Die Jahre 2020 und 2021 waren zwei schwierige Jahre für Portugal. Das Coronavirus legte nicht nur den Tourismus, sondern auch den Alltag und das Geschäftsleben vieler Portugiesen lahm. Die Ärzte und Kliniken des Landes kamen – wie in ganz Europa – an ihre Grenzen. Bereits vor der Corona-Pandemie bestand Investitionsbedarf im staatlichen Gesundheitswesen. Das portugiesische Modell setzte darauf, die Kapazitäten in den Krankenhäusern und insbesondere in den Intensivstationen für die schweren Fälle freizuhalten. Patienten mit leichteren Verläufen blieben in häuslicher Quarantäne. Im Herbst 2021 erreichte das Land eine der höchsten Impfquoten weltweit und erhielt viel Lob für die durchorganisierte Kampagne. Ebenso fand der bei der EU-Kommission eingereichte Aufbau- und Resilienzplan des Landes Anerkennung für die ehrgeizigen Ziele, die darin formuliert waren. EU-Zuschüsse und Kredite wurden zugesagt.
Investitionen in Datennetze und resiliente IT-Systeme
„Der EU-Aufbauplan umfasst insgesamt 16,6 Milliarden Euro für Investitionen in Portugal“, sagt Oliver Idem von Germany Trade & Invest (GTAI) in Madrid. Ein Teil des Geldes fließt in das Gesundheitssystem, vor allem der E-Health-Sektor soll ausgebaut werden. Für die digitale Transformation im Gesundheitssektor wurden 300 Mio. Euro vorgesehen. Im Fokus stehen Datennetze und die Resilienz der IT-Systeme. Zudem sollen die Kommunikation und die nationalen Gesundheitsregister verbessert werden. Weitere 225 Mio. Euro sind für Ausrüstung und Digitalisierung in Krankenhäusern bestimmt. In die primäre Gesundheitsversorgung sollen 466 Mio. Euro fließen.
Portugal: Wachstumsmarkt mit Bedarf an Hightech und Digitalisierung
„Der größte Bedarf an Medizinprodukten und Lösungen in Portugal besteht aktuell im Bereich der Fernbetreuung von Patienten“, sagt Joaquim Cunha, CEO des Health Cluster Portugal mit Sitz in Maia. „Wir haben zwei Hauptprobleme: Die portugiesische Bevölkerung wird, wie auch in anderen europäischen Ländern, immer älter und benötigt mehr Pflege. Unser Gesundheitssystem ist noch nicht ausreichend vorbereitet, diesen Bedarf zu decken. Zudem ist unser nationales Gesundheitssystem (SNS) größtenteils auf die Städte an der Westküste ausgerichtet. Das bedeutet, dass die Infrastruktur in den ländlichen Gebieten für eine optimale Versorgung nicht genügend ausgebaut ist. Deshalb arbeiten wir an einer digitalen Gesundheitsversorgung, die es auch in abgelegenen Regionen ermöglicht, die Patienten zu überwachen und angemessen zu versorgen.“
Portugal ist offen für Hightech und E-Health-Lösungen
Daran, dass auch die Corona-Pandemie einen großen Einfluss auf die Umstrukturierung der Gesundheitsdienste hat, hat Cunha keine Zweifel: „Es war klar, dass unser System defizitär ist und keine Antwort auf die Bedürfnisse der Bevölkerung während solch eines Ereignisses hat. Aber wir haben auch gesehen, dass es möglich ist, die Versorgung virtuell durch den effizienten Einsatz von Technologie zu gewährleisten.“ Nun wolle man sich anstrengen, mit digitalen Diensten eine flächendeckende Versorgung der portugiesischen Bevölkerung ermöglichen.
Offen sind die Portugiesen für E-Health ebenso wie für Hightech-Lösungen im Gesundheitsbereich. Für die Entwicklung und Fertigung eigener hochtechnologisierter Medizinprodukte seien die Medizintechnik-Hersteller aber noch nicht aufgestellt. „Ausländische Unternehmen, die über ausgereifte Lösungen verfügen und nach Portugal kommen wollen, haben deshalb die Chance auf eine hohe Akzeptanz sowohl bei den Patienten als auch beim Klinikpersonal“, ist sich Joaquim Cunha vom Health Cluster Portugal jedoch sicher. Im Cluster sind derzeit mehr als 200 Mitglieder vernetzt, darunter F&E-Einrichtungen, Universitäten, Krankenhäuser, Organisationen der Zivilgesellschaft und Unternehmen aus den Bereichen Pharmazeutika, Biotechnologie, Medizintechnik und Dienstleistungen.
Bedarf an Diagnostikgeräten wird über Importe gedeckt
Ziel aller Akteure im Land ist es, den Nationalen Gesundheitsdienst robuster, widerstandsfähiger und effektiver zu machen. Dabei hat sich die Gesundheitsversorgung in Portugal zuletzt stetig verbessert. Doch trotz aller Fortschritte gibt es auch einige Schwächen, die die AHK Portugal im Rahmen einer Zielmarktanalyse zusammengefasst hat: So seien einzelne medizinische Bereiche wie die Dentalmedizin oder auch die psychosomatische Medizin in Portugal unzureichend in das öffentliche Gesundheitssystem integriert. Zudem kann es zu langen Wartezeiten für Patienten kommen, weil es an wichtigen Behandlungsgeräten, wie beispielsweise zur Strahlentherapie, fehlt.
Daraus ergeben sich nach Ansicht der AHK interessante Geschäftsmöglichkeiten unter anderem für Hersteller von Geräten für Diagnostik sowie für Chirurgie, Anästhesie oder Beatmung. Ebenso findet sich ein Markt für Anbieter aus den Bereichen Sterilisation und Desinfektion sowie für Krankenhaus- und Praxisausstattungen.
Der Markt für Medizintechnik soll bis 2025 ein Volumen von 1,52 Mrd. Euro erreichen, prognostiziert die AHK in ihrer Zielmarktanalyse. Bei wichtigen medizinischen Erzeugnissen ist Portugal überwiegend auf Importe angewiesen. Deutschland ist neben Spanien einer der wichtigsten Handelspartner Portugals. Weitere Produkte kommen aus Frankreich, Italien und den Niederlanden.
Lokale Partner unterstützen beim Markteintritt
Die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern kann vor allem kleinen und mittleren Unternehmen den Markteintritt erleichtern. Nach Angaben des Nationalen Statistikinstituts in Portugal INE besteht der portugiesische Medizintechnikmarkt fast ausschließlich aus kleinen und mittelständischen Unternehmen (96 %). 2017 waren es rund 1050 Hersteller, die zusammen ein Umsatzvolumen von mehr als 410,5 Mio. Euro erzielten. In die EU werden vor allem Instrumente, Apparate und Geräte für medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Zwecke sowie Apparate und Geräte zum Prüfen der Sehschärfe exportiert. Zu den internationalen Medizintechnikunternehmen gehören Olympus, Biotronik, Johnson & Johnson, B.Braun, Siemens Healthineers, Hartmann und Stryker.
Modernes Herzzentrum profitiert von Partnerschaft mit Siemens Healthineers
Siemens Healthineers ist bereits seit vielen Jahren auf dem portugiesischen Markt tätig. 2019 unterzeichneten das Hospital da Cruz Vermelha Portuguesa in Lissabon und Siemens Healthineers einen Partnerschaftsvertrag über zehn Jahre für das neue, moderne Herzzentrum. Bereit gestellt wurden Lösungen und Dienstleistungen für die Gestaltung klinischer Arbeitsabläufe, medizinische Geräte für die Kardiologie sowie Wartungs- und Technologieentwicklungspläne. Auch eine E-Health-Software zur Überwachung und Auswertung von Patientendaten wird installiert. „Wir bieten dem Herzzentrum ein innovatives Geschäftsmodell und eine leistungsorientierte Partnerschaft, die den Patienten immer in den Mittelpunkt stellt“, erklärt Ivan França, Geschäftsführer von Siemens Healthineers in Portugal. Vorteil sei die Reduzierung der betrieblichen Komplexität durch einen einzigen Ansprechpartner für alle medizinproduktbezogenen Fragen. In einem weiteren Projekt wird ein Provinzkrankenhaus in Alentejo zu einem der modernsten Herzzentren Portugals ausgebaut. Das Katheterlabor soll mit Hightech von Siemens Healthineers für Eingriffe optimiert werden, um koronare Herzerkrankungen, Herzklappenfehler, Herzrhythmusstörungen behandeln zu können.
Land und Gesundheit auf einen Blick
Land und Bevölkerung:
Der südeuropäische Staat Portugal umfasst insgesamt 92 212 km². 2021 zählte das Land 10,3 Millionen Einwohner mit einem hohen Anteil an Über-65-Jährigen. Auf dem Land ist diese Altersstruktur besonders ausgeprägt. Zudem ziehen viele Portugiesen, die im Ausland gearbeitet haben, für ihren Lebensabend in ihre Heimat zurück.
Gesundheitssystem:
Mit dem steuerfinanzierten Serviço Nacional de Saúde (SNS) steht allen Einheimischen und Besuchern ein weitgehend kostenloses Gesundheitssystem zur Verfügung. Daneben bestehen berufsständische und private Gesundheitssysteme. 2020 waren 555 Ärztinnen und Ärzte pro 100 000 Einwohner gemeldet. Im Land standen zudem 238 Kliniken mit insgesamt rund 35 000 Krankenhausbetten zur Verfügung. Die Gesundheitsausgaben pro Kopf betrugen 2019 knapp 1100 Euro.
Medizintechnik-Import:
Der Health Cluster Portugal schätzt die Einfuhren von Medizintechnik im Jahr 2018 auf etwa 810,3 Mio. Euro. Benötigt werden vor allem Anästhesie-, Beatmungs- und Ultraschallgeräte. Aber auch Rollstühle, künstliche Gelenke und Herzschrittmacher stammen vorwiegend aus dem europäischen Ausland. Spanien und Deutschland sind die wichtigsten Lieferländer. Der Großteil an Medizintechnik wird von den Krankenhäusern eingekauft, auf die rund 75 % des gesamten Absatzes entfallen.