Für den Einsatz in der Sportmedizin wären Erweiterungen an Standard-Medizingeräten wünschenswert, sagt Prof. Herbert Löllgen, langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention.
Herr Professor Löllgen, was gehört zum Aufgabenbereich der Sportmedizin?
In der Sportmedizin geht es immer um den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Bewegung. Das betriftt die Gesundheit von Hochleistungs- und Breitensportlern, aber auch die Möglichkeiten, durch bestimmte Arten der Bewegung die Therapie bei verschiedensten Krankheiten zu unterstützen. Daher sind in der Sportmedizin viele Fachgebiete vertreten: Kardiologen und Internisten sind hier ebenso tätig wie Orthopäden und Traumatologen, aber auch Gynäkologen, Neurologen sowie Psychologen.
Welchen Einfluss hat die Sportmedizin auf den allgemeinen Gesundheitssektor?
Die Idee, dass Bewegung eine Form der Therapie sein kann, ist noch eher neu. Welche Erfolge man mit diesem Ansatz erzielen kann, lässt sich aber schon durch Studien belegen. So wurde zum Beispiel Patienten mit Herzmuskelschwäche früher empfohlen, sich zu schonen. Inzwischen haben wir gelernt, dass mit geeigneter Bewegungstherapie deutliche Verbesserungen zu erreichen sind. Auch bei demenziellen oder depressiven Erkrankungen hat Bewegung gute Ergebnisse gebracht.
Welche Rolle spielen Medizinprodukte typischerweise in diesem Bereich?
Eine große. Denn Sportärzte setzen sehr viele Medizingeräte im Rahmen der Diagnostik ein, das Spektrum reicht da vom EKG-Gerät bis zum Kernspintomographen.
Welche Trends aus der Allgemeinmedizin beeinflussen die Sportmedizin?
Wir profitieren von dem, was sich im Umfeld der tragbaren Geräte und der Telemedizin tut. Damit bekommen wir Daten über die Körperfunktionen der Sportler auch während ihres Trainings – und mit Hilfe von Apps und einer Datenverbindung zum Arzt lassen sich diese gezielt auswerten. Für Breitensportler sind diese Entwicklungen auch nützlich, denn anhand der Daten können Sportärzte Menschen gezielt beraten, die vorbeugend sportlich aktiv sein wollen. Das ist sinnvoll, denn gerade die Jüngeren übertreiben es zuweilen mit dem Training – und mit den ‚Jüngeren‘ meine ich Menschen in ihren Vierzigern oder Fünzigern, die wieder anfangen, sportlich aktiv zu sein. Damit die Bewegung der Gesundheit dienlich ist, sollte ein Arzt hier Rückmeldung geben und mit dem Sportler gemeinsam den optimalen Trainingsbereich festlegen.
Welche Veränderungen an Medizinprodukten wären für die Arbeit eines Sportmediziners wünschenswert?
Mit Weiterentwicklungen wäre viel zu erreichen. Ich denke da an die Auswertesoftware in EKG-Geräten. Die Werte, die man bei einem sportlich sehr aktiven Menschen misst, muss man vor dem Hintergrund seines Trainingszustandes interpretieren. Ein herkömmliches EKG-Gerät wertet aber nach Standards aus, die Daten eines Sportlers als hochpathologisch einstufen, obwohl sich sein Körper nur der Beanspruchung angepasst hat. Dass das besser geht, zeigt das Beispiel eines EKG-Gerätes, das sich auf Knopfdruck auf die für Sportler geeigneten Standards umstellen lässt und dann eine sinnvolle Auswertung liefert. Für SpiroergometrieGeräte wiederum, die den Gasstoffwechsel unter Belastung mit erfassen, wäre eine elektronische Dokumentation der Daten oder auch eine für den Arzt benuzterfreundlichere Bedienschnittstelle hilfreich. Und in dieser Art ließen sich weitere Beispiele finden.
Sehen Sie für die sportmedizinische Nutzung der Medizingeräte einen Markt, der solche Erweiterungen rechtfertigt?
Nach heutigen Untersuchungen bewegen sich nur rund 25 Prozent der männlichen Bevölkerung in Deutschland in etwa in dem Maß, wie es aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll wäre. Im Rahmen der Prävention und um spätere Krankheiten zu vermeiden, sollte sich das ändern. Ein hilfreicher Schritt auf diesem Weg wäre es, wenn sich Bewegungswillige beim Hausarzt oder einem Sportmediziner eingehend beraten lassen könnten. Wer das heute tut, zahlt alles aus der eigenen Tasche. Für das Präventionsgesetz, mit dessen Hilfe Vorsorgemaßnahmen in das Gesundheitssystem integriert werden sollen, schlagen wir aber einen Passus vor, der eine sportmedizinische Beratung auch als Kassenleistung vorsieht. Wenn Ärzte diese Beratung abrechnen können und bei den Menschen das Bewußtsein dafür wächst, was sie selbst für ihre Gesundheit tun sollten, sehe ich da durchaus einen Markt im Entstehen – auch, was den Einsatz von Geräten angeht. Das Gesetz soll übrigens noch Endes dieses Jahres verabschiedet werden.
Welche Trends sehen Sie in der Sportmedizin für die kommenden Jahre?
Übergewicht und Bewegungsmangel verursachen heute schon Probleme im Gesundheitssystem. Kompetenzen, die Sportärzte in diesem Gebiet mitbringen, werden daher zukünftig mehr Beachtung finden. Aus technischer Sicht sind sicherlich Wearables interessant, wie T-Shirts, die die Belastung messen oder auch den Kalorienverbrauch während der Bewegung. Und wir erwarten interessante Erkenntnisse aus der molekularen Sportmedizin, die einschließlich der Genetik auf dem Vormarsch ist.
Welchen Nutzen haben Medizintechnik-Fachleute von einem Besuch der Medica Medicine + Sports Conference?
Die Veranstaltung bietet einen guten Überblick über die aktuellen Trends in unserem Fachgebiet mit seinen vielen Facetten. Und die Besucher bekommen einen Eindruck von den Anforderungen, die Sportmediziner an die Geräte heute stellen und in Zukunft stellen werden.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Was bedeutet der demographische Wandel für die Sportmedizin? Welche Anforderungen bringt er hier mit sich?
Auch für ältere Menschen sollte Bewegung bei vielen Erkrankungen ein Bestandteil der Therapie sein. Für Siebzig- bis Achtzigjährige heißt das vielleicht, drei mal in der Woche einen längeren Spaziergang zu machen. Wenn der Arzt das ausdrücklich anrät und noch dazu mit Hilfe eines Gerätes erkennen kann, ob der Patient dem Rat gefolgt ist und mit welchem Ergebnis, steigert das zum einen die Qualität der Behandlung. Und es steigert die Motivation der Patienten, dem Rat auch zu folgen. Dahinter steckt natürlich ein leichter Zwang. In einer Studie wurde das so formuliert, dass sich die Teilnehmer in gewisser Weise verpflichtet fühlten, beim Kontrolltermin nach zwei Monaten auch tatsächlich Daten zur Auswertung vorweisen zu können.
Wo können Patienten von Erkenntnissen aus der Sportmedizin profitieren?
Eine Erfahrung aus der Sportmedizin ist, dass sich zum Beispiel Gewebeveränderungen am Herzen mit hochauflösenden Ultraschallgeräten nachweisen lassen. So kann man einerseits einzelnen Sportlern, die ein hohes Risiko für eine Herzerkrankung erkennen lassen, frühzeitig geeignete Maßnahmen empfehlen. Diese Erkenntnis lässt sich aber auch auf Patienten im alltäglichen Umfeld übertragen.
Weitere Informationen Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin DGSP ist einer der Partner der Medica Medicine + Sports Conference: www.dgsp.de
Über die Konferenz
Die Medica Medicine + Sports Conference soll Impulse für neue Ansätze in Prävention, Therapie und Regeneration geben. Mehr als 30 Experten, Visionäre und Macher sowie innovative Unternehmen und Start-ups kommen bei der Konferenz zusammen, um zukünftige Lösungen und Technologien für die Sportmedizin zu diskutieren und vorzustellen. Im Fokus stehen in diesem Jahr neue Erkenntnisse und Möglichkeiten rund um das Monitoring von Leistungs- und Vitaldaten sowie deren Integration in innovative Ansätze für Prävention und Regeneration.
Die Konferenz findet in diesem Jahr am 12. und 13. November im Congress Center Düsseldorf/ CCD Süd statt.
Ihr Stichwort
- Medizingeräte in der Sportmedizin
- Anpassungen an den Geräten
- Einsatz an Patienten
- Bewegung als Teil der Therapie
- Präventionsgesetz und Erstattung durch Krankenkassen
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