Wir waren für die Klasse Ir die ersten, die das Audit gemäß der EU-MDR abgeschlossen hatten“, erinnert sich Thomas Butsch, Geschäftsführer der Hebumedical GmbH in Tuttlingen. Seit rund einem Jahr hängt nun das Zertifikat an der Wand. Ziel erreicht, könnte man sagen. Denn tatsächlich hatte sich Butsch genau das vorgenommen und hat dazu mit der zuständigen Benannten Stelle, dem TÜV Süd, als Pilotkunde zusammengearbeitet.
EU-MDR: Für 90 % des Umsatzes schon alle Anforderungen erfüllt
Damit kann sich der Hersteller chirurgischer Instrumente nun schon fast zurücklehnen. Das Portfolio der Tuttlinger ist zwar sehr groß und umfasst rund 10 000 einzelne Produkte. Aber mit dem Audit zu den Produkten aus der Klasse Ir habe er den Schritt zur neuen Verordnung für immerhin 90 % des jährlichen Umsatzes vollzogen. „Wir haben auch Produkte für die Elektrochirurgie, die in die Klasse IIb fallen. Aber für diese haben wir das Zertifikat gemäß MDD, also der Medical Devcie Directive, früher als erforderlich verlängern lassen. Daher bleibt uns für deren Zertifizierung gemäß MDR nun noch genug Zeit bis 2024.“
Dass Butsch seinen Verpflichtungen schon so weit nachgekommen ist, hat seiner Meinung nach viel damit zu tun, dass Hebumedical alle Arbeiten zur Medical Device Regulation mit Hochdruck weiter vorangetrieben hat – trotz der pandemiebedingten Verschiebung des Geltungsbeginns von Mai 2020 auf Mai 2021. „Zu der Zeit, als bei uns die Audits liefen, hatte die Benannte Stelle nur mit sehr wenig Herstellern zu tun“, sagt der Geschäftsführer. Das sei für sein Unternehmen ein großer Vorteil gewesen, denn so waren bei der Prüfung ausreichend freie Kapazitäten vorhanden. „Da wäre sicher noch Spielraum gewesen, zeitgleich mehr Audits durchzuführen.“
Chirurgieinstrumente – additiv gefertigt aus Instrumentenstahl
MDR: Ob eine weitere Verschiebung etwas bringt, ist fraglich
Wenn Unternehmen diese Phase genutzt hätten, meint Butsch, wäre der Engpass, auf den sich jetzt trotz der pandemiebedingten Verschiebung viele zubewegten, sicher weniger spürbar. Doch viele Hersteller hätten damals ihre Anträge zunächst noch einmal zurückgezogen, um das Plus an Zeit zu nutzen. Mit der Konsequenz, dass es trotz der Verschiebung immer noch viele Anträge zur gleichen Zeit geben werde.
Sollte es eine weitere Verlängerung von Fristen rund um die MDR geben, könnte sich so ein Effekt wiederholen, meint er. „Daher glaube ich nicht, dass eine nochmalige Verschiebung hilft – und ich denke auch, dass das, was jetzt noch anliegt, für die meisten zu schaffen sein wird.“ Wobei er sich damit vor allem auf Medizinprodukte bezieht, die der Klasse Ir zuzuordnen sind.
Weniger Produkte – doch auch Zulieferer haben sich verabschiedet
Doch auch wenn Hebumedical die Umstellung auf die EU-MDR soweit gut hinter sich gebracht hat, haben die vergangenen Jahre dem Unternehmen eine Reihe von Veränderungen beschert. Es seien zwar nur rund 300 der 10000 Produkte aus dem Portfolio verschwunden – zumeist solche, die sehr ähnlich zu anderen waren und die also auch keine Versorgungslücken aufreißen sollten. Doch auch unter den zahlreichen Zulieferern hätten sich die Reihen gelichtet.
„Wir hatten zwar ohnehin geplant, mit weniger Unternehmen zusammenzuarbeiten“, sagt Butsch. Allerdings hätten sich auch einige Partner von sich aus von dem Geschäft im Medizintechnik-Bereich verabschiedet. Sie waren nicht bereit oder auch nicht in der Lage, den personellen und finanziellen Aufwand zu betreiben, den die MDR-Anforderungen mit sich bringen. Kosten entstünden durch die Vorbereitung auf die Konformitätsbewertung, aber auch durch die Audits selbst. „Es gibt ein Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, das dazu führt, dass die Kosten für Audits zum Teil um den Faktor Fünf gestiegen sind. Für kleinere Unternehmen kommen wir da schnell in Größenordnungen, die dem Umsatz eines Monats entsprechen“, sagt Butsch.
Nach dem Kraftakt „Audit“: Post Market Surveillance bereitet viel Aufwand
Für Hebumedical bedeutet die EU-MDR allerdings auch über den Kraftakt der ersten Audits hinaus weitere, regelmäßige und bleibende Anstrengungen. Butsch beschäftigt 50 Mitarbeiter, von denen inzwischen vier Vollzeitkräfte in der Qualitätssicherung tätig sind. „Eine der Stellen brauchen wir allein dafür, die Vorgaben zur Post Market Surveillance zu erfüllen.“ Soll heißen: Es wurde ein Arbeitsplatz dafür eingerichtet, dass jemand Tag für Tag nach Vorkommnissen mit den eigenen Produkten und Berichten darüber Ausschau hält.
Damit, diesen Aufwand für Produkte zu betreiben, die seit Jahren auf dem Markt etabliert sind, tut sich Butsch nach eigenen Angaben nach wie vor schwer und sieht darin auch keinen Vorteil für die Patientensicherheit. „Arterienklemmen sehen seit rund hundert Jahren gleich aus und erfüllen auch immer noch die gleiche Aufgabe.“
Bestandsprodukte schützen – das hat die FDA besser hinbekommen
Die FDA habe für solche Produkte trotz gesetzlicher Veränderungen in den USA eine bessere Lösung gefunden, bei der keine neuen Dokumente nachgereicht werden mussten. „So etwas hätte der MDR als Gesetz gut getan“, meint Busch. Einen entsprechenden Nachtrag zur EU-MDR, der die Bestandsprodukte schützt, hält der Geschäftsführer daher für eine gute Idee. „Das würde die Sache insgesamt wahnsinnig erleichtern.“
Dass die Eudamed-Datenbank noch nicht in vollem Umfang funktioniert, schreckt ihn hingegen nicht. „Wir haben die entsprechenden Daten aufbereitet und können alles, was uns vorliegt, hochladen, sobald die Datenbank dazu bereit ist.“ Und im Jahr 2022 gehe er davon aus, dass das nicht händisch, sondern automatisiert erfolgen werde. „Das kann nicht mehr Aufwand bedeuten, als das, was wir von Dimdi her kennen. Wer also das Audit bestanden hat, sollte sich deswegen keine Sorgen machen.“ (op)