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Arabien krankt am süßen Leben

Zivilisationskrankheiten: In den Emiraten leidet bereits ein Viertel der Bevölkerung an Diabetes
Arabien krankt am süßen Leben

Mehr Aussteller und Besucher denn je: Die Fachmesse für Medizintechnik und Healthcare in Dubai vermeldet 2012 neue Rekorde. Während die „Arab Health“ in Superlativen schwelgt, ist es um die arabische Gesundheit an sich nicht gut bestellt. Die Zivilisationskrankheiten sind rapide auf dem Vormarsch.

Die Söhne und Töchter der Wüste sind träge geworden. Wenig Bewegung, ungesunde Ernährung und Übergewicht – die moderne Lebensweise fordert ihren Tribut. Die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt beständig an, und Diabetes ist im Nahen Osten längst eine Volkskrankheit. So gehen Experten davon aus, dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits ein Viertel der Bevölkerung erkrankt ist. Tendenz steigend.

„Wir sehen den Nahen Osten wegen der Wohlstandskrankheiten gerade für unsere Produkte als wachsenden Markt an“, sagt Norbert Küchemann, Marketingdirektor und Prokurist der Hoffrichter GmbH. Das mittelständische Unternehmen aus Schwerin stellt Geräte zur Atemtherapie bei Schlafapnoe und zur invasiven und nicht invasiven Beatmung her. Rund 10 % des Gesamtumsatzes fallen bereits auf den arabischen Raum. Man sehe immer mehr adipöse Menschen, erklärt Küchemann. Und Fettleibigkeit stehe in direktem Zusammenhang mit Schlafapnoe und Diabetes.
Laut einer Studie der US-amerikanischen Unternehmensberatung McKinsey & Company wird die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen in den kommenden 20 Jahren in Saudi-Arabien und den anderen Staaten des Golf-Kooperationsrates um 240 % zunehmen. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Die Bevölkerung wächst jährlich um rund 3 %, die Krankheitsfälle nehmen zu und das Gesundheitsangebot reicht schon heute bei weitem nicht aus – der Nachholbedarf ist groß. Ein Grund, weshalb Araber, die es sich leisten können, gerne Gesundheitsurlaub im Ausland machen. Es sei in vielen Fällen billiger, einen Patienten auszufliegen und etwa in Deutschland behandeln zu lassen, konstatiert Germany Trade and Invest, die Bundesgesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing, in einem aktuellen Bericht zur Krankenhausentwicklung in den Golfstaaten.
Doch auch auf der Arabischen Halbinsel wird inzwischen tüchtig ins Gesundheitswesen investiert. Die Staaten des Golf-Kooperationsrates bauen und planen derzeit Krankenhäuser für 35 Mrd. US-Dollar. Die benötigte Ausstattung wird importiert, da es vor Ort keine nennenswerte Produktion von Medizintechnik gibt.
„Es herrscht wieder eine positivere Stimmung in den Märkten, man schaut optimistisch in die Zukunft“, resümiert Markus Braun, der Vorsitzende der German Healthcare Export Group (GHE), nach der Fachmesse „Arab Health“. Zwei Jahre lang sei der gesamte arabische Raum aufgrund der politischen Situation eher von Zurückhaltung geprägt gewesen. Diesmal habe sich die allgemeine Aufbruchstimmung positiv niedergeschlagen.
Mit mehr als 3000 Ausstellern und einem Zuwachs um 15 % auf 83 000 Fachbesucher konnte die weltweit zweitgrößte Fachmesse für Medizintechnik und Healthcare in Dubai dieses Jahr ein neues Rekordergebnis verbuchen. Vor Ort waren auch mehr als 450 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum. Allerdings, so gibt Markus Braun zu bedenken, habe Deutschland auf der „Arab Health“ nicht mehr die dominante Präsenz. „Hier sind wir zum Beispiel von den Chinesen deutlich überholt worden“, stellt der GHE-Chef fest. Mittelfristig werde sich das auch auf die Geschäfte im Nahen Osten auswirken. Das „Made in Germany“ sei aber gerade in dieser Region noch ein Qualitätsmerkmal.
Der Trend zu hochwertigen Produkten kommt den etablierten Herstellern zugute. „In unserem Bereich, wo es um lebensunterstützende bis lebenserhaltende Systeme geht, wollen die Araber auf die Qualität deutscher Produkte nicht verzichten“, sagt Norbert Küchemann von der Hoffrichter GmbH. Pierre Nasser, Export Manager der Sparte Hospital Care bei B. Braun Melsungen, hat auf der „Arab Health“ einen deutlichen Aufwärtstrend festgestellt, insbesondere in der Besucherqualität: Es seien mehr Delegationen von Endverbrauchern aus den Krankenhäusern gekommen. Die Region sei noch immer sehr stark durch europäische und amerikanische Einflüsse geprägt, sagt Nasser. Qualitätsbewusstsein und After-Sales-Service hätten zugenommen. Vor allem in Katar, den Emiraten und Saudi-Arabien verzeichne B. Braun ein kontinuierliches Wachstum, insbesondere im Projektgeschäft. Stark nachgefragt seien Infusionspumpen, wohingegen es für Infusionslösungen und anderes Verbrauchsmaterial auch lokale Produzenten gebe, was den Marktzutritt eher erschwere.
Das Interesse an Premium-Produkten habe zugenommen, bestätigt Kamran Tahbazian von der Trumpf Medizin Systeme GmbH & Co. KG. „Für uns entwickelt sich dieser Markt ausgesprochen gut“, sagt der Marketingleiter. Im Gegensatz zu Europa oder den USA herrsche jedoch eine höhere Wettbewerbsintensität: „Hier ringen mehr Hersteller aus der ganzen Welt um die Marktanteile.“ Trumpf hat vor vier Jahren in Dubai ein eigenes Kompetenzzentrum mit praxisgetreu als OP und Intensivstation gestalteten Räumen eröffnet. Der Geschäftsbereich Medizintechnik der Trumpf-Gruppe stattet unter anderem gerade in Kuwait eine Intensivstation mit Versorgungssystemen aus und wird in Saudi-Arabien vier Krankenhäuser mit OP-Tischen, OP-Leuchten und Versorgungseinheiten beliefern. Allein in den vergangenen zwei Geschäftsjahren konnte der Umsatz in der Region nahezu verdoppelt werden. Im laufenden Geschäftsjahr will man die 20-Millionen-Euro-Marke erreichen. Es sei wichtig, Beratung, After Sales und Services aus einer Hand anbieten zu können, betont Tahbazian.
Nicht überall laufen die Geschäfte rund. „Aufgrund der Embargopolitik haben wir ganz aktuell Probleme, unser Geld aus dem Iran zu bekommen“, sagt Norbert Küchemann. Man könne dem Vertriebspartner vor Ort keine Produkte mehr liefern, weil die Außenstände schon zu groß seien. Auch der GHE-Vorsitzende weist auf Embargomaßnahmen hin, durch die in einzelnen Regionen sowohl Ersatzteile als auch Neulieferungen für dringend benötigten Ersatzbedarf verhindert würden. Das sei weder für die Patienten vor Ort noch für das Klinikpersonal erfreulich, gibt Markus Braun zu bedenken und fügt hinzu: „Medizintechnik sollte von diesen Regelungen ausgenommen werden, da es immer die falschen Personen trifft.“
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