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„Üben – und Wissen generieren“

Simulatoren: Akademie in der Schweiz schult Mediziner und Mitarbeiter aus der Industrie
„Üben – und Wissen generieren“

Im schweizerischen Luzern entsteht die Akademie für Medizinisches Training und Simulation. Einer der Initiatoren ist Dr. med. Roger Zobrist. Er hofft, dass Ärzte schwierige Situationen nicht mehr am Patienten üben müssen, und will Kontakte zwischen Medizinern und Ingenieuren fördern.

Herr Dr. Zobrist, wie verbreitet sind Simulatoren in der Aus- und Weiterbildung von medizinischem Personal?

Insgesamt sind Simulatoren in der Medizin eher die Ausnahme als die Regel. Was schade ist, denn am Simulator kann ein Arzt üben, ohne dabei einen Patienten zu gefährden. So lernt er im allgemeinen schneller, eine schwierige und komplexe Situation zu beherrschen. Das ist vergleichbar mit der Luftfahrt, wo Piloten im Simulator immer wieder heiklen Momenten ausgesetzt werden. Diese Chance wird in der Medizin zu wenig genutzt.
Woran liegt das?
Gute Simulatoren sind natürlich teuer. Ein weiterer Punkt ist aber auch, dass manche Modelle zu weit von der Realität entfernt sind, um von Ärzten akzeptiert zu werden. Sie wirken einfach noch nicht wie lebendes Gewebe. Das wäre für einen echten Übungseffekt aber erforderlich.
Für welche Fachgebiete sind denn heute interessante Simulatoren verfügbar?
Sehr gute Simulatoren gibt es für die Gefäßchirurgie oder die Kardiologie. Darüber hinaus werden in der Notfallmedizin, in der Intensivmedizin und der Anästhesie aktuell Simulatoren genutzt. Auch in der Chirurgie gibt es einige Modelle, zum Beispiel für die Laparoskopie. Dort sind es aber eher Anfänger, die diese Möglichkeit nutzen, um die Orientierung im dreidimensionalen Raum zu erlernen.
Welche Verbesserungen wünschen Sie sich an den Simulatoren?
Was die optische Darstellung angeht, sind wir schon auf einem guten Weg. Abgesehen davon sind aber viele Modelle noch nicht ausgereift, was das Force-Feedback angeht. Wenn beispielsweise der Operateur seine Instrumente am wirklichen Patienten einsetzt, hat jedes Organ, mit dem er in Kontakt kommt, sehr unterschiedliche Eigenschaften und eine eigene Konsistenz. Das geben die Simulatoren noch nicht in ausreichendem Maße wieder.
Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?
Die Simulatoren arbeiten nicht mit Technik, die tatsächlich und vom Beginn ihrer Entwicklung an auf die Bedürfnisse der Medizintechnik ausgerichtet ist. Bislang bauen alle Lösungen darauf auf, was in anderen Branchen wie der Luftfahrt oder der Rüstungsindustrie gefordert wird, und solche ‚Abfallprodukte‘ können natürlich nicht allen unseren Anforderungen entsprechen.
Wird sich die Simulation dennoch durchsetzen können?
Das hängt von der Disziplin ab. In der Notfall- und Intensivmedizin rechne ich damit, dass Simulatoren einen festen Platz einnehmen können. Sobald eine medizinische Fachgesellschaft vom Nutzen der Geräte überzeugt ist und vorschreibt, dass das Training daran Bestandteil einer Facharztausbildung sein muss, wird die Technik breiteren Einsatz finden. Gute Chancen haben auch Simulatoren für die Laparoskopie. Ihr Nutzen, nämlich eine steilere Lernkurve zu bewirken, ist kürzlich in einer Studie nachgewiesen worden. Was die offene Chirurgie oder auch die Orthopädie angeht, rechne ich in den nächsten drei oder vier Jahren allerdings nicht mit Produkten, die sich ihren Markt erobern könnten.
Welche Ziele verfolgen Sie mit der gegründeten Akademie?
Wir gehen davon aus, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, die für die Ausbildung notwendige Technik an zahlreichen verschiedenen Orten zu Verfügung zu stellen. Daher werden wir ab Mitte des kommenden Jahres Simulatoren bereitstellen, an denen wir Schulungen für Ärzte, medizinisches Personal sowie für Mitarbeiter aus der Industrie anbieten.
Was können Mitarbeiter aus der Medizintechnik-Industrie an der Akademie lernen?
Um ein kompetenter Gesprächspartner für den Kliniker zu sein, muss man bestimmte Dinge üben, sei es das Handling eines Beatmungsgerätes oder auch das Röntgen. Und da die Mitarbeiter in der Regel selbst keine Ärzte sind, können sie nicht einfach in ein Krankenhaus gehen, um die Praxis kennenzulernen. Diese Möglichkeit bekommen sie aber am Simulator.
Werden Ärzte und Techniker an der Akademie miteinander in Kontakt kommen?
Es ist unser Anliegen, Simulation als Technik voranzubringen. Der Kontakt zwischen Industrie und Anwender ist dafür unerlässlich, und ihn wollen wir herstellen und pflegen. Die Teilnehmer üben daher nicht nur, sondern generieren auch Wissen.
Werden Sie mit Know-how zur Simulatoren-Entwicklung beitragen?
Im Rahmen unserer Schulungen werden wir Daten erhalten und auswerten. Diese Informationen sollen in eine Verbesserung der Technik münden. Dafür werden wir mit den Herstellern zusammenarbeiten, aber auch mit dem Universitätsspital Basel, speziell mit Professor Stephan Marsch von der Medizinischen Intensivstation.
Wie lösen Sie das Kostenproblem an der Akademie?
Wir werden natürlich einige Simulatoren von Herstellern kaufen, deren Kerngeschäft die Fertigung solcher Geräte ist. Das betrifft zum Beispiel die Bereiche Notfall- und Intensivmedizin sowie die Laparoskopie. Darüber hinaus wollen wir mit Anbietern zusammenarbeiten, die produktspezifische Simulatoren bauen – was für die Bildgebung und für die Angiologie interessant sein könnte.
Würden sich weiterentwickelte Simulatoren für weitere Disziplinen lohnen?
Ich gehe davon aus, dass zum Beispiel die minimal invasive arthroskopische Chirurgie für Operationen an Knie und Schulter in Zukunft von der Simulation profitieren wird. Darüber hinaus gibt es eine sehr interessante Entwicklung in der Bildgebung, bei der Simulatoren die Strahlenexposition von Arzt und Patient verringern.
Welche Rolle spielt in diesem Fall die Simulation?
Chirurgen nutzen während eines Eingriffes Bildverstärker, die Strahlung aussenden. Das ist erforderlich, um präzise zu arbeiten, erhöht aber die Strahlendosis. Mit einem Simulator kann man üben, die Geräte für die Bildgebung optimal einzustellen – aber während dieser Übungsphase tritt eben keine Strahlung auf. Bei diesem erfolgreichen Ansatz haben übrigens Chirurgen maßgeblich mitgewirkt und mit Technikern eng zusammengearbeitet. Natürlich ist damit ein hoher Aufwand verbunden, was die Entwicklungen nicht gerade einfacher macht. Leider kann man aber umgekehrt manchmal den Eindruck gewinnen, dass Ingenieure und Software-Entwickler eine neue Technik haben und dafür eine Anwendung in der Medizin suchen. Dass so etwas funktionieren könnte, ist ein fataler Irrtum.
Welche Bedeutung wird die Simulation Ihrer Ansicht nach in Zukunft haben?
Ich würde mir wünschen, dass sie in einzelnen Fachgebieten fest in die Aus- und Weiterbildung der Mediziner integriert ist, und zwar zum Wohle und Nutzen der Patienten. Jeder Pilot, der zum ersten Mal mit nur einem Triebwerk landen muss, hat das zehn Mal am Simulator gemacht. Das ist in der Medizin leider nicht so.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen www.amts.ch

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  • Technik bereichert den Erfahrungsschatz
    Eine zentrale Stelle, an der medizinisches Personal und Mitarbeiter aus der medizintechnischen Industrie praktische Erfahrungen sammeln: Das soll die Akademie für Medizinisches Training und Simulation (AMTS) werden. Drei Ärzte sind die Initiatoren dieser Einrichtung, die auf 2000 m² Fläche im alten Frauenspital in Luzern entsteht. Für die praktischen Übungen stehen hier ab Sommer 2009 Kursräume mit verschienenen Simulatoren sowie ein voll eingrichteter Operationssaal inklusive Bildgebung und Navigation zur Verfügung. Tagungsräume mit Videokonferenzsystem und Live-Übertragungsmöglichkeiten sind ebenfalls vorhanden. Die Nähe zum Kantonsspital Luzern soll den Gedankenaustausch mit Ärtzen in den Kliniken erleichtern.
    Die Betreiber wollen mit ihrer Einrichtung Ärzte und medizinisches Fachpersonal erreichen, aber auch medizinische Institutionen und Fachgesellschaften sowie Unternehmen der Medizintechnikbranche und deren Mitarbeiter.
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