Statt durch die Bauchdecke zu operieren, wollen Gefäßchirurgen ihre Instrumente durch die Adern an den Ort des Eingriffs bringen. Kleinere Systeme und die Simulation mit Original-Patientendaten würden laut Dr. Hans-Joachim Florek dabei helfen.
Herr Dr. Florek, welche Rolle spielen Medizingeräte heute für Diagnostik und Behandlung von Gefäßkrankheiten?
Ohne Geräte wäre das, was wir heute an Gefäßmedizin betreiben, überhaupt nicht möglich. Vor allem in den vergangenen Jahren hat die Entwicklung der hochauflösenden CT und digitalen Angiographie auf der Basis von MR-Geräten viel gebracht, denn damit können wir das komplette Gefäßsystem in einem Untersuchungsgang darstellen. Manche bisherigen Verfahren, die das Injizieren von Kontrastmittel in die Arterien erforderten und oft zu Komplikationen führten, bleiben den Patienten damit erspart oder werden nur noch in Spezialfällen eingesetzt.
Welche Verbesserungen wünschen Sie sich an modernen Diagnose-Geräten?
Ablagerungen, Verengungen oder Erweiterungen an den Gefäßen sind so kleine Strukturen, dass die heutige Fehlerbreite der CT- und MR-Geräte keine hundertprozentigen Ergebnisse liefert – es ist also immer noch sehr viel Erfahrung notwendig, um die Bilder zu interpretieren, und in etwa zehn Prozent der Fälle kommen wir nicht umhin, doch die herkömmlichen, für den Patienten belastenderen Verfahren einzusetzen. Da sehe ich Potenzial für Verbesserungen.
Wie wichtig ist die Software in diesem Zusammenhang?
Alle CT- und MR-Darstellungen beruhen auf der Auswertung der Daten, und je schneller und genauer das funktioniert, desto besser. Wenn wir jedoch Gefäßaufweitungen im Bauchraum künftig weniger durch Operationen mit Schnitt durch die Bauchdecke behandeln wollen und statt dessen von innen durch die Gefäße arbeiten, brauchen wir ganz andere Ansätze für die Auswertung.
Welche Ansätze wären das?
Um ein Aneurysma, eine Aufweitung im Gefäß, mit einem Stentgraft zu therapieren, brauche ich schon vor dem Eingriff eine sehr detaillierte Darstellung. Ich möchte am Computer alle Einzelheiten, Krümmungen und Kalkablagerungen der Gefäße meines Patienten sehen, möchte die Länge und den Durchmesser des Stents bestimmen und ihn virtuell in die Daten des Patienten einbinden können. Nur dann weiß ich rechtzeitig, ob alles optimal aufeinander abgestimmt ist und dass es keine undichte Stelle gibt, weil sich irgendwo eine Ablagerung verbirgt. Heute muss der Chirurg das `per Hand´machen und sich auf seine Erfahrung verlassen. Eine Software, die mich darin unterstützt, wäre viel wert.
Abgesehen von der Bildgebung: Welche neuen Geräte wären sonst noch hilfreich?
Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft der Gefäßchirurgie endovaskulär ist, wir also die Krankheiten noch stärker als bisher behandeln, indem wir den Zugang durch die Gefäße selbst suchen. Dafür brauchen wir vermehrt Geräte, mit denen wir durch die Gefäße in der Leistenbeuge in alle Körperregionen vordringen können. Diese Adern haben Durchmesser von etwa sieben Millimetern. Viele technische Systeme haben heute einen großen Durchmesser, vereinzelt gibt es kleinere. Für die Zukunft halte ich Lösungen mit etwa zehn bis fünf French, also rund drei bis eineinhalb Millimetern Durchmesser, für sehr wünschenswert.
Lassen sich Lösungen aus anderen chirurgischen Disziplinen für Gefäße nutzen?
Für die Chirurgie an Lunge und Darm stehen Klammer- und Nahtgeräte zur Verfügung, die in abgewandelter Form für die Behandlung von Gefäßkrankheiten interessant wären. Wenn wir Gefäße operieren, müssen wir deren Enden miteinander verbinden. Diese Nahtstellen, so genannte Anastomosen, sind häufig der Ursprung von Problemen: Sobald wir die Klemmen an den Adern lösen, wirkt der volle Blutdruck darauf. Der Chirurg braucht viel Gefühl, um die Naht fest genug zu ziehen, so dass sie dicht ist, aber nicht so fest, dass Gewebe abstirbt. Daher sollte man an resorbierbaren Gefäßklammern oder Nahtgeräten, die hier eine reproduzierbare Qualität ermöglichen, intensiv arbeiten. Die miniaturisierten Systeme, mit denen Chirurgen an Lunge und Darm arbeiten, könnte man dafür weiterentwickeln, so dass sie auch Nähte an Blutgefäßen dicht schließen und dennoch genug Lumen für den Blutstrom lassen.
Ist bei den Stents die Entwicklung schon am Optimum angelangt?
Wir haben heute mehr als genug Stent-Systeme, die sich zum Teil nur in Details unterscheiden. Interessant wären neue Stents aus Materialien wie beispielsweise Magnesium-Legierungen oder in Zukunft vielleicht sogar aus resorbierbaren Kunststoffen – sofern sie mit bildgebenden Verfahren bei der Operation zu erkennen sind, also eine geeignete Markierung tragen. Das ist heute leider nicht üblich, und es nützt mir für eine exakte Platzierung nicht viel, wenn ich nur den Katheter sehe.
Was bringen Stents, die Medikamente freisetzen?
Meiner Ansicht nach sind diese Stents Segen und Fluch. Im Herzbereich können freigesetzte Medikamente, die das Einwachsen von Zellen verhindern, nützlich sein. Da aber parallel dazu gerinnungshemmende Medikamente gegeben werden müssen, ist das Risiko groß. Sobald eine weitere Operation erforderlich wird, muss die Blutgerinnung wiederhergestellt werden, und das behandelte Gefäß im Herzbereich könnte verstopfen. Damit besteht Lebensgefahr, und daher ist das Risiko hier größer als der Nutzen. Für Gefäße im Oberschenkelbereich hingegen sind diese Stents interessant, denn dort ist das Risiko, das von einem verstopften Gefäß ausgeht, nicht so groß.
Krampfadern werden heute mit Laserstrahlen oder Hochfrequenzwellen verödet. Wie bewerten Sie die dafür zur Verfügung stehende Technik?
Hier wäre es wichtig, einen automatischen Überhitzungsschutz vorzusehen, um Verbrennungen auszuschließen. Darüber hinaus kontrolliert der Mediziner seine Arbeit mit Ultraschall. Ein teures Ultraschallgerät, das wir zur Diagnose von Gefäßkrankheiten brauchen, ist hiefür überdimensioniert. Es wäre also sowohl unter dem Kostenaspekt als auch aus Platzgründen im OP sinnvoll, Geräte mit Laser oder Hochfrequenzwellen auch mit einem einfachen Ultraschallkopf auszustatten.
Wie sehen Sie die Zukunft der Therapie von Gefäßkrankheiten?
Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen ganz oben in den Kranken-Statistiken. Das wird sich auf lange Sicht nur ändern, wenn jeder seine Risikofaktoren beeinflusst, sich gesund ernährt und Sport treibt. Dieser Prozess dauert sicherlich noch Jahrzehnte. Inzwischen werden Therapiemöglichkeiten auf biologischer Basis wie die Behandlung mit Stammzellen neue Chancen eröffnen. Aber für die nächsten hundert Jahre sind wir auf jeden Fall noch auf innovative Technik angewiesen, um Gefäßkrankheiten entgegenzutreten.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie www.dgg.de Dr. Hans-Joachim Florek, Dresden E-Mail: Florek-Ha@khdf.de
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