Viele aufwendige medizinische Untersuchungen lassen sich bisher nur in Kliniken durchführen. Für die Bewohner von Pflegeheimen kann so ein Termin sehr belastend sein. Viel besser wäre etwa eine Ultraschallaufnahme direkt am Pflegeheim. Dies soll künftig ein mit modernster Medizintechnik ausgestattetes Fahrzeug ermöglichen. Für das bundesweit einmalige Modellprojekt erhalten die Universität des Saarlandes, das Universitätsklinikum und mehrere Partner über 8 Mio. Euro Fördergelder.
Im Saarland gibt es derzeit 160 Pflegeheime, darin leben rund 9000 Menschen. Viele von ihnen sind dement oder in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Bei Magen-Darm-Beschwerden, unklare Bewusstseinsstörungen oder Stürzen trotz Gehhilfe steht meist ein mehrtägiger Aufenthalt im Krankenhaus an.
Nicht der Patient kommt zur Untersuchung, sondern das Fahrzeug mit Diagnostik fährt zum Pflegeheim
„Der Transport in die Klinik und die fremde Umgebung sind für diese Menschen sehr belastend und führen häufig zu weiteren Komplikationen wie Verwirrtheitszustände, Depressionen oder Wundliegen“, sagt Klaus Faßbender. Er ist Professor für Neurologie der Universität des Saarlandes und Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes. Um das Leid der betagten Patientinnen und Patienten zu lindern und die Notaufnahmen der Kliniken zu entlasten, hat Prof. Faßbender ein umfangreiches Konzept für die mobile Diagnostik von Pflegeheimbewohnern erarbeitet.
„Wir werden jetzt einen LKW mit einem Computertomographen, einem Röntgen- und Ultraschallgerät, einem EEG- und EKG-Gerät sowie einem Labor ausstatten“, erklärt Faßbender. Entsprechende Konzepte haben die Beteiligten im Vorfeld mit einem Homburger Unternehmen ausgearbeitet. Fachärzte, Medizinisch-Technische Radiologie-Assistenten und Rettungssanitäter sollen die so genannte Mobile Geriatrie Unit (MGU) künftig begleiten.
Diagnostik-Daten aus dem Fahrzeug gelangen zu Spezialisten im Universitätsklinikum
Die in dem Spezialfahrzeug erhobenen Daten werden über eine geschützte mobile Übertragung direkt an Spezialisten für Radiologie, Innere Medizin und Geriatrie sowie Neurologie und Orthopädie im Universitätsklinikum übermittelt. Das Fachpersonal wertet die Befunde aus und stellt sie zeitnah den überweisenden Hausärzten zur Verfügung. Diese können damit ihre Patienten im Pflegeheim weiter versorgen. „Wir stärken damit die Haus- und Fachärzte vor Ort und entlasten die Krankenhäuser, die damit mehr Zeit für schwerwiegendere Notfälle haben“, unterstreicht Klaus Faßbender.
Dieses Konzept hat den Gemeinsamen Bundesausschuss überzeugt. Das höchste Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen hat den Medizinprofessor beauftragt, ein passendes Fahrzeug mit technischer Diagnostik zu entwickeln und es an saarländischen Pflegeheimen testweise einzusetzen. Das Ganze erfolgt im Rahmen eines dreijährigen innovativen medizinischen Versorgungsmodells. Dafür wurden insgesamt über 8 Mio. Euro Fördermittel bereitgestellt.
Vorbild: der Schlaganfall-Rettungswagen
Passende Erfahrungen haben Faßbender und sein Team bereits seit dem Jahr 2008 mit dem Schlaganfall-Rettungswagen (Mobile Stroke Unit) gesammelt. Auch dazu entstand ein Modellfahrzeug, das international große Beachtung fand. Es enthält einen Computertomographen und Laborgeräte, damit die begleitenden Ärzte schnell vor Ort einen Schlaganfall diagnostizieren können.
Der Homburger Medizin-Professor hofft nun, dass bis zum Sommer 2024 alle technischen und rechtlichen Hürden genommen sind und das Fahrzeug in beziehungsweise an saarländischen Pflegeheimen zum Einsatz kommt. Derzeit werden an einer großen Zahl saarländischer Heime die Zufahrten und technischen Gegebenheiten, insbesondere die digitale Erreichbarkeit, geprüft, damit Patienten und Patientinnen zeitnah von der neuartigen mobilen Diagnostik profitieren können.
Wissenschaftliche Begleitung für die gesamte Projektdauer
„Während der dreijährigen Laufzeit wird das Projekt wissenschaftlich begleitet, um den medizinischen und ökonomischen Nutzen als Basis für eine zukünftige Übernahme in die Regelversorgung zu evaluieren“, erläutert Michael Menger, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität. Unterstützt wird das Modellprojekt mit dem Namen „Dikom – Diagnostik und Konsil im Pflegeheim mittels Mobiler Geriatrie Unit“ durch die Saarländischen Pflegegesellschaft, die Kassenärztliche Vereinigung, alle im Saarland tätigen Kranken- und Pflegekassen sowie die verschiedenen Institute der Universitätsklinik.
Projektträger ist die Universität des Saarlandes, der gesamte innovative Versorgungsprozess wird vom Saarbrücker Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (ISO) sowie dem Berliner Institut für angewandte Versorgungsforschung (Inav) wissenschaftlich begleitet.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Klaus Faßbender
Universität des Saarlandes /Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes
E-Mail: info@medizin-daheim
www.medizin-daheim.de