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„Wenn Fachkräfte fehlen, nützt alle Qualität nichts“

Technologie-Trainingszentrum: Medizintechnik-Projekt im Ausland ist geplant
„Wenn Fachkräfte fehlen, nützt alle Qualität nichts“

„Wenn Fachkräfte fehlen, nützt alle Qualität nichts“
Markus Kamann ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Projektierungs- und Dienstleistungsmanagement in Paderborn
Hightech ist nur einsetzbar, wo es ausgebildetes Personal gibt. Daher lassen sich manche Produkte in Schwellenländern kaum etablieren. Wie Trainingszentren das ändern, weiß Markus Kamann, Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens.

Herr Kamann, Sie betreiben seit 1997 in Schwellenländern Trainingszentren, in denen Arbeitskräfte an Hightech-Geräten „Made in Germany“ ausgebildet werden. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Letztlich hilft unser Konzept deutschen Unternehmen, einen neuen und nachhaltigen Vertriebsweg für ihre Produkte im Ausland aufzubauen. ‚Made in Germany‘ steht in vielen Ländern für hohe Qualität und lange Haltbarkeit. Wenn es in einem Land aber keine Fachkräfte gibt, die die Geräte richtig einsetzen oder warten können, greift dieses Qualitätsprinzip nicht. In unseren Trainingszentren bilden wir genau die Fachkräfte aus, die benötigt werden, um die deutsche Technik anschließend richtig einzusetzen.
Das Qualitätsversprechen allein reicht heute also nicht mehr?
Richtig, wenn Sie erstklassige Erntemaschinen nach Nordchina verkaufen, und die Geräte bei minus 30 Grad betrieben werden, nützt alle Qualität nichts. Dann sind die Maschinen nach zwei Stunden kaputt. Für viele Schwellenländer gilt, dass erst Fachkräfte da sein müssen, ehe man Produkte verkaufen kann. Und am besten ist es, die Fachkräfte selbst auszubilden.
An welche Länder denken Sie?
Wir sind in Ägypten, China oder auch Vietnam aktiv. Grundsätzlich sind für uns Länder interessant, in denen ‚Made in Germany‘ eine gefragte Marke ist, in denen die Wirtschaft wächst und in denen es zugleich einen Fachkräftemangel gibt.
Und wie funktioniert die Ausbildung im Trainingszentrum?
Die Technik, an denen die jungen Leute geschult werden, wird von den deutschen Firmen gestellt. Das Trainingsgebäude wird durch Schulgeld finanziert. Das mag zunächst so klingen, als könnten sich nur die Eliten diese Ausbildung leisten. In vielen Ländern aber werden die Trainingsgebühren vom Staat übernommen, sodass auch Menschen aus armen Familien daran teilnehmen können.
Und ihre Aufgabe…?
Unsere Aufgabe besteht unter anderem darin, den Kontakt zwischen der deutschen Firma und den Institutionen im Ausland herzustellen. Wir kooperieren beispielsweise mit Fachhochschulen und Universitäten im Ausland. Dieser Kontakt zu einheimischen Institutionen ist wichtig, denn nur die Einheimischen kennen die Mentalität ihrer Landsleute wirklich. In Vietnam haben wir vor kurzem ein Trainingszentrum für Lebensmittel- und Getränketechnik aufgebaut, auf vietnamesischer Seite kooperieren wir mit einer Hochschule für Lebensmitteltechnik. Dort haben wir erfahren, dass die Auszubildenden zunächst ein hochpreisiges Geschenk erwarten. Ein IPad sollte es schon sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob das IPad am Ende durch die Studiengebühr finanziert wird. Es kommt auf die Geste an. Von solchen Gepflogenheiten erfährt man nur durch enge Kooperation vor Ort.
Welche Vorteile haben deutsche Firmen?
Ein Trainingszentrum, das mit der eigenen Technik bestückt wird, ist für ein Unternehmen möglicherweise der erste Schritt in einen neuen Markt. Hersteller von Medizingeräten müssen aus Gründen der Gewährleistung ohnehin Schulungen anbieten. Das Trainingszentrum nimmt ihnen diese Arbeit zu einem großen Teil ab, denn die Ausbilder werden von unserer Gesellschaft gestellt. Zudem ist die Folgeakquise nicht zu unterschätzen. Wenn Dutzende auf meinem Produkt geschult worden sind, ist das die beste Werbung für mich. Immerhin schließen in jedem Zentrum jährlich 60 bis 120 junge Menschen ein Training ab. Wer in einem VW-Golf das Autofahren gelernt hat, der hat eine besondere Beziehung zu diesem Fahrzeug. Das ist bei einem medizinischen Gerät nicht anders.
Und inwieweit dient ihr Konzept den Schwellenländern?
Es gibt gleich mehrere Vorteile. Zum einen bildet das Trainingszentrum zu einem sehr geringen Preis Fachkräfte aus, die in dem Land dringend gebraucht werden. In vielen Fällen werden die Fachkräfte in den Dependancen der deutschen Unternehmen gleich in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Unser Trainingsprogramm schafft also auch dringend benötigte Arbeitsplätze. Zum dritten statten die deutschen Unternehmen die Trainingszentren komplett mit der erforderlichen Technik aus. Was kann sich eine Bildungsbehörde in einem Schwellenland mehr wünschen? Übrigens sind unsere Zentren keine Entwicklungsprojekte mit beschränkter Laufzeit, sondern sollen unbegrenzt betrieben werden. Unser Ziel ist es ja, in einem Land einen neuen Absatzmarkt zu entwickeln, für den ständig neue Facharbeiter benötigt werden.
Trotz dieser Vorteile dürfte aller Anfang schwer sein. Wie werben Sie im Land für Ihre Zentren?
Ich habe schon diverse Male Bundesminister auf Delegationsreisen begleitet. Feierliche Eröffnungen und das Durchschneiden eines roten Bandes sind sehr werbewirksam. Wir laden auch einheimische Firmen zu Fachvorträgen ein. Vielfach geben uns die Kooperationspartner vor Ort Tipps, über welche Kanäle man die Menschen am besten erreichen kann; in Vietnam beispielsweise mit dem obligatorischen Geschenk…
Gibt es Länder, die für Medtch-Trainingszentren besonders interessant sind?
Für mich ist das Saudi-Arabien. Obwohl das Land so reich ist, ist die medizinische Grundversorgung erstaunlicherweise bis heute nicht gewährleistet. Seit einiger Zeit baut man zwar viele neue Krankenhäuser, aber es fehlt vor allem auch an gut ausgebildeten Medizintechnikern oder an Medizinisch-technischen Assistenten. Zudem hat das Land ein massives Problem, was die Verbreitung von Zivilisationskrankheiten angeht. Der plötzliche Wohlstand hat in den vergangenen 40 Jahren zum Beispiel die Zahl der Diabetiker extrem ansteigen lassen. Zwar liefert Deutschland schon heute medizintechnische Geräte in großer Zahl, aber noch fehlt es an Praxen, Labors und Technikern.
Haben Sie bereits Unterstützer auf deutscher und arabischer Seite?
Ja, bisher haben vier deutsche Unternehmen großes Interesse bekundet. Am Ende werden wir uns für ein oder zwei entscheiden müssen, denn grundsätzlich gilt für uns, dass wir an einem Projekt nicht direkte Konkurrenten beteiligen können. Darüber hinaus ist es von Vorteil, wenn ein Unternehmen bereits Erfahrung in einem Land gesammelt hat. Auf arabischer Seite werden wir von einem Technik-Importeur und einem Botschafter unterstützt, der selbst Mediziner ist und die Defizite im eigenen Land sehr gut kennt.
Wie lange wird es dauern, dort ein erstes Trainingszentrum zu errichten?
Wenn wir Ende dieses Jahres mit konkreten Planungen beginnen, können wir das Zentrum bereits 2015 eröffnen. Das zeigt uns die Erfahrung der letzten 15 Jahre, immerhin sind wir heute in mehreren Ländern in ganz verschiedenen Branchen aktiv – unter anderem im Niedrigenergie-Sektor, im Kraftwerksbau, in der Steuerungstechnik oder der Fluggerätemechanik.
Tim Schröder Fachjournalist in Oldenburg
Unternehmen und Schwellenländer können profitieren

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