Rund 1000 Patienten sind für das deutsche Knorpelregister registriert und geben an, wie sich ihre Knieerkrankung nach der Behandlung entwickelt. Die Auswertung soll die Versorgungsqualität verbessern, sagt Prof. Dr. med. Philipp Niemeyer.
Herr Prof. Niemeyer, welches Ziel verfolgen Sie mit dem Knorpelregister?
Mit einem solchen Register werden Informationen über den Heilungsverlauf nach einer Operation gesammelt. Indem wir die Daten auswerten, können wir Effizienz und Sicherheit knorpelchirurgischer Eingriffe bewerten, und zwar anhand eines realistischen Patientenkollektivs. Das ist wichtig für die Auswahl der am besten geeigneten Therapie und auch um einen Patienten gut zu beraten und ihm sagen zu können, wie gut seine Aussichten nach einer bestimmten Operation sind.
Was genau passiert bei einem knorpelchirurgischen Eingriff?
Lassen Sie mich zunächst betonen, dass wir heute noch nicht von einer Arthrosebehandlung sprechen, sondern von umschriebenen Knorpelschäden. Diese können mit verschiedenen Ansätzen behandelt werden. Ein Ansatz ist die Knochenmarkstimulation. Hierfür wird der Knochen, der unter dem beschädigten Knorpel liegt, verletzt. Das induziert eine Narbenbildung, bei der auch neuer Knorpel entsteht. Dieser ist nicht identisch mit dem ursprünglichen Gelenkknorpel, schützt aber den darunterliegenden Knochen vor weiteren Schäden und den Patienten vor Schmerzen. Dann gibt es die Therapiegruppe der Transplantationen. Entweder wird im Körper Knorpel und gegebenenfalls Knochen entnommen und an die defekte Stelle transplantiert. Damit erzeugt man aber letztlich einen weiteren Defekt. Die Alternative ist die Entnahme körpereigener Knorpelzellen, die im Labor kultiviert und dann transplantiert werden. Der Nachteil hierbei sind die zwei erforderlichen Eingriffe und die hohen Kosten. Allerdings lohnt sich der Aufwand, denn Knorpelchirurgie dient auch dazu, Arthrose zu verhindern, die über kurz oder lang wahrscheinlich den vollständigen Ersatz des Gelenkes durch ein Implantat erfordert.
Bei wie vielen Patienten in Deutschland, gibt es knorpelchirurgische Eingriffe ?
Das Knorpelregister wird uns dazu in Zukunft detaillierte Informationen liefern. Aus verschiedenen Veröffentlichungen lässt sich aber jetzt schon ableiten, dass in Deutschland derzeit rund 5000 bis 10 000 Patienten jährlich mit Zelltransplantationen behandelt werden. Die Fallzahlen werden aber eher sinken. Denn seit 2007 müssen Transplantate mit körpereigenen Zellen das Zulassungsverfahren durchlaufen. Das treibt die Kosten in die Höhe und wird dazu führen, dass diese Behandlung eher seltener eingesetzt wird – obwohl sie derzeit diejenige zu sein scheint, die die besten Aussichten bietet. Aber das werden wir anhand des Registers genauer beurteilen können.
Wie viele Daten brauchen Sie, um zu sinnvollen Auswertungen zu kommen?
Wir haben jetzt rund 1000 registrierte Patienten, die über mehrere Jahre regelmäßig über ihren Gesundheitsstand Auskunft geben. Bisher veröffentlichte Studien basieren in der Regel auf den Daten von 300 oder 400 Patienten, so dass wir mit dem Register eine sehr gute Informationsquelle aufbauen.
Wie beteiligen sich Ärzte und Patienten?
Den ersten Eintrag macht der behandelnde Arzt, der berichtet, welchen Zustand er vorgefunden hat und welche Therapie angewendet wurde. In den folgenden fünf Jahren gibt der Patient selbst über Fragebögen Auskunft darüber, was er mit dem behandelten Gelenk machen kann und ob er Schmerzen dabei empfindet. Das passiert alles webbasiert.
Wer hat Zugriff auf die Daten?
Jeder, der Daten einträgt, hat die Hoheit über seine Daten. Ärzte können Auswertungen über die Arbeitsgruppe Klinische Geweberegeneration in der DGOU beantragen: Dabei geht es bisher vor allem darum, ob eine bestimmte Operationstechnik Probleme macht, ob die Lokalisation des Defektes die Auswahl der Therapie beeinflussen sollte oder ob das Alter des Patienten bei der weiteren Entwicklung eine Rolle spielt.
Welche Relevanz hat das für die Industrie?
Die Knorpelchirurgie nutzt auch Medizinprodukte wie künstliche Knorpelmaterialien ohne Zellen, über deren Sicherheit und Therapieerfolge unsere Daten Auskunft geben. Was an Auswertungen entsteht, werden wir bei Fachtagungen oder in Veröffentlichungen zugänglich machen.
Welche Rolle spielen neue Therapien?
Der Einsatz von Stammzellen wird untersucht, um eine Knorpelregeneration mit nur einem Eingriff zu erreichen. Die Kombination operativer Techniken mit Arzneimitteln könnte die Entzündungen eindämmen, die mit Arthrose einhergehen. Solche neuen Verfahren wollen wir gern ins Register mit einbeziehen. Und die Hoffnung ist, eines Tages auch Arthrose behandeln zu können.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Ihr Stichwort
- Knorpelschäden an Knie, Hüfte und Sprunggelenk
- Webbasiertes Register
- Bewerten möglicher Therapien und neuer Ansätze
- Perspektiven für Arthrosepatienten
Über das Knorpelregister
Das deutsche, weltweit erste Knorpelregister erfasst den Heilungsverlauf nach knorpelchirurgischen Eingriffen. Es wurde 2012 geplant und ging 2013 an den Start. Es geht zurück auf eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft Klinische Geweberegeneration in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU).
Bis zum Frühjahr 2015 wurden etwa 1000 Patienten registriert, die am Knie behandelt wurden und nun über einen Zeitram von fünf Jahren mit ihren Informationen die Datensammlung erweitern. Seit kurzem sind zwei weitere Module freigeschaltet, die Knorpelschäden an Hüfte und Sprunggelenkt erfassen. Auch Daten aus den über 50 teilnehmenden Kliniken sollen zusammengeführt und ausgewertet werden.
Das Knorpelregister arbeitet industrieunabhängig und wird durch die Deutsche Arthrosehilfe und die Oscar-Helene-Stiftung unterstützt. Die technische Umsetzung des Knorpelregisters DGOU erfolgt in enger Kooperation mit dem Studienzentrum des Universitätsklinikums Freiburg.
Weitere Informationen: www.knorpelregister-dgou.de
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