Frauen haben ein dreifach höheres Risiko als Männer, an Multipler Sklerose zu erkranken. Multiple Sklerose (MS) ist die am weitesten verbreitete Autoimmunerkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft und durch den Verlust der schützenden Myelinscheiden gekennzeichnet ist. Dennoch zeigen Männer mit MS eine stärkere Schädigung der Nervenfasern und sogar höhere Raten von Behinderungen und Sterblichkeit.
Signalkaskaden von Immunzellen und Gliazellen scheinen dabei eine besondere Rolle zu spielen. Aber die genauen Ursachen der MS sind noch unbekannt.
Gender Medizin: Sensibler dafür, dass Körper verschieden reagieren
Ein weiteres Beispiel: Ein plötzlicher, sehr starker Schmerz im Brustkorb, der auch in den linken Arm ausstrahlt: Wenn ein Mann diese Symptome spürt, heißt es, sofort den Notarzt zu rufen. Denn es könnte ein Herzinfarkt sein. Bei einer Frau sieht die Sache etwas diffuser aus. Bei einem Herzinfarkt leiden sie häufiger an unspezifischen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Atemnot und Schmerzen im Oberbauch. Dies sind nur wenige Beispiele für Krankheitsphänomene, die sich bei Männern und Frauen unterschiedlich zeigen. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Symptome sind geschlechtsspezifisch – daher ist Gender Medicine sinnvoll
Das Bewusstsein dafür, dass Männer und Frauen unterschiedliche Symptome aufweisen können und unterschiedlich auf Medikamente reagieren, ist in der Medizin inzwischen vorhanden. Die Forschung dazu steht jedoch noch am Anfang. Forschende der Universität des Saarlandes möchten dies in Zukunft ändern. Auf Initiative des Dekans der Medizinischen Fakultät, Professor Michael Menger, sowie der Professorin Sandra Iden und den Professoren Frank Kirchhoff und Ulrich Boehm gründete das Präsidium der Universität daher das „Centrum für geschlechtsspezifische Biologie und Medizin“, kurz CGBM.
„Die Grundidee dahinter ist, dass wir die herausragende Expertise auf dem Gebiet der zellulären Signalverarbeitung, die an der Universität des Saarlandes über Jahrzehnte aufgebaut wurde, in einem Zentrum bündeln, um auf dieser Grundlage die Mechanismen von geschlechtsabhängigen Krankheitsverläufen zu untersuchen“, erläutert Frank Kirchhoff.
Krankheiten, so der Professor für Molekulare Physiologie, entstehen selten in einem einzigen Organ. Meist spielen mehrere Organe, die miteinander auf zellulärer Ebene kommunizieren, eine Rolle bei solchen Krankheiten. „Solche Komorbiditäten und deren geschlechtsspezifische Unterschiede und Pathomechanismen stehen im Mittelpunkt der Forschung“, unterstreicht Sandra Iden, Professorin für Zell- und Entwicklungsbiologie an der Universität des Saarlandes.
Gender Medicine: Innovationsschub durch Forschung
„Dieses bedeutende Themenfeld ist bisher kaum auf institutionelle Füße gestellt, so dass wir mit dem CGBM eine echte Chance haben, national und international zum Vorreiter auf diesem Gebiet zu werden“, erklärt der Dekan der Medizinischen Fakultät, Michael Menger.
Mittelfristig sollen im CGBM mehr als 150 Personen in Forschung und Entwicklung arbeiten und damit einen wichtigen Beitrag für den Strukturwandel im Saarland leisten. „Ein verbessertes Verständnis der Mechanismen von Krankheitsentstehungen wird zu einem Innovationsschub für Arzneimittel und Therapien, die auf der Basis spezifischer Erkrankungsmechanismen von Patientinnen und Patienten optimiert entwickelt werden können. Aus diesen Innovationen heraus entsteht ein großes Potential zur Gründung von Start-ups“, sagt Frank Kirchhoff über die Zukunftsperspektive, die mit dem CGBM verknüpft ist.
Kontakt:
Universität des Saarlandes
Prof. Frank Kirchhoff
Telefon: +49 (0)6841 1616 240
E-Mail: frank.kirchhoff@uni-saarland.de
Prof. Dr. Sandra Iden
Tel.: +49 (0)6841 1647 912
E-Mail: sandra.iden@uks.eu
www.uni-saarland.de/cgbm