Bei der Vorhersage von Tierwanderungen bringen mathematische Modelle weniger als gedacht. Das haben Forscher herausgefunden, die Fischmarder mit GPS-Sensoren ausstatteten: Die mathematischen Berechnungen hatten mit der Wirklichkeit wenig zu tun.
Korridore sind wenig beachtete Räume und doch so wichtig. Wie sonst kämen wir vom Schlafzimmer ins Bad oder von der Couch in die Küche? In der freien Natur sind Korridore, die unterschiedliche Lebensräume von Tieren verbinden, für den Erhalt von Arten ist es entscheidend. Sie ermöglichen, dass Tiere sich frei und gefahrlos zum Beispiel vom Jagdrevier zum Paarungsplatz bewegen können. Wird eine neue Wohnsiedlung mitten in einen wichtigen Korridor gebaut, kann das eine ganze Population in Gefahr bringen.
Welche Wege die Tiere nutzen, wird meistens berechnet. Martin Wikelski und sein Doktorand Scott LaPoint vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell und der Universität Konstanz haben gemeinsam mit Kollegen aus den USA Korridore von den Tieren selbst bestimmen lassen. Sie statteten Fischermarder mit GPS-Sensoren aus und beobachteten über drei Winter ihre Bewegungen in der Nähe der Stadt Albany im US-Bundesstaat New York. Dabei fanden sie heraus, dass die Marder ganz andere Wege wählten als theoretisch vorhergesagt wurde.
„Ich war doch sehr erstaunt, wie schlecht die Modelle waren“, so Wikelski, der in Radolfzell die Abteilung Tierwanderungen und Immunökologie leitet. Die zwei mathematischen Modelle konnten gemeinsam nur fünf von 23 Korridoren korrekt vorhersagen. Dabei schnitt das Modell der „Least-Cost Path Analysis“ – Weg des geringsten Widerstands – mit nur einem richtigen Korridor schlechter ab als die „Schaltkreistheorie“, die immerhin fünf Treffer landete.
In diese Gleichungen fließen vor allem Informationen über die Landschaftsstrukturen ein. Da Fischermarder hauptsächlich in Wäldern leben und offene Gebiete meiden, nahm man an, dass diese Regel auch für die Korridore zutreffen würde. „Das war ein Trugschluss. Die Tiere zeigten sich bei der Besiedelung der Städte weitaus flexibler“, bemerkt Scott LaPoint. Sogar sechsspurige Autobahnen waren kein Hindernis: Die Fischmarder nutzten alte Abwasserrohre. „Das hätte ich überhaupt nicht gedacht, denn nach allem, was man über diese scheuen Tiere weiß, schien es unmöglich, dass sie solche potenziell gefährlichen Strukturen benutzen“, äußert sich Martin Wikelski erstaunt. Ein Abwasserrohr könnte schließlich auch eine Falle sein.
Landschaftsplaner und Umweltschützer interessieren sich für Tierkorridore, weil sie als besonders schützenswerte Regionen gelten. Korridore vereinfachen die Ausbreitung der Tiere, erhalten den Genfluss zwischen Populationen aufrecht und vermindern somit das Risiko des Aussterbens. Aber viel zu oft werden Millionen von Euro in Brücken oder Tunnel investiert, die später kein Tier nutzt. „Wir müssten die Tiere fragen, was sie brauchen“, erklärt Wikelski, „und durch die Überwachung der Bewegungsmuster haben wir eine solche Kommunikationsmöglichkeit zwischen Tier und Mensch geschaffen.“
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