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Von der Idee bis zur Serie

Connected Prototyping: Entwicklung eines Kniearthroskopie-Simulators
Von der Idee bis zur Serie

Gemeinsam mit dem Orthopäden Dr. Ulrich Caspers hat Kegelmann Technik einen Kniearthroskopie-Simulator entwickelt. Das Kunststoffgelenk wurde über verschiedene Prototypen bis zum Endprodukt in generativer Fertigung umgesetzt. Beteiligt waren neben Ingenieuren auch Designer und andere Kreative.

Rund fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Arthrose, wobei das Knie zu den am häufigsten betroffenen Gelenken gehört. Mit minimal-invasiven Eingriffen werden Aufwand und Belastung für Patienten so gering wie möglich gehalten. Dazu müssen die Chirurgen ihr Handwerk in Theorie und vor allen Dingen in der Praxis gründlich erlernen. Das Üben an Humanpräparaten ist zum einen kostenintensiv und wenig systematisch, zum anderen können besondere Situationen, beispielsweise ein sehr enges Knie, kaum trainiert werden.

Der Orthopäde Dr. Ulrich Caspers hat bereits mehr als 10 000 Knie-Arthroskopien durchgeführt und diese praktische Erfahrung in die Entwicklung der Simulation der Arthroskopie des menschlichen Kniegelenkes einfließen lassen. „Mit über 90 Prozent Realitätsnähe hilft unser Kniearthroskopiesimulator den zukünftigen Arthroskopeuren, hochwertige Operationen zu erlernen, Risiken zu minimieren und den hippokratischen Grundsatz des ‚primum non nocere‘ – zuerst einmal keinen Schaden anrichten – zu beachten“, freut sich Dr. Caspers über die gelungene Marktreife des Simulators.
Die Einsatzgebiete sind extrem vielfältig: Klinische Untersuchungen, arthroskopische Diagnostik und Operationen wie Meniskusresektionen, Entfernung von freien Gelenkkörpern oder geschädigtem Knorpelgewebe sowie knorpelregenerative Operationstechniken können systematisch und standardisiert geübt werden. Nicht nur arthroskopische Anfänger, auch Fortgeschrittene trainieren mit dem Kniearthroskopiesimulator unter speziellen und schwierigen Voraussetzungen. Auch die Patientenaufklärung kann durch Demo-Operationen profitieren.
Schon von Beginn an war klar, dass das Projekt des Kniearthroskopiesimulators aufgrund seiner Komplexität und Funktionsvielfalt nur mit professionellem 3D-Druck, dem Selektiven Lasersintern (SLS) , vom Prototypen bis zur Kleinserie realisierbar sein würde. Ein aus mehreren Kunststoff-Teilen bestehendes Kniegelenk in einen anatomisch korrekten 3D-CAD-Datensatz für SLS umzusetzen, stellt besondere Herausforderungen an die Verschmelzung von Design und Konstruktion. Zum einen waren ja die biodynamischen Funktionen eines Kniegelenkes mit allen relevanten anatomischen Strukturen nachzubilden. Zusätzlich mussten die Funktionen eines physischen Simulators integriert werden, beispielsweise Wartbarkeit und Austauschmöglichkeit von Verbrauchsmaterialien, wie es bei der Simulation von Meniskusresektionen notwendig wird. Als treibende Kraft und Erfolgskomponente bei der Umsetzung des händisch erstellten Prototypen hat sich der bei der Kegelmann Technik GmbH in Rodgau-Jügesheim gelebte Innovationsprozess des Connected Prototyping erwiesen. Bei dieser Entwicklungsmethodik werden Design, Entwicklung und Prozesskonstruktion durch eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Designern und anderen Kreativen miteinander vernetzt.
„Der Kniearthroskopiesimulator ist ein hervorragendes Beispiel für unsere Lust, mit Wissenschaftlern, Designern, den Ideen kreativer Erfinder und dem enormen Technologiewissen unserer Ingenieure neue Wege zu gehen“, erläutert Stephan Kegelmann, Geschäftsführer bei Kegelmann Technik. Im Wesentlichen besteht das gefertigte Kniegelenk aus einem durch Bandimitate zusammengehaltenen künstlichen Ober- und Unterschenkelknochen, Tibiakopf mit Gelenkknorpel und Menisken, Kniescheibe, Gelenkkapsel sowie Seiten- und Kreuzbändern. Zwar ist das Knie vor allem ein Beuge- und Streckgelenk, in gewissem Umfang sind aber auch Drehbewegungen möglich. Die Gelenkdynamik eines solchen Drehscharniergelenks ist äußerst komplex und schwer nachzubilden.
Eine besondere Herausforderung war, für jedes dieser Bauteile die richtige Konstruktion und das richtige Kunststoff-Material zu finden, um den Ansprüchen an die Realitätsnähe zu genügen. Diese definiert sich neben der Optik und Haptik vor allem an den Vorgaben der Natur, wie beispielsweise die gleiche Zugfestigkeit der Kreuzbänder wie beim Original zu erreichen. Der Arthroskopeur soll bei der Arbeit mit originalen OP-Instrumenten neben der Technik auch das taktile Operationsgefühl trainieren.
Realitätsnähe bedeutet aber auch, dass jede Übungssituation von der arthroskopischen Diagnostik bis zu Kreuzbandoperationen und Meniskusresektionen vorher exakt definiert werden kann, in Bezug auf anatomische Varianten wie Bandinsuffizienz, Bandaplasie, Knorpelschäden sowie enges oder weites Knie. Justierbar sind Länge der Seiten- und Kreuzbänder sowie die Position der Kniescheibe. So sind standardisierte gezielte Herausforderungen wie die Resektion des Hinterhorns des Innenmeniskus bei sehr engen Verhältnissen möglich. Durch den Austausch der operierten Imitate kann das Ergebnis mit erfahrenen Kollegen intensiv diskutiert und objektiv bewertet werden. Für die Fertigung bedeutete dies wiederum, dass die Verbrauchsmaterialien des Simulators wie beispielsweise Meniskusimitate als parametrisierte CAD-Datensätze konstruiert werden mussten. Nur so kann durch Variation der Imitate in Größe und Schadensbild jeweils eine individuelle Arthroskopiesituation erzeugt und geübt werden.
Zunächst ging man bei Kegelmann Technik von einem 3D-Scan der organischen Strukturen des Imitats aus. Die Punktewolke des 3D-Scans wurde dann durch eine spezielle Software auf ein 3D-CAD-Modell zurückgerechnet. Solche biologisch optimierten Freiformflächen sind nicht optisch, sondern ausschließlich konstruktiv bedingt, daher schwierig zu beschreiben und verursachen eine enormen Rechenaufwand. Bei gewölbten Oberflächen, Freiformflächen und deren konstruktiver Verbindung mit Regelgeometrien zu innovativen Bauteilen hat Kegelmann Technik jahrelange Erfahrung.
Zur Produktion werden die Imitate in so genannte Slices zerlegt, Höhenschichten, die nacheinander mit einem industriellen 3D-Druck-Verfahren, dem Selektiven Lasersintern, erzeugt werden und so das Endprodukt ergeben. „Im Prinzip haben wir ein Reverse Engineering der Natur gemacht und ein Kniegelenk in vielen Varianten 3D-gedruckt“, erläutert Stephan Kegelmann die Vorgehensweise. „Die Serienproduktion der Verbrauchsmaterialien wird aus Gründen der Effizienz im Spritzgussverfahren erfolgen, das geht in der Serie schneller.“
Klaus Rössler Fachjournalist in Frankfurt

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