe wechseln und den Eingriff durchführen lassen. Die primären und sekundären Endpunkte der Studie werden 6 Monate nach Einschluss verglichen. Ich gehe davon aus, dass die Ergebnisse in etwa einem Jahr veröffentlicht werden.
Monika Corban Fachjournalistin in Rheinfelden
Weitere Informationen E-Mail Dr. Felix Mahfoud: Felix.Mahfoud@uniklinikum-saarland.de Zum Hersteller des Medizingerätes: www.ardian.com

Bluthochdruck
Weltweit sollen mindestens eine Milliarde Menschen an Bluthochdruck leiden. Hoher Blutdruck gilt als die Volkskrankheit schlechthin und häufigste Todesursache in Deutschland. Viele Betroffene kennen ihr erhöhtes Risiko nicht und kommen oft erst dann zum niedergelassenen Arzt oder ins Krankenhaus, wenn schon Gesundheitsschäden bestehen. „Nur 50 Prozent der Bluthochdruckfälle werden entdeckt und nur 20 Prozent adäquat behandelt,“ schätzt Prof. Dr. med. Michael Böhm, Direktor der Klinik für Innere Medizin III der Universitätsklinik des Saarlandes und Leiter der Simplicity-HTN-2-Studie in Deutschland. Man weiß jedoch, dass die Bluthochdruckprävalenz altersabhängig ist und einem hohen Prozentsatz der Betroffenen mit derzeitigen Medikamenten nicht ausreichend geholfen werden kann.
Um bessere Daten zum Gesundheitsrisiko durch Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen zu erhalten, wurden 2004 im Rahmen der Detect-Studie 55 000 Patienten in 3500 Hausarztpraxen unter anderem auf Bluthochdruck und ihren Versorgungsstatus hin untersucht. Weitere Daten wurden 2007 erhoben.
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