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Auch Geräte zur Dosimetrie unterliegen strengen Vorgaben, wenn sie im medizinischen Umfeld eingesetzt werden. Was sie tun? Sie sorgen mit dafür, dass ein Tumor die geplante Strahlenmenge abbekommt – was High-tech erfordert.
In modernen Bestrahlungsgeräten bewegt sich die Strahlenquelle räumlich um den Körper des Patienten. So lässt sich ein Tumor aus allen Raumrichtungen gezielt treffen. Strahlendosis, Feldgröße und Feldgeometrie werden während des Prozesses kontinuierlich angepasst. Um zu erkennen, ob die Bestrahlung den gewünschten Bereich mit der zuvor berechneten Dosis erreicht, werden Phantome verwendet, die den menschlichen Körper simulieren. Das kann zum Beispiel ein Wassertank sein, in dem ein Detektor an unterschiedliche Positionen verfährt.
Im Detektor, auch Dosimeter genannt, befindet sich ein Messmedium, das auf die Strahlung reagiert. Diese bewirkt eine Ionisierung, die anhand winziger Ströme erfasst wird. Solche Geräte entwickelt und fertigt die PTW Freiburg Physikalisch-Technische Werkstätten Dr. Pychlau GmbH. Die Freiburger Hersteller von Bestrahlungsgeräten nutzen die Messegeräte zum Beispiel zur Qualitätssicherung. In den Bestrahlungszentren an Kliniken helfen sie, die Anlagen im laufenden Betrieb ständig zu überprüfen.
Wegen der extrem kleinen Ströme, die die Geräte messen, hat jeder Bestandteil der Anlage – vom Detektor über die Kabel und Steckverbinder bis hin zu den Elektrometern – großen Einfluss auf das Messergebnis. Jede Änderung an einem Bauteil oder Fertigungsprozess kann das Messergebnis verfälschen. Deshalb wird jeder Schritt überprüft und dokumentiert, wie es die Regulierungsbehörden fordern und in Audits prüfen. Um den Ansprüchen zu genügen, hat PTW bisher jedes Bauteil als Zeichnung abgeleitet, die alle Verantwortlichen im Prozess handschriftlich signierten. Die Zeichnungen dienen als Beleg bei Audits.
So viel Papier – ein Alptraum für die Digitalisierung
„Wenn man an Digitalisierung denkt, ist das natürlich ein Alptraum“, sagt Dr. Daniel Ruch, Leiter der mechanischen und elektrischen Entwicklung. „Deshalb sprachen wir mit unserem langjährigen Softwarepartner Inneo über eine Möglichkeit, auf digitale Signaturen umzusteigen. Bedingungen dafür waren natürlich ein validierter Prozess und ebenso validierte Werkzeuge.“
Die Inneo GmbH aus Ellwangen betreut seit vielen Jahren die CAD-Landschaft bei PTW. Das Unternehmen setzt Pro/Engineer seit Anfang der 2000er Jahre ein. Von Beginn an war mit Intralink eine Datenverwaltungslösung an Bord. Im Jahr 2014 stieg PTW dann auf Creo und PTC Windchill um. PTC Windchill war allerdings zunächst nur im Einsatz, um Mechanik-Konstruktionsdaten zu verwalten.
„Wir hatten von Beginn an im Hinterkopf, dass sich mit Windchill noch wesentlich komplexere Workflows umsetzen lassen“, erinnert sich Ruch. Konkretere Überlegungen gab es Ende 2018, als es darum ging, eine Digitalisierungsstrategie umzusetzen. „Eine Schwierigkeit beim Umstieg auf einen digitalen Prozess war, dass wir noch ein 2D-CAD-System und eine EDA-Software für den Leiterplattenentwurf nutzen, deren Daten ebenfalls integriert werden mussten.“
Schritt für Schritt vorgehen, um Anwender mitzunehmen
Inneo und PTW glichen Anforderungen und Funktionalitäten von Windchill ab. Eine Roadmap zeigte, wie es Schritt für Schritt Richtung Digitalisierung gehen sollte. Das schrittweise Vorgehen sei entscheidend für die Akzeptanz bei den Mitarbeitern, betont Ruch: „Uns ist es wichtig, die Anwender mitzunehmen.“
Die wichtigsten Vorhaben aus derRoadmap sind nun bereits umgesetzt, vor allem die digitale Signatur. Zunächst wurden dazu mit Unterstützung von Inneo alle Bestandsdaten digitalisiert und in Windchill abgelegt, um möglichst schnell den Parallelbetrieb von manueller und digitaler Signatur beenden zu können.
„Vor dem realen Betrieb steht im Medizintechnikbereich aber die Validierung“, erklärt Konstrukteur Marco Biehler. „Inneo hat ein Testsystem zur Validierung aufgebaut, in dem wir dann ein mit den Anforderungen der Regulierungsbehörden abgeglichenes Lastenheft erstellten.”
Die Anforderungen an elektronische Aufzeichnungen und elektronische Unterschriften hat die US-amerikanische Regulierungsbehörde FDA in der FDA 21 CRF Part 11 genauestens beschrieben. Unter anderem müssen die Daten gegen Manipulation, Fehler und Zugriff Unbefugter abgesichert sein. Also wurden für jeden Dokumenttyp sämtliche Zugriffsrechte getestet – was bedeutet, dass die PTW-Mitarbeiter 5500 Testfälle durchzugehen hatten. „Das hat viel mit der Rechtevergabe in Windchill zu tun”, sagt Biehler. „Es ging bei der Validierung vor allem darum, unsere individuelle Konfiguration zu überprüfen.“
„Uns war dabei wichtig, dass die Anforderungen möglichst weitgehend durch die Konfiguration des Basissystems umgesetzt werden und möglichst wenig Individualprogrammierung notwendig wird”, sagt Entwicklungsleiter Ruch. Dabei habe es einige Kompromisse geben müssen, aber Customizing hätte eine Neuvalidierung bei jedem Versionssprung und damit viel Aufwand bedeutet. „Bis auf eine Kleinigkeit konnten wir Customizing vermeiden.” Das sei möglich gewesen, da Windchill so flexibel ist und einen großen Funktionsumfang mitbringt. Aber auch die Expertise in der Umsetzung, die Inneo eingebracht hat, habe dazu beigetragen.
Digitale Signatur – bald auch mit Anbindung ans ERP-System
Beim Anbinden des 2D- und des EDA-Systems machte die Validierung ebenfalls Kompromisse erforderlich, doch waren die Lösungen für Ruch „tragbar”. Mit der kommenden Anbindung des ERP-Systems, in dem ebenfalls Daten für die Dokumentation der Geräte gepflegt werden, wird sich der Anwendungsbereich der digitalen Signaturen nochmals erweitern.
Die Dokumentation selbst einzubinden, wird ein weiterer großer Schritt, denn PTW liefert Bedienungsanleitungen in über 20 Sprachen. Sie müssen revisionssicher zu dem gelieferten Produkt passen. Dann gilt es noch, den Änderungsmanagement-Prozess in Windchill umzusetzen sowie die Integration weiterer Dokumenttypen in das System. Auch dabei gilt bei PTW „Genauigkeit vor Geschwindigkeit“, wie Biehler betont.
Doch trotz des Aufwandes ist Entwicklungsleiter Ruch zufrieden: „Der Erfolg bei der Umsetzung gibt uns Recht“, sagt Ruch, „das System wird in immer mehr Bereichen eingesetzt.” Inzwischen nutzen die Konstrukteure nicht nur 15 Volllizenzen von Windchill, sondern auch über 100 Lizenzen von Thing Worx Navigate View. Die Arbeitsvorbereitung und NC-Programmierung können Step-Modelle aus Windchill abrufen. Auch der Einkauf greift direkt auf das System zu.
Das entlastet laut Ruch die Entwickler, die früher oft Zeichnungen, Stücklisten, Gerberdaten für die Leiterplattenherstellung und 3D-Modelle erstellen mussten, die der Einkauf an die Zulieferer weitergab. Heute ziehen die Einkäufer diese Daten selbst aus dem System. „Und bei all diesen Zugriffen ist immer gewährleistet, dass die richtige, freigegebene und signierte Version genutzt wird.“
Die Zusammenarbeit mit Inneo beschreibt Ruch als vertrauensvoll: „Wir arbeiten die Roadmap Schritt für Schritt ab und sind nach wie vor genau auf dem vorgegebenen Kurs – was für die Qualität der ursprünglichen Planung spricht.“
Mit der Digitalisierung über Windchill lasse sich viel Zeit und noch mehr Papier sparen. Und die Zertifizierungsbehörden seien zufrieden.
Über PTW
Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Prof. Wilhelm Hammer an der Universität Freiburg ein Gerät, mit dem sich extrem kleine Ströme messen lassen: das Hammer-Dosimeter. 1922 gründet er die Physikalisch-Technischen Werkstätten PTW – heute beschäftigt das Unternehmen über 400 Mitarbeiter.
Die Dosimeter messen Ströme im Bereich von Pico- bis Femto-Ampere, die entstehen, wenn die Strahlung Teilchen im Messmedium ionisiert. Konstruktion wie auch Herstellung müssen so konzipiert sein, dass höchst präzise Messungen erfolgen, aus denen sich die Strahlungsintensität bestimmen lässt.
Kontakt zum Software-Spezialisten:
Inneo Solutions GmbH
Rindelbacher Str. 42
73479 Ellwangen
www.inneo.com