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Audio-System für die OP-Ausstattung: Leiser und smarter operieren

Audio- und Informationsmanagement im OP
OP-Ausstattung: Audio-System filtert im OP die wichtigen Infos

OP-Ausstattung: Audio-System filtert im OP die wichtigen Infos
PD Dr. med. Martin G. Friedrich leitet die Abteilung Klinische Forschung und Entwicklung an der Universitätsmedizin Göttingen und ist Oberarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Neben seiner medizinischen Tätigkeit lehrt er im Fach Medizintechnik und ist im Technologietransfer aktiv (Bild: Universitätsmedizin Göttingen)
Radio im OP? Das lenkt zu sehr ab, fand vor einigen Jahren der Göttinger Herzchirurg PD Dr. Martin G. Friedrich. Er kam schnell auf die Idee, ein Vakuum im Hightech-Umfeld der OP-Ausstattung mit einer eigenen Entwicklung zu füllen. Hier erläutert er, worum es ihm bei seinem Audio-System für den OP geht und wie er das Projekt mit Medizinprodukteherstellern weiterführen will.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Dr. Friedrich, sehen Sie sich vorwiegend als Mediziner oder eher als Medizintechniker?

Mir liegt beides am Herzen. Als Mediziner möchte ich die besten Ergebnisse für den Patienten erreichen – und dafür brauche ich die geeignete Technik. Umgekehrt hat mich die technische Seite schon immer begeistert. Wenn Ingenieure die Erfahrungen und Anforderungen der Ärzte kennen, entstehen am Ende die besten Produkte. Dafür setze ich mich ein – und daran arbeite ich mit und habe inzwischen ein Start-up ausgegründet, die Silent Hightech Solutions GmbH. Dieses bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Arzt und Ingenieur, und wir arbeiten unter anderem an einer Audio-Plattform für den OP oder andere Hightech-Umgebungen.

Wie kann ein Audio-System als Ergänzung der OP-Ausstattung die Arbeit des OP-Teams verbessern?

Um unseren Ansatz zu verstehen, muss man sich kurz die Situation vorstellen. Im OP sind mehrere Akteure, die Informationen austauschen und dann abwechselnd zu tun haben oder auch abwarten müssen. Parallel laufen viele Geräte und erzeugen Geräusche, oft spielt im Hintergrund das Radio oder eine Musik-CD. Wenn ich als Operateur gerade sehr konzentriert arbeite, kann der Lärmpegel insgesamt störend sein – oder es lenkt mich ab, wenn die OP-Schwester dem Springer erklärt, in welchem Schrank ein benötigtes Produkt zu finden ist. Unser Ziel ist es, mit moderner Audiotechnik dafür zu sorgen, dass jeder im OP nur das hört, was er gerade wissen muss. Mit unserem System Sotos lässt sich das erreichen.

Was bietet Ihr Audiosystem bisher?

Alle Anwesenden tragen Kopfhörer und sind digital bestimmten Audio-Gruppen zugeordnet. Diese managt ein zentrales System. Alle hören den Chef-Operateur – das ist aus Sicherheitsgründen erforderlich. Und wenn der leitende Chirurg spricht, werden alle anderen Quellen automatisch leiser geschaltet. Ansonsten aber kann sich jeder beliebig mit den Mitgliedern seiner jeweiligen Gruppe austauschen, wenn der Verlauf der OP das zulässt, kann auch seine Lieblingsmusik hören, ohne dass es jemand anders stört.

Welche konkreten Vorteile ergeben sich daraus?

Insgesamt ist der Geräuschpegel deutlich niedriger, jeder bekommt sofort und gut verständlich alle erforderlichen Informationen. Das ist sicherer, weil keine Details verlorengehen oder wiederholt werden müssen. Und es ist hygienischer, weil wir weniger und leiser sprechen und damit das Risiko sinkt, dass Partikel oder Keime ins OP-Feld gelangen. Sogar die Operationsdauer verkürzt sich so.

Ideen sprudeln von Anfang an

Wie lange testen Sie das Audio-System für den OP schon, und gibt es bereits Anwender?

Die ersten Tests mit selbstgebauten Lösungen haben wir schon vor einigen Jahren durchgeführt. Da bin ich zunächst auch auf große Skepsis gestoßen. Die praktische Anwendung und die Vorteile, die sich daraus ergeben, haben die anfänglichen Zweifel aber schnell überwunden. Inzwischen gibt es als erstes Produkt ein Audio-System für den OP, das auf dem Markt ist und abgesehen von uns im Uniklinikum Göttingen auch schon in Eindhoven und München genutzt wird. Dass unser System Sotos – die Abkürzung für Silent Operating Theatre Optimization System – die erwähnten Vorteile bringt, können wir mittlerweile durch Studien belegen. Andere Kliniken haben ebenfalls Interesse geäußert, aber die finanzielle Lage ist zum Teil schwierig.

Gilt so eine Audio-Plattform für den OP bereits als Medizinprodukt?

Nein, in der beschriebenen Form ist es lediglich eine neue Kommunikationsmöglichkeit. Aber wir haben eine Menge Ideen, was wir mit so einer Audio-Plattform noch alles tun können, um die Abläufe zu verbessern. Sobald wir das umsetzen, würde das System selbst zum Medizinprodukt und muss dann auch als solches gemäß Medical Device Regulation zertifiziert werden.

Welche zusätzlichen Aufgaben könnte Ihre Plattform Sotos im OP-Umfeld übernehmen?

Wir können heute die Sprache nicht nur direkt am Mund aufnehmen und nach Bedarf an die Kopfhörer verteilen. So ein System könnte zum Beispiel auch Protokoll führen während eines Eingriffes. Im einfachsten Fall würde es dabei ein Transkript des gesprochenen Wortes erstellen, das dann im Nachgang nur noch überarbeitet werden muss. Oder, im fortgeschrittenen Fall, unter Einsatz einer KI sogar den OP-Bericht weitgehend eigenständig erfassen. Oft laufen die Eingriffe ja mit einer Reihe von Routineschritten ab, für die es angemessen formulierte Textblöcke geben kann – die das System gemäß der erkannten Kommunikation zusammenstellt. Aber das ist nicht alles. Ich würde gern auch Alarme und die Kommunikation mit der Technik mit einbeziehen.

Hat es dazu schon Anläufe gegeben?

Erste Versuche von Sprachsteuerungen im OP sind vor Jahren daran gescheitert, dass es in der Umgebung einfach insgesamt zu laut ist. Das Problem könnten wir mit den Mikrofonen und Kopfhörern allerdings lösen.

Beschäftigen sich Medizinprodukte-Hersteller ausreichend mit dem Thema?

Ich denke nicht. Wir sind auf dem Weg zu Medizin 4.0 – aber dahin müssen wir uns erst noch entwickeln und sind heute noch weit entfernt davon, wenn man ehrlich ist. Es wird aber ein hoher Bedarf für integrative Lösungen entstehen. Und mein Eindruck ist, dass die Hersteller solche Entwicklungen noch nicht ausreichend umsetzen.

Welche Audio-Kanäle würden Sie sich bei Medizinprodukten für den OP wünschen?

Im Ist-Zustand läuft vieles über Monitore, Anzeigen oder Alarmsignale. Das muss ich alles integrieren, während ich operiere. Nehmen wir das Beispiel der Alarme: In der Summe ist das eher eine Form von Lärm, der sich im OP verbreitet. Aber wenn die Geräte mit dem Audio-System vernetzt wären, könnte sich eine Maschine auch angenehm akustisch und präzise beim Team melden. Uns durch Sprache mitteilen, was genau los ist. Und wenn man das zu Ende denkt, könnte sogar jedes Gerät eine erkennbare eigene Stimme haben. Dann müsste es sich nicht einmal mit den Worten ‚Hier ist der Perfusor XY‘ anmelden, sondern das Team hört schon an der Stimme, wer oder besser welches Gerät etwas mitteilt. So etwas können Menschen sehr gut unterscheiden. Nehmen Sie als Beispiel die Stimme und Sprechweise von Angela Merkel: Beides würden Sie erkennen, auch wenn Sie kein Bild dazu sehen, und ohne dass jemand erklärt, wer spricht.

Werden Sie mit dem Start-up Silent Hightech Solutions demnächst Weiterentwicklungen auf den Weg bringen?

Wie möchten das System sehr gern weiterentwickeln, sind uns aber auch darüber im Klaren, dass es eine große Aufgabe wäre, es eines Tages als Medizinprodukt zu zertifizieren. Daher möchten wir mit Partnern aus der Medizintechnik-Industrie zusammenarbeiten – es gibt ja eine Reihe von Akteuren, die mit ihrer Technik im OP präsent sind. Wir haben auch durchaus weitere Anwendungen im Hightech-Umfeld im Blick: Es gibt ja nicht nur verschiedene Typen von OPs, sondern auch Laborumgebungen, in denen ein Audio-System sinnvoll sein könnte. Da sind der Fantasie auf dem Weg zur Medizin 4.0 ja beinahe keine Grenzen gesetzt. Und daran wollen wir mitarbeiten.


Alle Akteure im OP tragen Kopfhörer und Mikrofon. Die Plattform Sotos verteilt die akustischen Botschaften an alle Teilnehmer aus der gleichen Audio-Gruppe
(Bild: Silent Higtech Sollutions)

Start-up entwickelt Audio-Plattform für den OP

Das 2021 gegründete Start-up Silent Hightech Solutions GmbH ist eine Ausgründung aus der Universitätsmedizin Göttingen. Es bietet als Produkt unter anderem eine hochspezialisierte Audio-Plattform für Hightech-Umgebungen an. Diese soll die Kommunikation im Team verbessern und ist bereits in Deutschland patentiert. Die Internationalisierung des Patentes läuft gerade.

Um die Audio-Plattform namens Sotos zu nutzen, tragen alle Beteiligten In-Ear- oder On-Ear-Kopfhörer sowie hochwertige Richtmikrofone direkt in Mundnähe. Was gesprochen wird, überträgt das System kabellos. Dafür tragen die Anwender zwei Body-Packs mit Sender und Empfänger. Jemand, der den Arbeitsbereich spontan betritt, kann einen zusätzlichen kabelgebundenen Kopfhörer verwenden und so ebenfalls an der Unterhaltung teilnehmen.

Im digitalisierten Herzstück hat ein Team, das dieses System nutzt, diverse Wahlmöglichkeiten. Jeder Teilnehmer kann individuell die Musik auswählen, die er hört. Er ist einer Audio-Gruppe zugeordnet, in der alle für seine Tätigkeit wichtigen Informationen hörbar sind. Die Einstellungen können an einem Touchscreen erfolgen oder über eine App.

Eine Notfall-Funktion unterbindet alle Übertragungen von Musik und sorgt sofort dafür, dass die Anweisungen des Teamleiters für alle akustisch in den Vordergrund gerückt sind – aber jeder kann sich am Austausch mit allen anderen beteiligen.

Eine Vernetzung der Sotos-Plattform mit den Geräten im (Hybrid-)OP-Saal, auf einer Intensivstation oder in einem modernen Labor ist möglich.

Um die Lautstärke geht es auch bei einem anderen Projekt des Start-ups: So entsteht ein „Sauger, der nicht schlürft“, wie es Geschäftsführer PD Dr. Martin Friedrich beschreibt. Abgesehen vom Geräusch habe so ein Sauger auch den Vorteil, dass er das angesaugte Blut nicht zerstört. Dafür sorgen Sensoren, die Turbulenzen erkennen. Das ermögliche es, den Saugvorgang blutschonend zu gestalten.

https://silent-ht-solutions.com

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