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„Sichere Prozesse sind entscheidend“

Aufbereitung: Verbesserungen bei Maschinen und Schulung des Personals
„Sichere Prozesse sind entscheidend“

„Sichere Prozesse sind entscheidend“
Prof. Dr. Heinz-Peter Werner leitete bei der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) die Fachkommission Aufbereitung und ist Leiter des Centrums für Hygiene und medizinische Produktsicherheit (Hygcen) in Schwerin
Ohne Aufbereitung von Medizinprodukten wird es auch in Zukunft nicht gehen. Um sie sicherer zu machen, muss man bei Maschinen und Prozessen ansetzen und das Personal qualifizieren. Vorbildliche Hersteller optimieren auch ihre Anleitungen, sagt Prof. Dr. Heinz-Peter Werner von der DGKH.

Herr Prof. Werner, wie bewerten Sie die Aufbereitung von Medizinprodukten?

Die Aufbereitung ist einer der wichtigsten Punkte, wenn es darum geht, Krankenhausinfektionen zu verhindern. Zwar haben bei diesem Thema viele Faktoren einen hohen Stellenwert, aber gerade bei der Aufbereitung haben wir einen sehr hohen Nachholbedarf und müssen zu Verbesserungen kommen. Das gilt auch für die deutschprachigen Länder in Europa, obwohl diesen des öfteren eine führende Position zugesprochen wird.
Wo liegen die größten Schwierigkeiten?
Wir brauchen eine größere Standardisierung, wie sie auch seitens der EU gefordert wird: Nur eine standardisierte und reproduzierbare Prozessführung kann Qualität hervorbringen. Unter Prozess versteht man hier die gesamte Spanne von der Nutzung eines Produktes bis zu seiner Wiederverwendung. Jeder einzelne Schritt, der in dieser Zeit erfolgt, ist von Bedeutung.
Was genau könnte man verbessern?
Es muss zum Beispiel geklärt sein, wie lange ein Produkt, das mit Blut in Kontakt gekommen ist, lagern darf, bevor es in die Reinigungs- und Desinfektionsmaschine gelangt. Je länger dieser Zeitraum ist, desto schwieriger ist die Reinigung, und desto größer ist das Risiko, dass in den Schmutzresten verborgene Keime vor der Wirkung von Wärme oder Chemikalien geschützt sind. Darüber hinaus müssen die Maschinen für die Reinigung und Sterilisierung typgeprüft sein. Das war jahrelang nicht der Fall. Und einen weiteren Punkt darf man auf keinen Fall vergessen: Eine noch so gute Maschine nützt nichts, wenn kein qualifiziertes Personal zur Verfügung steht, um sie zu bedienen. Wenn jemand ein Medizinprodukt mit einem Kanal falsch anschließt, wird der Hohlraum nicht angeströmt – die Maschine arbeitet nicht optimal. Man kann also über die technische Sicherheit allein nicht alle Anforderungen erfüllen.
Sind solche Verbesserungen realistisch?
Es gibt Studien zum Aufwand, der sowohl für die Hardware als auch die Qualifizierung des Personals anfallen würde. Finanziell wären damit gigantische Dimensionen erreicht. Allerdings muss man sich vor Augen führen, dass alle anderen Ausgaben im Gesundheitssystem sinnlos sind, wenn man mit den eingesetzten Produkten Menschen gefährdet.
Inwieweit sind die Medizinprodukte heute an die Aufbereitung angepasst, und wie gut sind die Anleitungen der Hersteller?
Wir analysieren bei Hygcen, wie gut sich Produkte reinigen und sterilisieren lassen. Einige Konzerne sind mittlerweile außerordentlich interessiert an unserem Know-how und arbeiten dieses Wissen in ihre Anleitungen mit ein. Bisher waren diese Manuals oft unzureichend – und die Aufbereitung kann ja nur funktionieren, wenn Produkt und Maschine aufeinander abgestimmt sind und sich das Personal gut auskennt.
Ist die Situation international vergleichbar?
Mein Eindruck ist, dass es einige Länder gibt, die viel mehr Wert auf Zertifikate legen als zum Beispiel Deutschland. Wir dürfen aber auch nicht dahinkommen, die Verantwortung komplett an die Entwickler von Maschinen oder Produkten weiterzugeben oder an die Prüfer. Eine Art Polizeisystem zu installieren, wäre sicherlich ein Fehler. Keine Aufsichtsbehörde kann so viel Sachverstand in einer Vielzahl von Bereichen aufbringen, wie er notwendig wäre, um die Aufbereitung lückenlos zu überwachen.
Was kann eine Standardisierung in der EU dann bringen?
Betrachten wir das Beispiel der Reini gungs- und Desinfektionsmaschinen. Diese zählen seit einiger Zeit zur Klasse IIb, müssen also von einer akkreditierten Stelle geprüft und von einer benannten Stelle zertifiziert werden. Noch gibt es Schlupflöcher, weil nicht alle benannten Stellen darauf bestehen, dass das Prüfergebnis von einem akkreditierten Labor stammt. Darüber hinaus gibt es akkreditierte Labors, vor allem im Osten Europas, die in Fachkreisen dafür bekannt sind, generell positive Bescheide zu formulieren. Wenn die Vorgaben europaweit vereinheitlicht werden, können wir diese Schlupflöcher schließen und bei der Qualität der aufbereiteten Produkte vorankommen.
Wie sicher ist die Aufbereitung von Mehrwegprodukten und Einwegprodukten?
Generell ist mit der Aufbereitung ein Risiko verbunden. Die entscheidende Frage ist: Wie sicher sind die Prozesse, mit denen aufbereitet wird? Habe ich die geeigneten Technologien und Prozesse und überwache diese auch, kommt es nicht darauf an, ob ich Einweg- oder Mehrwegprodukte aufbereite. Gefährlich wird es erst, wenn unsachgemäß aufbereitet wird, sei es im Krankenhaus oder auch bei einem externen Dienstleister. Solche Fälle können bis zu HIV- oder Hepatitis-Infektionen führen, wie aus Spanien berichtet wurde.
Wie denken Sie über ein generelles Verbot der Aufbereitung, wie es auf EU-Ebene derzeit diskutiert wird?
Man kann so etwas nicht verallgemeinern. Wenn Gefahren in einem Land bestehen und anders nicht ausgeschlossen werden können, ist es sinnvoll, die Aufbereitung dort so lange generell zu verbieten, bis entsprechende Strukturen aufgebaut sind. Wenn aber eine Struktur für die Qualitätssicherung besteht, ist ein allgemeines Verbot nicht sinnvoll.
Wie groß ist der finanzielle Druck auf Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte, mit aufbereiteten Produkten zu arbeiten?
Wir können auf die Aufbereitung nicht verzichten. Es dürfte aber vor allem für niedergelassene Ärzte hilfreich sein, stärker externe Dienstleister für die Aufbereitung zu nutzen: Man kann Hygiene nur fordern, wenn sie auch wirtschaftlich ist. Hier könnten neue Finanzierungssysteme interessant sein, wie es sie in den USA bereits gibt. So könnte ein niedergelassener Arzt nur für Systeme zahlen, wenn er sie auch nutzt. Das sichert die Qualität, macht die Versorgung aber auch finanzierbar.
Welche Rolle spielt die Aufbereitbarkeit von Medizinprodukten bei der Anschaffung?
Das wird viel zu wenig diskutiert. Gerade niedergelassene Ärzte lassen sich relativ leicht davon überzeugen, dass selbst ein hochkomplexes Medizinprodukt wie ein Endoskop von der Reinigungsmaschine des gleichen Anbieters optimal aufbereitet werden kann. Leider ist das nicht immer der Fall, nur kann der Arzt es nicht überprüfen. Hier würde die schon erwähnte Typenprüfung weiterhelfen. In den Kliniken wiederum ist es eine Frage der Persönlichkeit des Hygienebeauftragten, wie stark er seine Belange in die Investitionsentscheidung mit einbringen kann.
Wie schätzen Sie die Entwicklung für die Zukunft ein?
Wir kommen um Aufbereitung nicht herum, und leider wird es auch in Zukunft aufbereitete Einmalprodukte geben. Das „leider“ beziehe ich dabei auf die unsachgemäße Behandlung, die aus Kostengründen erfolgt. Wenn ein qualifizierter Dienstleister die Aufbereitung übernimmt, ist das Risiko aber gering.
Welche Wünsche hätten Sie an die Hersteller von Medizinprodukten?
Folgendes sollte selbstverständlich sein: Bevor ein Medizinprodukt auf den Markt kommt, sollte es normgerecht daraufhin überprüft werden, ob und wie man es aufbereiten kann. Das sollte auch der limitierende Faktor für den Vertrieb sein. Große Hersteller wissen das, unterstützen diese Idee und haben ein entsprechendes Qualitätsmanagement. Sie haben schließlich einen Ruf zu sichern.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), Berlin: www.dgkh.de Centrum für Hygiene und medizinische Produktsicherheit (Hygcen): www.hygcen.de

Ihr Stichwort
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  • Investitionsentscheidung

  • Prüfungen an Medizinprodukten
    Innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) bietet die Fachkommission Hygienische Sicherheit medizintechnischer Produkte und Verfahren die Prüfung von Produkten an und erteilt Testate über deren hygienische Sicherheit. Das Angebot wendet sich an Hersteller, Vertreiber oder an deren Beauftragte.
    Am Centrum für Hygiene und medizinische Produktsicherheit GmbH werden unter anderem Medizinprodukte untersucht, aber auch Sterilisatoren und Sterilisationsverfahren, inklusive einer physikalischen Validierung. HygCen ist ein nach DIN EN 17025 akkreditiertes Prüflaboratorium. Die Untersuchungen werden im Laboratorium durchgeführt, aber auch vor Ort. Gegründet wurde das Unternehmen 1996 in Schwerin.
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