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Laborautomatisierung als Basis für die Medizin

Laborautomatisierung
Laborarbeit: Automatisierung ist immer stärker gefordert

Laborarbeit: Automatisierung ist immer stärker gefordert
Prof. Alexander Dalpke ist neuer Ärztlicher Direktor der Abteilung‧ Medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Zentrums für Infektiologie am Universitäts‧klinikum Heidelberg (Bild: Universitätsklinikum Heidelberg)
Für Mediziner ist es wichtig, Erreger wie Bakterien und Viren früh am Patienten zu erkennen und über ihre Eigenschaften Bescheid zu wissen. Das verbessert die Behandlung. Für Prof. Alexander Dalpke, der die Abteilung Medizinische Mikrobiologie und Hygiene in Heidelberg leitet, ist Automatisierung im Labor dafür unabdingbar.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Professor Dalpke, welche Aufgaben haben medizinische Mikrobiologie und Hygiene in einer Klinik?

Es geht zum Beispiel darum, die bakteriellen Erreger einer Infektion beim Patienten zu erkennen und zu sehen, mit welchen Antibiotika sie am besten zu bekämpfen sind. Eine weitere Aufgabe ist, die Patienten ausfindig zu machen, die multiresistente Erreger in sich tragen, um eine Verbreitung der Keime zu verhindern – denn nosokomiale Infektionen können in einem Krankenhaus großen Schaden anrichten.

Vor welchen Herausforderungen stehen die entsprechenden Abteilungen?

Die Erwartung ist, dass wir möglichst schnell Befunde bereitstellen. Der eine Grund dafür ist, dass Krankenhausaufenthalte immer kürzer werden sollen. Der zweite Grund ist das häufigere Auftreten von Erregern, die auf viele Antibiotika gar nicht mehr reagieren. Je schneller wir wissen, welches Mittel hilft, desto besser können wir einem Patienten helfen. Die Herausforderung für die Abteilung ergibt sich daraus, dass die Methoden, mit denen wir an dieses Wissen kommen, sehr traditionell sind. Bakterien werden auf bestimmten Nährböden ausgebracht, inkubiert, und dann lässt sich anhand des Wachstums oder einer Färbung ableiten, welche Organismen wir vor uns haben. Das von Hand zu erledigen, dauert sehr lange. Automatisierung hingegen hilft uns, schneller zu sein. Sie verbessert auch die Qualität unserer Arbeit, weil bestimmte Schritte immer in der gleichen Zeit ablaufen können. Und sie unterstützt uns, weil wir gar nicht genug Fachkräfte finden, die diese Arbeit händisch erledigen könnten.

Welche technischen Hilfsmittel stehen den Mitarbeitern dann zur Verfügung?

Vor sechs Jahren hat das Universitätsklinikum Heidelberg eine automatisierte Laborstraße in Betrieb genommen – als erstes großes Universitätsklinikum in Deutschland. Die Straße ermöglicht es, Proben automatisiert auf die Nährböden zu bringen. Den Transport in den Inkubator übernimmt ein Förderband. Der letzte Schritt, die Bewertung der Ergebnisse, ist immer noch eine Aufgabe für Arzt, Ärztin oder MTA. Aber es ist schon jetzt möglich, die Bakterienkolonien, die im Inkubator gewachsen sind, automatisiert zu fotografieren. Statt also zahllose Petrischalen von Hand zu bewegen und zu betrachten, läuft das jetzt sehr schnell an einem Bildschirm.

Wie waren die bisherigen Erfahrungen mit dieser Lösung?

Gleich nach der Inbetriebnahme ist eine Studie gestartet, die immer noch läuft. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass wir mit der Automatisierung tatsächlich schneller geworden sind. Der zweite Aspekt ist, dass wir mehr Erreger finden und auch empfindliche Bakterien nachweisen können – einfach weil wir mit definierten Bedingungen arbeiten. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit stellt sich natürlich auch. Tendenziell lohnt sich das Automatisieren bei einem größeren Durchsatz von Proben. Allerdings darf man nicht allein die Kosten pro Analyse betrachten. Denn wenn diese zwar etwas steigen, ich aber an anderer Stelle den Patienten schneller zur Genesung verhelfe, hat sich die Lösung insgesamt gelohnt.

Welche Ergänzungen wären wünschenswert?

Wir sprachen ja schon von automatisch erstellten Aufnahmen der Bakterienkulturen. Ein logischer nächster Schritt wäre, einem Gerät auch die Bewertung des Ergebnisses zu übertragen. Das wäre ein Einsatzfall für ein System mit KI – deren Zuordnungen dann von Experten geprüft werden kann. Auch Nachfolgeuntersuchungen an Proben mit besonderen Fragestellungen, die bisher noch händisch an die Straße angeflanscht werden, lassen sich sicher ebenfalls automatisieren – zumindest in Teilbereichen.

Die diagnostischen Möglichkeiten entwickeln sich weiter. Welche neuen Methoden etablieren sich derzeit?

Ich habe bisher vor allem von bakteriellen Erregern gesprochen, die wir kultivieren und dann untersuchen können. Neue Ansätze verwenden auch Massenspektrometer. Im Bereich der Virologie gibt es die Möglichkeit des Kultivierens nicht, daher haben sich dort in den vergangenen Jahren andere, molekularbiologische Verfahren etabliert. Darunter sind auch Methoden, die sich für eine Automatisierung eignen. Sehr spannend wird es, wenn wir es schaffen, die gleiche Probe in ein automatisiertes System zu geben, das Informationen sowohl zu bakteriellen Erregern als auch zu Viren liefert.

Wie helfen Laboruntersuchungen dabei, Therapien an Patienten anzupassen?

Die Weiterentwicklung der Medizin wird zu vielen neuen Aufgaben für die Labore führen. Ein Beispiel ist die Untersuchung des Mikrobioms, also aller Mikroorganismen, die einen Körperbereich besiedeln. Manche Mischungen gehören zu einem gesunden Menschen, Verschiebungen können hingegen Hinweise auf Krankheiten liefern oder diese auslösen. Um an solche Informationen zu kommen, werden Sequenzdaten der Erbmoleküle benötigt. Die entsprechenden Verfahren sind noch lange nicht genug automatisiert. Das zu verbessern, wird ein Schwerpunkt meiner Arbeit in den nächsten Jahren sein. Ein weiterer Aspekt ist die personalisierte Medizin: Dafür möchten wir möglichst viel über einen Erreger und sein Virulenzpotenzial wissen. Bisher sehen wir nur, ob er da ist oder nicht – und der Arzt muss aus seiner Erfahrung heraus abschätzen, ob dieser Keim relevant ist. Um Genaueres zu sagen, müssen wir mehr untersuchen. Das wird ohne Automatisierung gar nicht machbar sein.

Automatisierung im Labor liefert Ergebnisse für die Medizin der Zukunft

Welche Rolle spielt Point-of-Care-Diagnostik dann?

Wie wir beim Corona-Schnelltest gesehen haben, hat es unter bestimmten Bedingungen große Vorteile, eine schnelle Ja-Nein-Entscheidung zu bekommen. Das wird auch in Zukunft so sein. Die Labore müssen aber parallel dazu schneller, effektiver und mehr automatisiert arbeiten, um dem Arzt die Basis für eine infektiologische Beratung liefern zu können.

Welche Perspektiven sehen Sie für die nächsten Jahre in der Diagnostik?

Wir werden mehr Verfahren sehen, die auf einer DNA- oder RNA-Sequenzierung basieren. Diese werden schneller und günstiger werden. Die Automatisierung wird aber nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze entfallen, sondern sie wird uns helfen, die Arbeit mit dem knappen Personal zu bewältigen.

 


Über das Automatisierungsprojekt am Universitätsklinikum in Heidelberg

Im Frühjahr 2016 ging in Heidelberg in Kooperation mit dem Medizintechnologieunternehmen BD eine vollautomatisierte Laborstraße an den Start. Dort werden Proben für Patienten-Screening und mikrobiologische Diagnostik analysiert – eine Premiere an einer deutschen Universitätsklinik. Die Inbetriebnahme der Anlage gab zugleich den Startschuss für eine Studie. Darin untersuchen Forscher, inwieweit die Automatisierung dazu beitragen kann, die Verbreitung von Keimen in der Klinik zu vermeiden und den Umgang mit Antibiotikaresistenzen zu verbessern. Beides sind zentrale Herausforderungen für Versorgungseinrichtungen im deutschen Gesundheitswesen.

Automatisierte Laborstraße im Universtitätsklinikum Heidelberg
Die vollautomatisierte Laborstraße für Patienten-Screening und mikrobiologische Diagnostik am Universitätsklinikum Heidelberg soll den Medizinern schneller Ergebnisse liefern (Bild: Universitätsklinikum Heidelberg)

Die Laborstraße BD Kiestra TLA – Total Lab Automation –  in der Abteilung für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene umfasst miteinander verbundene, vollautomatisierte Apparate und Vorrichtungen. Damit werden

  • Bakterienkulturen aus Patientenproben angelegt und sortiert,
  • elektronische Bilder aufgenommen und verarbeitet sowie
  • Kulturschalen zu den angeschlossenen Arbeitsplätzen und weiteren diagnostischen Geräten transportiert.

Die automatisierte Laborstraße hatte einen Wert von rund 3 Mio. Euro.

Mikrobiologische Diagnostik auf dem Medizin-Campus hat Vorteile: Gerade bei kritischen Infektionen wie einer Sepsis profitieren die Patienten davon, dass die Infektiologen schnell erreichbar sind und die behandelnden Ärzte hinsichtlich der passenden Antibiotika-Therapie vor Ort beraten können. Von einer möglichst schnellen und präzisen Diagnose hängt es auch ab, ob eine Ausbreitung resistenter Keime auf den Stationen verhindert werden kann.

Eine Mitarbeiterin bedient due automatisierte Laborstraße am Universitätsklinikum Heidelberg
Fehlende Fachkräfte sind ein Problem für die Arbeit im Labor. Die Automatisierung soll helfen, mit den wenigen verfügbaren Mitarbeitern einen hohen Duchsatz zu erzielen (Bild: Universitätsklinikum Hiedelberg)

Am Universitätsklinikum Heidelberg werden sämtliche neu aufgenommene Patienten, die ein erhöhtes Risiko tragen, mit resistenten Keimen besiedelt zu sein, routinemäßig getestet. Dazu zählen Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Altersheimen, Patienten aus anderen Krankenhäusern oder Kranke nach einem Aufenthalt in südlichen Ländern, in denen Resistenzen häufig sind. Insgesamt sind das rund 40.000 Patienten pro Jahr. Gleichzeitig läuft eines der deutschlandweit umfangreichsten Resistenz-Screenings. In Folge fallen täglich zwischen 7000 und 8000 zu begutachtende Anzuchtschalen an, Tendenz steigend.


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