Startseite » Allgemein »

Verbesserte chirurgische Präzision mit handgeführten Instrumenten

Roboterassistierte Technologie: Konsequenzen für Chirurgieinstrumentehersteller
Verbesserte chirurgische Präzision mit handgeführten Instrumenten

Wenn der hochgenau arbeitende Roboter im OP Einzug hält, geht ein Einsatzfeld für Chirurgieinstrumente verloren. Designer Martin Storz erläutert, mit welchen Konstruktionen handgeführte Instrumente einen Eingriff präziser machen.

Herr Storz, wie beurteilen Sie die Situation der Chirurgieinstrumentehersteller heute?

Die Chirurgietechnik bekam über die letzten Jahrzehnte immer wieder Impulse durch Neuentwicklungen, zum Beispiel in der Endoskopie, der Orthopädie, in der Implantationstechnik, beim Gelenkersatz oder auch in der Neurochirurgie. Durch diese ging zwar Terrain bei Standardinstrumenten verloren, Verbesserungen und Neuentwicklungen, beispielsweise in Form von hervorragenden Applikationsinstrumenten, haben das bisher immer ausgeglichen. Nun gibt es aber seit über 10 Jahren eine Entwicklung – die roboterassistierte Chirurgie mit dem Davinci-System– an der die deutsche Chirurgiebranche nicht beteiligt ist.
Es gibt aber Forschungsansätze wie zum Beispiel das Projekt Mirosurge…
Dieses Projekt ist eine grundsätzlich erfreuliche Entwicklung, aber meines Wissens – leider – bis heute nicht im Einsatz. Aus deutscher oder auch europäischer Sicht kann man nur hoffen, dass dies gelingt und eine Zertifizierung und Zulassung zum klinischen Einsatz erfolgt.
Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie bei handgeführten Instrumenten?
Die Instrumente für laparoskopische Eingriffe stehen für ein beachtliches Umsatzvolumen. Nach allem, was bisher über die Systeme mit Robotern zu erfahren ist, könnten diese die deutschen Instrumentenhersteller unter Druck bringen. Die technische Überlegenheit der Roboter steht für Fachleute außer Zweifel. Sie liegt vor allem in der höheren chirurgischen Präzision. Derzeit bremsen die Kosten die Entwicklung, aufhalten werden sie sie aber nicht. Ein beachtlicher Teil der Krankenhausbudgets wird demnach nach Kalifornien zu Intuitive Surgery fließen, dem Anbieter des Davinci-Systems. Das Unternehmen hat die Technologie mit über 200 Patenten geschützt und quasi ein Monopol auf den gesamten Ablauf von der Ausbildung über die Wartung bis zur Instrumentierung. Die klassische Laparoskopie wird so auf lange Sicht teilweise ersetzt.
Was heißt das für Instrumentenhersteller?
Es wird zu überlegen sein, wie man dieser Entwicklung begegnen kann. Hochaufgelöste 3D-Bilder, wie sie Wettbewerber inzwischen ermöglichen, verbessern zwar die Sichtverhältnisse für den Chirurgen. Das allein reicht aber meiner Meinung nach bei weitem nicht aus, um mit der roboterassistierten Technik gleichzuziehen. Interessanter könnte es sein, wenn die einheimische Branche ihre Stärke bei handgeführten Instrumenten nutzt und diese verbessert. Dafür werden aber neue Bauarten gebraucht, die sowohl in der offenen wie auch der endoskopischen Chirurgie bessere Leistungen ermöglichen.
Was müsste anders werden?
Vor allem hapert es an der Griffergonomie. Das Problem ist, dass es bisher oft nur punktuellen Kontakt zwischen Hand und Instrument gibt. Vor allem bei langschaftigen Instrumenten mit Ringgriffen, in denen maximal zwei oder drei Finger im Einsatz sind, wird es schwierig, das Instrument intrakorporal sicher zu führen und ruhig zu betätigen. Viele Chirurgen haben sich damit arrangiert. Aber sie bekamen ja bisher keine Alternativen angeboten, und die meisten Hersteller halten den Status quo noch für ausreichend. Allmählich aber wächst die Zahl derer, die versuchen, zu neuen Lösungen zu kommen.
Für welche Bauarten plädieren Sie?
Zweckdienlich sind neue, relativ kleinvolumige, jedoch kontaktintensive Griffkonstruktionen: Die Funktionen der Führung und Betätigung des Instruments müssten darin getrennt sein, vergleichbar mit der Betätigung einer Pistole. Damit könnte die Präzision spürbar verbessert werden. Interessant wäre auch die bisher nicht realisierte MIOC-Idee mit vertikalchirurgisch einsetzbaren Instrumenten.
Lassen sich solche Instrumente zu vertretbaren Kosten herstellen?
In der Fertigung steckt sicher noch Verbesserungspotenzial. Wir müssen Konstruktionen finden, die weitgehend automatisiert, aber dennoch energie- und materialeffizient und somit kostengünstig hergestellt werden können. Die immer besseren Kunststoffe werden dabei eine wachsende Rolle spielen. Weiteres Potenzial sehe ich in modularen Instrumenten, austauschbaren Teilen und Konstruktionen, die eine einfachere Reinigung ermöglichen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Das MIOC-Konzept
Der Produktdesigner Martin Storz schlägt ein neuartiges Konstruktionssystem für chirurgische Instrumente vor, das vor allem für den Einsatz in der Offenen Chirurgie gedacht ist. MIOC steht für Minimal-invasive Offene Chirurgie, also eine offene Chirurgie mit kleineren Operationszugängen. Dafür müssen den Ärzten chirurgische Instrumente zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie bei vertikal nach unten gerichteten Instrumenten im Operationszugang arbeiten können. Ergänzend werden Retraktionssysteme sowie Beleuchtungsmöglichkeiten zum direkten Einsatz im Operationszugang benötigt.
Herkömmliche Kreuzhebelinstrumente wie Scheren sind für solche Operationstechniken nicht geeignet, weil man sie in steil nach unten gerichteter Stellung nicht ergonomisch günstig einsetzen kann. MIOC-fähige Instrumente sind Schaftinstrumente mit Winkelgriff. Ähnliche Bauformen gibt es bereits, zum Beispiel in Form von Arthrostanzen mit Rohrschaft und Winkelgriff. Für die minimal-invasive offene Chirurgie wären diese laut Storz aber ungeeignet, weil ihre Maulmechanik eine zu geringe Greifweite aufweist und vor allem den erforderlichen Belastungen nicht standhält. Darüberhinaus sind Rohrschaftinstrumente schwer zu reinigen, vor allem, wenn sie nicht zerlegbar sind.
Die Sicht zur Operationsstelle bliebe beim Einsatz solch neuer Instrumente weitgehend frei, da sich die instrumentenführende Hand außerhalb der Sichtlinie befindet, Bildübertragung ist nicht erforderlich. Beleuchtungsmodule mit autarker Stromversorgung lassen sich am Instrumentenschaft anbauen. Auch in den Operationszugang einsetzbare Beleuchtungstechnik bietet eine gezielte Ausleuchtung der Operationsstelle aus kurzer Entfernung.

Ihr Stichwort
Aktuelle Ausgabe
Titelbild medizin technik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Titelthema: PFAS

Medizintechnik ohne PFAS: Suche nach sinnvollem Ersatz

Alle Webinare & Webcasts

Webinare aller unserer Industrieseiten

Aktuelles Webinar

Multiphysik-Simulation

Medizintechnik: Multiphysik-Simulation

Whitepaper

Whitepaper aller unserer Industrieseiten


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de