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„Es fehlt nicht an Wissen, sondern an Bewusstsein“

Krankenhaushygiene: Was Medizinprodukte dazu beitragen können und müssen
„Es fehlt nicht an Wissen, sondern an Bewusstsein“

Mangelnde Sauberkeit im Krankenhaus ist vielfach ein menschliches Problem. Was Hygienefachärzte verbessern wollen und worauf sie bei Medizinprodukten Wert legen, erläutert Experte Dr. med. Klaus-Dieter Zastrow.

Herr Dr. Zastrow, nach dem Tod dreier Säuglinge in Mainz ist eine Diskussion um die Hygiene in Krankenhäusern entbrannt. Was sind Ihrer Erfahrung nach die Hauptursachen für Hygieneprobleme?

Wir beobachten, dass es den Mitarbeitern im Krankenhaus oftmals am Bewußtsein für Hygienefragen mangelt. Häufig sind auch die Kenntnisse in diesem Bereich nicht ausreichend. Und vor allem sind sich viele über die Tragweite ihres Handelns nicht im Klaren. Zu kurze Einwirkzeiten bei der Handdesinfektion oder ein schlecht sitzender Nasenschutz gelten als Kavaliersdelikt, können aber katastrophale Folgen haben.
Was würden Hygienefachleute in den Krankenhäusern am liebsten ändern?
Wir wissen genau, was gegen Viren und Bakterien zu tun ist. Bis auf Unterschiede, die sich aus dem Vorhandensein oder Fehlen einzelner Fachdisziplinen ergeben, dürften solche Pläne für die einzelnen Häuser recht ähnlich sein. Jedes Krankenhaus muss heute einen Hygieneplan haben. Schön wäre es, wenn dieser auch sachgerecht umgesetzt würde.
Einige wenige Kliniken in Deutschland arbeiten bereits mit einem Hygienefachmann oder einer Fachfrau im eigenen Haus. Was ist dort anders?
Ein Hygienefacharzt kann überwachen, dass alle Vorgaben zur Hygiene auch eingehalten werden. Er ist immer mal wieder dabei, wenn ein Katheter gelegt oder ein Verband gewechselt wird und kann die Mitarbeiter darauf aufmerksam machen, wenn ein Fehler auftaucht, damit sich dieser nicht wiederholt. Denn die besten Medizinprodukte helfen uns ja nichts, wenn menschliche Schwächen uns daran hindern, die Stärken des Materials zu nutzen.
Worauf achten diese Hygiene-Fachleute, gerade im Zusammenhang mit Medizinprodukten?
Bei Produkten, die für eine Wiederaufbereitung vorgesehen sind, schauen wir uns die Möglichkeiten dafür natürlich genau an. Die deutschen Hersteller halten meistens, was sie in dieser Hinsicht versprechen – sie wissen ja auch, dass ihre Produkte ansonsten einfach aussortiert werden und keine Chance mehr haben. Aber es gibt immer wieder Produkte, die weder mit Alkohol noch Chemikalien oder höheren Temperaturen in Kontakt kommen dürfen. Dann bleibt am Ende nur ein feuchter Lappen mit etwas Seife zum Reinigen. Die Erreger, die uns Sorge machen, können wir damit aber nicht abtöten. Solche Produkte kommen mir daher nicht ins Haus.
Sie beraten Krankenhäuser bei der Auswahl der Produkte. Wie bewerten Sie Medizinprodukte aus Sicht des Hygienikers?
Vieles ist schon gut. Man muss sich aber über einige Dinge schon im Vorfeld Gedanken machen. Nehmen wir das Beispiel der Koloskopie. Die Technik dafür ist weit entwickelt, die Geräte sind kleine Wunderwerke – mit entsprechendem Preis. Aber um sie richtig zu reinigen, muss man sie für 45 Minuten aus dem Verkehr ziehen. Wenn ein Krankenhaus also eine Vielzahl von Untersuchungen machen will, müssen entsprechend viele Geräte beschafft werden. Sonst lassen sich die schönen Pläne nicht umsetzen. Ähnliches gilt für Ultraschallköpfe, die eine Behandlung mit Alkohol nicht vertragen und mit anderen Mitteln entsprechend länger gereinigt werden müssen. Da bekommen wir es immer wieder mit tricksenden Klinikern zu tun, die dennoch ihre zehn Untersuchungen am Vormittag über die Bühne kriegen wollen.
Was könnten die Hersteller der Medizinprodukte verändern, um die Anwendung ihrer Produkte aus hygienischer Sicht zu verbessern?
Prinzipiell gilt: Je einfacher, desto sicherer. Um den menschlichen Schwächen möglichst wenig Ansatzpunkte zu bieten, sollten die Produkte so einfach wie möglich zu reinigen oder auch aufzubereiten sein. Wirklich nützlich wäre es, wenn die wiederaufbereitbaren Produkte eine integrierte Funktion hätten, die den Erfolg der Wiederaufbereitung signalisiert. Eine Ampelfunktion würde da schon genügen. Bisher behelfen wir uns mit Indikatorpapier, das wir von außen aufbringen.
Werden die Möglichkeiten der Reinigung bei der Entwicklung neuer Medizinprodukte ausreichend beachtet?
Ich denke ja. Aber manchmal begegnen einem exotische Geräte oder Produkte, die ein Arzt vielleicht von einem ausländischen Kongress mitbringt. Dann müssen wir im Einzellfall entscheiden, ob und wie sich dieses Produkt aufbereiten lässt.
Es gibt in Deutschland nur fünf Bundesländer, in denen eine Hygieneverordnung für Krankenhäuser gilt. Wäre eine bundesweit einheitliche Verordnung hilfreich?
Ja, denn wir sollten die Lücke in den elf Ländern schließen und einen einheitlichen Standard haben. Einige Passagen aus den fünf vorhandenen Verordnungen wären nicht einmal erforderlich. Aber einen zuständigen Hygienefacharzt für jedes Haus vorzuschreiben, halte ich für sehr sinnvoll – er hat eine fünfjährige Facharztausbildung absolviert und kann jede anfallende Frage klären. Ein hygienebeauftragter Arzt – der also eine Facharztqualifikation hat, in Hygienefragen aber nur eine Schulung von 40 Stunden belegt – kann nicht mehr als ein Vermittler zwischen Basis und Fachmann sein. Ein in Vollzeit festangestellter Arzt für Hygiene ist ab etwa 400 Betten erforderlich.
Würde ein bundeseinheitlicher Standard die Medizinproduktehersteller betreffen?
Nein, das ist nicht zu erwarten. In diesen Verordnungen geht es um die menschlichen und organisatorischen Vorgaben.
Ist es um die Hygiene in den Krankenhäusern im Ausland besser bestellt?
Für viele Länder gibt es nicht einmal Statistiken über die Wundinfektion. Dass diese dennoch auftreten und die Heilung verzögern oder Schlimmeres anrichten, habe ich selbst beobachtet. In Deutschland sind wir mit einer Infektionsrate von 5 Prozent in der Spitzengruppe im internationalen Vergleich, Skandinavien und die Schweiz stehen auch sehr gut da. Aber hinter den 5 Prozent stehen leider 800 000 einzelne Fälle, in denen es Probleme gibt. Wenn wir alle zur Verfügung stehenden Hygienemaßnahmen nutzen würden, könnten wir die Hälfte dieser Infektionen verhindern. Ich denke, diese Anstrengung sollten wir unternehmen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V., Berlin www.dgkh.de Dr. Klaus-Dieter Zastrow www.drzastrow.de

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