Die Positionsdaten für das Navigationssystem bei einer Knie- oder Hüftoperation lässt sich der Orthopäde Dr. Holger Bäthis auf einem IPod anzeigen. Dort haben nur ausgewählte Informationen Platz. Genau das ist aus der Sicht des Arztes ein Vorteil.
Der IPod als Helfer bei der computergestützten Navigation im OP: Wie entstand die Idee, ein Element aus der Consumerelektronik im medizinischen Bereich einzusetzen?
Auf den IPod sind wir vor rund zweieinhalb Jahren gekommen, in einem Gspräch, das sich eigentlich um ganz andere Dinge drehte. Aber der Entwickler hat die Idee gehabt, erwähnte sie bei uns und stieß auf offene Ohren. Wobei man sich ehrlicherweise eingestehen muss, dass ein IPod nicht das allererste Gerät aus dem Consumerbereich ist, das in der Medizin genutzt wird. Eine richtige Inovation ist zum Beispiel die Datenverbindung per W-Lan im OP. Damit kommen wir endlich etwas von den wirklich störenden Kabeln in diesem Bereich weg. Und das dient vor allem der Sicherheit des Patienten.
Wofür wird der IPod in Ihrer Pilotstudie eingesetzt?
Er ist Teil eines Navigationssystems und liefert mir während der Operation sehr genaue Daten zum Beispiel über die Beinlänge oder den Winkel, den wir durch ein Implantat am Ende erhalten. Diese Informationen kann ich auf dem kleinen Bildschirm direkt vor mir anzeigen lassen – statt die Daten wie bisher auf einem großen Bildschirm ablesen zu müssen, der im ungünstigsten Fall irgendwo links hinter meiner Schulter hängt. So etwas erschwert das Arbeiten immens, denn jede Bewegung, die der optischen Wahrnehmung zuwiderläuft, ist schlecht.
Welche Erfahrungen machen Sie heute?
Nach einigen Verbesserungen: nur positive. Und damit meine ich sowohl meinen eigenen Arbeitsablauf als auch die Reaktion der anderen Personen im Operationssaal. Das IPhone oder der IPod als Technik sind allen dort vertraut. Selbst OP-Schwestern oder Pfleger, die sonst vielleicht Vorbehalte gegenüber neuer Technik haben, waren sehr offen und neugierig darauf, was diese Geräte nun als Teil eines Medizinproduktes tun können. Und auch bei der Bedienung gab es keine Probleme: Die wischenden Bewegungen mit den Fingern, das Verständnis für die Abläufe waren sofort da. Und der Wunsch, das auszuprobieren.
Heute ist bei medizintechnischen Innovationen eher von riesigen HD-Darstellungen und super-leistungsfähigen Rechnern die Rede. Wie passt da der IPod ins Bild?
Es gibt natürlich Anwendungen, für die man eine großflächige Darstellung braucht. Aber um die Positionsdaten zu erfahren, brauche ich nur ganz wenige Informationen und die am besten direkt vor mir in meinem Blickfeld – wie ein Tacho auf dem Armaturenbrett. Das kann ein IPod leisten. Allerdings muss die Software entsprechend angepasst werden, und die darstellbaren Angaben schrumpfen auf das Wesentliche. Für mich als Anwender ist das ein Vorteil. Oft verleitet die Technik dazu, alle möglichen Dinge darzustellen. Die Kunst besteht aber darin, Information auf das Wesentliche zu beschränken. Ansonsten lenkt dies den Operateur nur ab.
Sie waren an der Entwicklung des Systems beteiligt. Erfüllt es Ihre Erwartungen?
Es erfüllt schon vieles. Wenn ich meine Idealvorstellung beschreiben sollte, gingen die Erwartungen aber sogar noch weiter. Wir nutzen heute noch eine Lösung, für die wir Referenzpunkte am Knochen anbringen müssen. Ich hätte es gern noch puristischer und möchte auch darauf verzichten. An so etwas arbeiten wir gerade, und das Ziel ist, das bis zum Sommer mit dem IPod umsetzen zu können.
Gehört also die Zukunft im OP dem IPod?
Nicht nur. Wir brauchen auch die großen Darstellungen, selbst wenn man sich an den an der Decke befestigten Monitoren immer wieder den Kopf anstößt oder sie den Laminar Flow, also den Strom gereinigter Luft im Operationssaal beeinträchtigen. Ein Entweder-Oder wird es also nicht geben. An manchen Stellen empfiehlt sich aber sicher der IPod, denn das System ist klein, günstig und sehr flexibel. Wir brauchen schon beides.
In welcher Hinsicht ist der IPod so flexibel?
Wenn Sie einen neuen OP einrichten und einen Großbildschirm anbringen, bleibt der an der einmal festgelegten Stelle. Für die nächsten 30 Jahre, auch wenn sich in der Zwischenzeit neue Anforderungen ergeben. Den Ipod können sie einsetzen, wo es gerade notwendig ist. Und man kann sogar noch weiter denken. Es ist nicht selten, dass Ärzte an mehreren Kliniken operieren. Warum sollten sie nicht ein mobiles System, das an ihre Belange angepasst ist, einfach mit sich führen?
Für welche Anwendungen wäre das System über Ihren Bereich, also die Orthopädie hinaus, noch interessant?
In der Neurochirurgie, dem Hals-Nasen-Ohren Bereich oder in der Gesichtschirurgie gibt es sicherlich auch Anwendungsmöglichkeiten. Navigationssysteme haben sich für alle Operationen am Gehirn ohnehin schon etabliert. Aber zu Details müssen sich die Kollegen aus den jeweiligen Fachgebieten dann äußern.
Was ließe sich in Ihrem Fachgebiet noch mit dem neuen System lösen?
Ein IPod wäre ideal, um zu einem sterilen, multifunktionalen Bedienwerkzeug für die Technik im OP zu kommen. Heute muss ich zu einer anderen Person sagen, dass sie bitte die Darstellung auf dem Bildschirm so lange verändert, bis ich das sehe, was ich gerade sehen muss. Ich würde lieber aus einer Reihe von kleinen Vorschaudarstellungen auf dem IPod auswählen können, welche ich auf dem Großbildschirm angezeigt bekomme. Das muss man doch als App programmieren können. Und wenn wir schon beim Brainstorming sind: Eine Sprachsteuerung oder eine Steuerung über Gesten, wie man sie aus Computerspielen kennt, wäre für den OP auch interessant – wobei hier natürlich der Sicherheitsgedanke eine große Rolle spielt.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Zur Klinik und den Medizinern: www.kliniken-koeln.de Video zum System: www.brainlab.com, Suchbegiff IPod Zu Apps in der Medizintechnik: Beitrag auf Seite 72 in dieser Ausgabe Zur Gebrauchstauglichkeit von Medizinprodukten: Titelthema auf Seite 40 in dieser Ausgabe
Was macht der IPod im OP?
Was ein handelsüblicher IPod für die computergestützte Navigation bei Hüft- und Knieoperationen leisten kann, testen Mediziner derzeit in Deutschland und den USA. In Deutschland hat sich die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie im Städtischen Klinikum Köln-Merheim unter der Leitung von Prof. Bertil Bouillon an der Entwicklung beteiligt. Die Software für die Anwendung kommt von der Brainlab AG aus Feldkirchen.
Die meiste praktische Erfahrung mit dem System hat Oberarzt Dr. Holger Bäthis gesammelt: Der Orthopäde hat es in den vergangenen Monaten bei über 40 Hüft- und Knie-Operationen in Köln-Merheim eingesetzt.
Der IPod nimmt dabei Messdaten zu Prothesen und Körperteilen auf und zeigt dem Arzt daraus errechnete Ergebnisse zur Positionierung an. Dafür wird das Gerät mit Antennen-Kugeln und einem Taststab ausgestattet. Den Stab hält der Chirurg an die zu messende Stelle. Dessen Position wird anhand der Antennen-Kugeln von einer Infrarot-Kamera in der Nähe des OP-Tisches erfasst. In die Kamera integriert ist das Auswertesystem, das dem Arzt die Daten zur Position des Implantats oder zur Ausrichtung des Beins per w-LAN auf den IPod schickt. Da das Gerät dem Patienten nahe kommt, ist es so umhüllt, dass es den Hygienevorgaben im Operationssaal entspricht. Das System soll demnächst die CE-Zertifizierung und die Freigabe von der FDA bekommen.
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