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Von Anfang an für den Patienten

Human Centered Design: Risikominimierung in der Produktentwicklung
Von Anfang an für den Patienten

Verlässliche, bedienungssichere Instrumente und Geräte sind entscheidend für erfolgreiche Therapien und Patientensicherheit. In der Produktentwicklung spielt daher die Risikominimierung eine so große Rolle, dass Hersteller auf die Kompetenz eines ‚Chief Design Officer‘ nicht verzichten sollten.

Medizintechnische Produkte müssen gleichzeitig den regulatorischen Anforderungen der Gebrauchstauglichkeit als auch den Ansprüchen des Corporate Design gerecht werden. „Dies ist oft ein schwieriger Spagat“, räumt Raimund Erdmann ein, Geschäftsführer des gleichnamigen Schweizer Design-Unternehmens in Brugg. Dank der optimierten Methodik des Human Centered Design können Nutzer und Nutznießer technischer Innovationen aber bereits während der Produktentwicklung in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt werden. „Designkriterien hatten immer schon einen gewissen Stellenwert in der Interaktion von medizinischem Fachpersonal und Patienten mit Technologie“, weiß Erdmann. Unter den Aspekten Risikominimierung und Wirtschaftlichkeit kann jedoch in Zukunft auf die Kompetenzen eines „Chief Design Officer“ kaum mehr verzichtet werden.

Da medizinische Geräte eine so zentrale Rolle in der Patienten-Sicherheit einnehmen, sollte ihre verlässliche und intuitive Bedienung schon zu Beginn jeder Designphase eine Hauptrolle spielen. Festgehalten werden die Bedingungen für eine einwandfreie Usability von medizinischen Geräten durch den DIN-Standard EN 62366. Die Norm definiert, wie der Usability Engineering Prozess geplant und durchgeführt werden muss. Für die Entwicklung von zuverlässiger Medizintechnik und in-vitro Diagnostik verlangt das offizielle Regelwerk unter anderem die frühe Einbindung von Anwendern in Gebrauchstests von Produkten, ein strukturiertes Design der Benutzerschnittstellen sowie eine ausführliche, spezifische Dokumentation.
„Von Startups und unerfahrenen Unternehmen werden die Kriterien der Gebrauchstauglichkeit in der Produktentwicklung oft unterschätzt“, beobachtet Erdmann. Fehlerquellen werden ohne Systematik leicht übersehen, wodurch Gefahren für Personal und Patienten unerkannt bleiben. Auch erfahrene Medtech-Firmen sind beim Erarbeiten von Weiterentwicklungen von State-of-the-Art Geräten gefordert. Usability-Spezialisten können Entwickler durch ihren Fokus auf den Anwender und sein Verhalten unterstützen.
Bei hochpräzisen Behandlungen in der Radio-Onklologie und Tomographie ist die direkte Anweisung von Patienten durch das behandelnde Team während der Bestrahlung nicht möglich. „Für ein führendes Unternehmen im Bereich Protonentherapie haben wir ein Bildschirmsystem entwickelt, das den Patienten während der Bestrahlung über die korrekte Lagerung oder Haltung informiert“, erklärt Erdmann. Der Informationsbildschirm muss in der Position flexibel schwenkbar sein, damit jeder Patient entsprechend seiner Masse und Behandlung optimale Sicht auf die wichtigen Anweisungen hat.
„Dass die an ein bestehendes Bestrahlungssystem angepasste Monitorhalterung tatsächlich über alle notwendigen Freiheitsgrade verfügt, konnten wir bereits im CAD-Modell überprüfen“, erzählt Erdmann. Die optimale Beweglichkeit wurde anschließend anhand von Funktionsmustern und Prototypen im realen Umfeld getestet, um Gefährdungen von Patienten oder Anwendern vorherzusehen. Diese Methodik ist in der Regel auch mit geringeren Entwicklungskosten verbunden, da Probleme in der Mensch-Produkt-Schnittstelle bereits frühzeitig identifiziert werden.
Zu den unterschätzten Gefahrenherden im Bereich der Medizintechnik gehören insbesondere Softwareaktualisierungen für komplexe Geräte im OP- und Therapiebereich. Erdmann Design ist unter anderem auf die Optimierung von Benutzerschnittstellen von komplexen Medizintechnikprodukten spezialisiert. „Bei reinen Programm-Upgrades werden oft die Menünavigation und das GUI ohne sichtbare Änderungen des Geräts modifiziert“, stellt Raimund Erdmann fest. Dadurch besteht die Gefahr, dass das medizinische Personal ein neu programmiertes Gerät in der alten Routine verwendet und die Änderungen übersehen oder ignoriert werden. In der Praxis können solche unerkannten Fehlerquellen auf tödliche Bedienungsfehler hinauslaufen, oder in Notfallsituationen geht wertvolle Zeit verloren.
Die normgerechte Softwareentwicklung ist nicht nur wichtig, da die Zahl komplexer Medizintechnik-Geräte ständig zunimmt; durch die Möglichkeiten der Telemedizin werden immer öfter auch Patienten zu den Anwendern von Medizintechnik.
Eine intuitive und einfache Usability von medizinischen Geräten und Systemen bringt Vorteile für alle Beteiligten. Diesen Ansatz verfolgt das Unternehmen Stryker für seine OP-Systeme seit Jahren. Gemeinsam mit Erdmann Design hat das US-Unternehmen das Navigationssystem Profess für Interventionen im Nasen- und Sinusbereich gemäß dem Human Centered Design Ansatz entwickelt. Die aus HCD-Überlegungen resultierende, minimale Standfläche der Navigationsplattform erleichtert das Manövrieren und die Verwendung des Geräts in engen Operationssälen. Eine flexible Platzierung der Kamera wird durch einen besonders großen Bewegungsradius des Kameraarms von NAV3i ermöglicht. „Im zeitlichen Ablauf des OP-Alltags ist die einfache und schnelle Positionierung von Geräten ein wichtiger Faktor“, erklärt Raimund Erdmann, und je einfacher für das Operationsteam die Zusammenarbeit ist, desto geringer sei das Fehlerrisiko. Für das Profess-System wurde daher ein Software entwickelt, die vom nicht sterilen Benutzer über einen Tablet-PC mit Touchfunktion bedient wird, während der Chirurg die Position der Instrumente auf einem großen Full-HD-Bildschirm verfolgt.
Für Hersteller führt die optimale Usability ihrer Geräte zu niedrigeren Instruktionskosten, und die Zeitersparnis für das medizinische Personal stellt ebenfalls einen Wettbewerbsvorteil dar. Hohe Sicherheits- und Usability-Standards erleichtern zudem die Zertifizierung von Innovationen gegenüber den Zulassungs- und Aufsichtsbehörden.
Patrick Roth Partner bei Innovation Mining & Incorporated Projects, Neuchâtel
Human Centered Design verbessert die Sicherheit der Patienten

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