Worauf Patienten im arabischen Raum, Unternehmer im Gesundheitsbereich und die Scheichs Wert legen, hat Prof. Hans Schweisfurth beim Aufbau neuer Krankenhäuser erfahren. Technik, Preis und Nachhaltigkeit sind in dieser Region ein Thema – aber nicht bei allen in gleichem Maß.
Herr Professor Schweisfurth, warum sind Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate für deutsche Hersteller von Medizinprodukten so interessant?
Dafür gibt es drei Gründe: Erstens muss in dieser Region immer noch ein Defizit in der medizinischen Versorgung ausgeglichen werden. Zweitens ist genug Geld und auch der Wille da, um dieser Aufgabe nachzukommen. Drittens genießen Produkte aus Deutschland – seien es Autos, Haushaltsgeräte oder Medizintechnik – ein unglaublich hohes Ansehen. Was aus China, Indien oder auch aus Amerika kommt, wird bisher gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.
Profitieren denn die Unternehmen davon?
Längst nicht in dem Maße, wie sie es könnten. Als wir eine Vielzahl von Geräten zum Beispiel für das Saudi-German Hospital in Dubai mit seinen 300 Betten beschaffen wollten, haben wir den direkten Kontakt zu Herstellern in Deutschland gesucht. Der Rest lief über Vertragspartner in den Vereinigten Arabischen Emiraten – und meine Erfahrungen mit dieser Art der Geschäftsabwicklung waren nicht positiv. Oftmals war über die Lieferung hinaus wenig Verständnis für die Geräte vorhanden, und die Schulung unserer Mitarbeiter mussten wir selbst übernehmen. Dabei gibt es bessere Möglichkeiten, als den offiziell vorgeschriebenen, aber beschwerlichen Weg über einen einheimischen Partner. Es ist zulässig, mit relativ wenig bürokratischem Aufwand in der Free Zone ein eigenes Büro zu eröffnen. Von dort aus kann ein Hersteller dann alle staatlichen und vor allem natürlich die im Aufbau befindlichen privaten Krankenhäuser beliefern. Ich habe das im November auf der Medica in einem Vortrag angesprochen und bin mit Herstellern ins Gespräch gekommen. Es ist erstaunlich, dass die Möglichkeiten der Free Zone anscheinend so wenig bekannt sind und nicht genug genutzt werden.
Worauf legen denn die Entscheider in den arabischen Ländern Wert, wenn Produkte ausgewählt werden?
Da muss man zwischen Theorie und Praxis unterscheiden. Der Wille, hohe Qualität in der medizinischen Versorgung anzubieten, ist sicher ein Punkt, der alle eint. Schließlich wird die Region als Schnittstelle zwischen Europa, Afrika und Asien mit einer Bevölkerung von insgesamt rund vier Milliarden Menschen gesehen, von denen eine große Zahl als Medizintouristen in Dubai sehr willkommen wären. Nicht umsonst entsteht hier der größte Flughafen der Welt mit einer Kapazität, die rund das Dreieinhalbfache des Frankfurter Flughafens beträgt. Man will also vorbereitet sein. Darüber hinaus gibt es aber deutliche Unterschiede zwischen dem, was die Führungspersonen – also die jeweiligen Scheichs – vorgeben, und dem, was private Betreiber der Krankenhäuser umsetzen.
Welche Unterschiede sind das?
Die Scheichs haben eine sehr moderne Sicht auf die Dinge. Sie sehen die Notwendigkeit, die medizinische Versorgung zu verbessern, zunächst natürlich für die einheimische Bevölkerung. Also stellen sie privaten Unternehmen kostenlos Grundstücke und zum Teil viel Geld zur Verfügung, um moderne Einrichtungen aufzubauen. Im Gegenzug fordern sie zum Beispiel, dass Nachhaltigkeit den Bau und die Ausstattung der Kliniken bestimmen soll. Da die Umsetzung aber in der Hand der Investoren liegt und diese weniger kontrolliert werden, als wir uns das in Europa vorstellen können, spielen letztlich finanzielle Überlegungen bei den Entscheidungen die größte Rolle. Ideal für den arabischen Markt ist also ein Produkt mit bestem technischen Ruf, über dessen Preis gemäß der lokalen Kultur noch verhandelt werden kann.
Wirkt sich die Großzügigkeit der Scheichs positiv auf den medizinischen Alltag aus?
Noch nicht, wenn man es genau betrachtet. Dazu ist der Prozess nicht weit genug fortgeschritten. Angesichts der durchaus zutreffenden Berichte über diesen boomenden Markt macht man sich in Europa leicht ein falsches Bild vom derzeitigen Leistungsspektrum der Krankenhäuser. Mancherorts ist die Technik noch unvollständig und sehr einfach. In Dubai gibt es zum Beispiel nur zwei CT-PET-Geräte und ein Bestrahlungsgerät für die Krebstherapie. Und vor allem: Es mangelt an Personal auf allen Ebenen. Die meisten Schwestern kommen von den Philippinen, sind sehr gut ausgebildet – fast vergleichbar mit einem Studium –, haben aber fast keine praktische Erfahrung. Sie oder ihre Kolleginnen aus Indien einzulernen, braucht Zeit. Ähnlich ist die Situation bei Technikern und Ärzten. Ich habe rund tausend deutsche Bewerber in Dubai gesprochen. Die wenigsten haben einen Vertrag unterschrieben, denn die Bezahlung ist nicht besser als in Deutschland, aber die Bedingungen sind aus den genannten Gründen schwieriger.
Was würden Sie deutschen Herstellern empfehlen?
Die Chance, die sich im arabischen Raum bietet, zu nutzen und sich mit den Möglichkeiten eines eigenen Büros im Land zu beschäftigen. Wenn jemand das medizinische Personal an den neu gelieferten Geräten richtig einweisen und schulen würde, könnte das Vieles erleichtern.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Prof. Schweisfurth ist Facharzt unter anderem für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Medikamentöse Tumortherapie und Rehabilitationswesen sowie Direktor des Pulmologischen Forschungsinstituts in Cottbus. Er hat mit medizin&technik detaillierter über die Arbeit als Arzt im arabischen Raum gesprochen. Das entsprechende Interview steht Im Online-Magazin unter www.medizin-und-technik.de/naher-und-mittlerer-osten Mehr über die Dubai Health Care City DHCC: www.dhcc.ae
Saudi-German Hospital
Die Saudi German Hospitals Group eröffnete am 19. März 2012 in Dubai ihr neues Flaggschiff für den Mittleren Osten und Afrika. Es soll nach eigenen Angaben „die Standards des zeitgemäßen deutschen Gesundheitswesens“ zur dortigen Community bringen. Behandelt werden sowohl die Einwohner Dubais als auch Medizintouristen aus der Region. Als ärztlicher Direktor hat Prof. Hans Schweisfurth diesen Prozess von 2011 bis 2012 begleitet.
Die Saudi German Hospitals Group ist die größte private Klinik-Gruppe im Mittleren Osten und Afrika. Das SGH Dubai verfügt über 300 Betten und ist etwa 12 km von der City entfernt. Im Umkreis sollen in Zukunft sechs auf je ein Fachgebiet spezialisierte Zentren in Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten entstehen. Ein Ausbildungszentrum soll dabei die Fach-Kenntnisse der Ärzte und Krankenschwestern auf dem neuesten Stand halten. Krankenhäuser auch in den anderen Emiraten sind geplant.
Weitere Informationen: http://sghdubai.com/
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