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Wirksam und anspruchsvoll

Antimikrobielle Werkstoffe: Was bei Produktion und Sterilisation zu beachten ist
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Wie viele Keime auf einer Oberfläche überleben, zeigen biologische Tests. Ob der antimikrobielle Wirkstoff trotz der Einflüsse im Produktionsprozess den gewünschten Effekt erreicht, lässt sich auf dem gleichen Weg nachweisen Bilder: Quality Labs BT
Antimikrobiell wirksame Zusätze gibt es viele. Um zu einem erfolgreichen Produkt zu kommen, muss von Anfang an der am besten geeignete ausgewählt werden. Denn auch Details bei Herstellung und Sterilisation müssen an diese Entscheidung angepasst werden.

Meldungen über EHEC-verseuchten Salat, Infektionen auf Frühchenstationen, multiresistente Keime und neue Vogelgrippe-Viren rufen immer wieder Erschrecken hervor. Daraus entsteht der Impuls, nach innovativen Wegen zum Schutz vor diesen Gefahren zu suchen. Ein Ansatz hierfür ist die antimikrobielle Ausstattung von Oberflächen. Entsprechend ausgerüstet wurden bisher schon erfolgreich Medizinprodukte, Hygiene- und Konsumprodukte sowie verschiedene technische Lösungen.

Ein System, das diesen Schutz ermöglicht, ist immer komplex, aber dennoch beherrschbar: Beachtet werden müssen natürlich die Bedingungen, denen das Produkt in der Praxis ausgesetzt sein wird. Aber auch einige Schritte während der Produktion und Sterilisation beeinflussen die spätere Wirksamkeit der Oberfläche.
Das gängige Spektrum, um zu funktionellen Oberflächen zu kommen, reicht heute von der Einarbeitung eines antimikrobiellen Additivs in den Kunststoff via Masterbatch oder Compound über das Lackieren mit einem antimikrobiellen Lack oder einer Farbe bis zum Beschichten via PVD oder CVD. Auch Imprägnierungen und andere Coatings, die das antimikrobielle Additiv auf der Oberfläche binden, werden genutzt. Als wirksame Substanzen kommen Silber, Kupfer und Quats – quaternäre Ammoniumverbindungen – sowie weitere organische Verbindungen in Frage. Deren jeweilige Wirksamkeit wird in Labortests nachgewiesen.
Vor der Entscheidung für die eine oder andere Lösung ist es unter Umständen sinnvoll, den Rat von Fachleuten einzuholen, denn in Tests haben sich bereits vielfältige Einflüsse gezeigt. Sind zum Beispiel Additive in ein Polymer eingearbeitet, können negative Einflüsse in praktisch allen Schritten der Verarbeitung auftreten, sei es die Extrusion zu einem Masterbatch, die Extrusion oder Verdünnung, der Spritzguss, aber auch die Sterilisation. Bei der Extrusion müssen Temperatur, Druck und Scherkräfte sehr genau eingehalten werden. Sonst kann es zu einer leicht veränderten Grundmatrix des Werkstoffes (Kristallisation) kommen, was zum Beispiel die Diffusion von Ionen – auch der Additive – behindern kann.
Eine teilweise Inaktivierung kann sogar schon in der Verpackung auftreten, während des Transports von Masterbatches oder Compounds zum Spritzgießen. Eine simple Lösung hierfür sind gasdicht verschweißte Säcke. Auch Latex-freie Handschuhe beim Handling sind sehr empfehlenswert. Je nach Additiv kann es erforderlich sein, durch geeignete Filtermaßnahmen zum Beispiel dafür zu sorgen, dass keine schwefelhaltigen Gase oder Aerosole mit dem Produkt in Kontakt kommen können. Diese Maßnahmen müssen schon beim Lieferanten wie den Masterbatchern implementiert werden.
Bei der Reinigung der Extruder wiederum darf das Reinigungspolymer keine Spuren hinterlassen, die den nachfolgenden Prozess mit antimikrobiellen Additiven negativ beeinflussen könnten. Ein Testlabor wie die Quality Labs BT GmbH aus Nürnberg kann mit entsprechenden Screenings prüfen, ob das Reinigungspolymer kompatibel zum Additiv ist.
Beim nachfolgenden Spritzguss sind die Temperatureinstellungen kritisch. Einen störenden Einfluss können auch Trennmittel wie PTFE, Wachse oder Silikon in den Werkzeugen haben. Empfehlenswert ist ein frühzeitiges Screening, ob die verwendeten Mittel für den Kontakt mit den geplanten antimikrobiellen Oberflächen geeignet sind.
Bei der Produktion von antimikrobiellen Lacken, antimikrobiell lackierten Teilen und beim Imprägnieren sind ähnliche Vorgehensweisen ratsam. Aus der Erfahrung der Quality-Labs-Mitarbeiter entstehen die meisten Probleme durch Wechsel von Komponenten, die vermeintlich gleich sind – sich letztlich aber als inkompatibel mit dem Additiv erweisen, was bei Farbpigmenten schon beobachtet wurde.
Bei Beschichtungsverfahren muss vor allem das zu beschichtende Substrat einheitlich sein. Alle weiteren Parameter sind komplexer und müssen grundsätzlich mikrobiologisch verifiziert werden.
Obwohl antimikrobielle Produkte von Haus aus Mikroorganismen abtöten, muss schließlich auch die Sterilisation des Serienproduktes validiert werden. Nach Norm kann keine echte Bioburden auf dem Produkt bestimmt werden – das ist lediglich auf der Verpackung möglich. Daher sind andere Ansätze notwendig, um die Sterilität des Endproduktes sicherzustellen. Prozesstechnisch ist darauf zu achten, dass einige Ausstattungsvarianten empfindlich auf EO-Sterilisation reagieren, andere vertragen eine Dampfsterilisation nur bedingt. Bei der Gammasterilisation hat die Erfahrung gezeigt, dass die Parameter unverändert zum nicht-antimikrobiellen Produkt gehalten werden sollten, um so jegliche Diskussionen mit Behörden zu vermeiden.
Wie gut die Additive schließlich in der Praxis Keime töten können, hängt von den dort herrschenden Umweltfaktoren wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur ab. Auch der Kontakt der Flächen zu Proteinen, Fetten, Tensiden und anderen Molekülen spielt eine Rolle.
Der Kontakt mit Inaktivierungssubstanzen darf ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden: Zum Beispiel können Metallionen, die die Keime töten sollen, von manchen Substanzen in Molekülkomplexen eingeschlossen werden. Schwefelgruppen, wie sie in Latex, Farbpigmenten, Lebensmitteln oder auch Trennmitteln auftreten, beeinflussen zum Beispiel die Wirksamkeit von Silber, wie Labortests zeigen. Auch Kupfer wirkt anders, wenn durch Reinigungsmittel, Farbpigmente oder Trennmittel Ammoniak ins Spiel kommt. Und die organischen Verbindungen sowie die Quats reagieren auf Proteine aus Lebensmitteln, Körperflüssigkeiten und Trennmitteln. Wer also zum Beispiel ein antimikrobiell wirksames Schneidebrett für Lebensmittel entwickeln will, wäre mit eiweißempfindlichen Quats schlecht beraten.
Da diese vielfältigen Einflüsse nachweisbar sind, sollte der Hersteller eines Produktes mit antimikrobieller Ausrüstung frühzeitig so entwickeln und planen, dass störende Einflüsse minimiert oder im besten Fall ganz abgestellt werden.
Thomas Konradt Quality Labs BT, Nürnberg

Ihr Stichwort
  • Antimikrobielle Oberflächen
  • Additive und Fertigungsverfahren
  • Prozessparameter
  • Einfluss von Chemikalien, Verpackung und Sterilisation
  • Testmöglichkeiten

  • Über den Dienstleister

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    Die Quality Labs BT GmbH, Nürnberg, ist ein unabhängiges, akkreditiertes und anerkanntes Labor für die mikrobiologische Prüfung von Medizinprodukten. Das Unternehmen hat mehr als 10 000 Proben aus diesen Bereichen auf ihre antimikrobielle Wirksamkeit geprüft, darunter unter anderem verschiedene Katheter, Wundauflagen, Implantate, Knochenzement, Dentalprodukte, Kontaktlinsen, Infusionssysteme und Nahtmaterial. Certika-Prüfberichte können bei allen benannten Stellen in Europa für die Zulassung von antimikrobiell ausgestatten Medizinprodukten eingereicht werden.
    Zu den Referenzen gehören unter anderem B.Braun Melsungen, Mankiewicz, Heraeus Medical, Bayer Material Science, Siemens sowie Bio-Gate.
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